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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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Die Thätigkeit des Bundesamts für d as Heimathswesen scheint die her¬
kömmliche der Collegialbehörde sein zu sollen. Empfiehlt es sich an diesem
Herkommen festzuhalten? oder wäre es nicht räthlicher, das für die Schwur¬
gerichte eingeführte System periodischer Sitzungen, seien es Monats- oder
Zweimonatssitzungen, in Anwendung zu bringen? Der Geschäftsumfang des
Heimathsgerichtshofs entzieht sich jeder Vorausberechnung, und die Noth¬
wendigkeit fortlaufender Sitzungen läßt sich vorläufig nicht absehen. So
dringlich dürsten die Streitigkeiten zumeist nicht sein, um nicht einen Aufschub
von wenig Wochen zu vertragen. Die Periodicität der Sitzungen würde
einen wesentlichen Einfluß auf die Besetzung des Gerichtshofs äußern können.
Der Vorsitzende und die drei Mitglieder, die zur Abfassung einer giltigen
Entscheidung -- gleichviel ob sie interlocutorischer Natur -- nöthig sein
sollen, müssen dauernd angestellt werden und dauernd am Sitze des Hoff
(Berlin) gegenwärtig sein. Die übrigen Mitglieder -- nehmen wir an, die
Beschlußfähigkeit würde auf die Zahl von 7 Richtern erhöht -- können
beim periodischen Zusammentritt des Hoff, etwa jährlich, ernannt und damit
dem stabilen Element der ständigen Richter ein mobiles Element beigesellt
werden, das auf die Frische und Lebenstreue der Entscheidungen nützliche
Wirkung zu üben vermag. Die Beständigkeit der Spruchpraxis braucht
darunter nicht zu leiden.

Die Gestaltung der Bundesverfassung bringt es mit sich, daß das Bun¬
desamt für das Heimathswesen die letzte Instanz bildet, gegen deren Ent¬
scheidungen kein Rechtsmittel zusteht. Welches Organ außer dem Bundesrath
sollte über das Rechtsmittel befinden? und dieser wird ja gerade als ungeeignet
für verwaltungsgerichtliche Entscheidungen bezeichnet. Die Bestimmung ergibt
sich wie von selbst. Dennoch ist sie wichtig genug, um ihrer ausdrücklich zu
gedenken, und sie zeigt, wie der Bund auch in dieser Frage die volle Consequenz
zu ziehen weiß, während der badische Gesetzgeber noch eine Nichtigkeitsbe¬
schwerde gegen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs an das Staats¬
ministerium (als Competenzgerichtshof) zuläßt. Das Rechtsmittel, von dem
nur in sehr wenigen Fällen Gebrauch gemacht worden ist, hat das Ansetzn
des Karlsruher Verwaltungsgerichtshofs nicht geschädigt, es kann aber immer¬
hin eine Gefährdung der Unabhängigkeit der Verwaltungsrechtspflege in sich
schließen.


L.


Die Thätigkeit des Bundesamts für d as Heimathswesen scheint die her¬
kömmliche der Collegialbehörde sein zu sollen. Empfiehlt es sich an diesem
Herkommen festzuhalten? oder wäre es nicht räthlicher, das für die Schwur¬
gerichte eingeführte System periodischer Sitzungen, seien es Monats- oder
Zweimonatssitzungen, in Anwendung zu bringen? Der Geschäftsumfang des
Heimathsgerichtshofs entzieht sich jeder Vorausberechnung, und die Noth¬
wendigkeit fortlaufender Sitzungen läßt sich vorläufig nicht absehen. So
dringlich dürsten die Streitigkeiten zumeist nicht sein, um nicht einen Aufschub
von wenig Wochen zu vertragen. Die Periodicität der Sitzungen würde
einen wesentlichen Einfluß auf die Besetzung des Gerichtshofs äußern können.
Der Vorsitzende und die drei Mitglieder, die zur Abfassung einer giltigen
Entscheidung — gleichviel ob sie interlocutorischer Natur — nöthig sein
sollen, müssen dauernd angestellt werden und dauernd am Sitze des Hoff
(Berlin) gegenwärtig sein. Die übrigen Mitglieder — nehmen wir an, die
Beschlußfähigkeit würde auf die Zahl von 7 Richtern erhöht — können
beim periodischen Zusammentritt des Hoff, etwa jährlich, ernannt und damit
dem stabilen Element der ständigen Richter ein mobiles Element beigesellt
werden, das auf die Frische und Lebenstreue der Entscheidungen nützliche
Wirkung zu üben vermag. Die Beständigkeit der Spruchpraxis braucht
darunter nicht zu leiden.

