Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.schaftsweise der damaligen Staatskunst entsprechend, glaubte versagen zu Die Berücksichtigung des Elements der bürgerlichen Richter als solcher schaftsweise der damaligen Staatskunst entsprechend, glaubte versagen zu Die Berücksichtigung des Elements der bürgerlichen Richter als solcher <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0227" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123847"/> <p xml:id="ID_692" prev="#ID_691"> schaftsweise der damaligen Staatskunst entsprechend, glaubte versagen zu<lb/> müssen. Die Collegialbehörde, die er an die Stelle setzte, war nichts als<lb/> ein Behelf und wenn auch die eigentlichen Schäden der sächsischen Ver¬<lb/> waltungsrechtspflege anderswo liegen, mangelt offenbar der Grund, eine Ein¬<lb/> richtung zum Vorbild zu nehmen, von der Niemand sagen kann, daß sie an<lb/> sich vorzüglich gewirkt habe. Es ist ein Widerspruch in sich selbst, auf der<lb/> der einen Seite einen besonderen Gerichtshof zu bestellen, um für Aburtheilung<lb/> von Sachen eine geeignete Instanz zu gewinnen und auf der andern Seite<lb/> in diesen Gerichtshof gerade Mitglieder der Instanz abzuordnen, die für Ab¬<lb/> urtheilung der Sachen selbst ungeeignet erscheint.</p><lb/> <p xml:id="ID_693" next="#ID_694"> Die Berücksichtigung des Elements der bürgerlichen Richter als solcher<lb/> ist der Rückfall in die civilistischen Anschauungen, von denen man sich eben<lb/> frei machen will. Sie ist das Eingeständniß, daß dem Rechtsgefühl der im<lb/> Verwaltungsdienst heranwachsenden Männer nicht in vollem Maße Vertrauen<lb/> geschenkt wird. Allein, wenn dies Vertrauen fehlt, gebietet die Consequenz,<lb/> es nicht nur theilweise, sondern vollständig zu versagen. Was soll überhaupt<lb/> dieser Bruchtheil bürgerlicher Richter inmitten der Mehrheit von Verwaltungs»<lb/> richtern? Die Mitglieder des Bundesamts sind öffentliche Richter: wer das<lb/> Richteramt mit Sinn und Augen des bürgerlichen Richters üben wollte,<lb/> würde ebenso falsch handeln, wie wenn er die allgemeinen Gesichtspunkte<lb/> des Richters in die Thätigkeit des Verwaltungsbeamten zu übertragen dächte,<lb/> Erkennt man das Bestehen einer Verwaltungsrechtspflege an, so ist es auch<lb/> nothwendig, ihre Eigenart anzuerkennen und diese liegt in der besonderen<lb/> Weise der Rechtsprechung. Die Verwaltungsrechtsprechung unterscheidet sich<lb/> von der bürgerlichen Rechtsprechung, wie sich diese wieder von der pein¬<lb/> lichen Rechtsprechung unterscheidet. Daß aus dem Obertribunal Richter, die<lb/> mit dem Verspruch öffentlichrechtlicher Sachen betraut sind, in den Heimaths-<lb/> gerichtshos treten, ist dabei natürlich in keiner Weise ausgeschlossen. Es kann<lb/> sich nur wiederholen, was erst vor kurzem bei Besetzung des