Die Gestaltung der Bundesverfassung bringt es mit sich, daß das Bun¬
desamt für das Heimathswesen die letzte Instanz bildet, gegen deren Ent¬
scheidungen kein Rechtsmittel zusteht. Welches Organ außer dem Bundesrath
sollte über das Rechtsmittel befinden? und dieser wird ja gerade als ungeeignet
für verwaltungsgerichtliche Entscheidungen bezeichnet. Die Bestimmung ergibt
sich wie von selbst. Dennoch ist sie wichtig genug, um ihrer ausdrücklich zu
gedenken, und sie zeigt, wie der Bund auch in dieser Frage die volle Consequenz
zu ziehen weiß, während der badische Gesetzgeber noch eine Nichtigkeitsbe¬
schwerde gegen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs an das Staats¬
ministerium (als Competenzgerichtshof) zuläßt. Das Rechtsmittel, von dem
nur in sehr wenigen Fällen Gebrauch gemacht worden ist, hat das Ansetzn
des Karlsruher Verwaltungsgerichtshofs nicht geschädigt, es kann aber immer¬
hin eine Gefährdung der Unabhängigkeit der Verwaltungsrechtspflege in sich
schließen.


L.


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[0230] Die Thätigkeit des Bundesamts für d as Heimathswesen scheint die her¬ kömmliche der Collegialbehörde sein zu sollen. Empfiehlt es sich an diesem Herkommen festzuhalten? oder wäre es nicht räthlicher, das für die Schwur¬ gerichte eingeführte System periodischer Sitzungen, seien es Monats- oder Zweimonatssitzungen, in Anwendung zu bringen? Der Geschäftsumfang des Heimathsgerichtshofs entzieht sich jeder Vorausberechnung, und die Noth¬ wendigkeit fortlaufender Sitzungen läßt sich vorläufig nicht absehen. So dringlich dürsten die Streitigkeiten zumeist nicht sein, um nicht einen Aufschub von wenig Wochen zu vertragen. Die Periodicität der Sitzungen würde einen wesentlichen Einfluß auf die Besetzung des Gerichtshofs äußern können. Der Vorsitzende und die drei Mitglieder, die zur Abfassung einer giltigen Entscheidung — gleichviel ob sie interlocutorischer Natur — nöthig sein sollen, müssen dauernd angestellt werden und dauernd am Sitze des Hoff (Berlin) gegenwärtig sein. Die übrigen Mitglieder — nehmen wir an, die Beschlußfähigkeit würde auf die Zahl von 7 Richtern erhöht — können beim periodischen Zusammentritt des Hoff, etwa jährlich, ernannt und damit dem stabilen Element der ständigen Richter ein mobiles Element beigesellt werden, das auf die Frische und Lebenstreue der Entscheidungen nützliche Wirkung zu üben vermag. Die Beständigkeit der Spruchpraxis braucht darunter nicht zu leiden. Die Gestaltung der Bundesverfassung bringt es mit sich, daß das Bun¬ desamt für das Heimathswesen die letzte Instanz bildet, gegen deren Ent¬ scheidungen kein Rechtsmittel zusteht. Welches Organ außer dem Bundesrath sollte über das Rechtsmittel befinden? und dieser wird ja gerade als ungeeignet für verwaltungsgerichtliche Entscheidungen bezeichnet. Die Bestimmung ergibt sich wie von selbst. Dennoch ist sie wichtig genug, um ihrer ausdrücklich zu gedenken, und sie zeigt, wie der Bund auch in dieser Frage die volle Consequenz zu ziehen weiß, während der badische Gesetzgeber noch eine Nichtigkeitsbe¬ schwerde gegen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs an das Staats¬ ministerium (als Competenzgerichtshof) zuläßt. Das Rechtsmittel, von dem nur in sehr wenigen Fällen Gebrauch gemacht worden ist, hat das Ansetzn des Karlsruher Verwaltungsgerichtshofs nicht geschädigt, es kann aber immer¬ hin eine Gefährdung der Unabhängigkeit der Verwaltungsrechtspflege in sich schließen. L.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/230>, abgerufen am 27.07.2024.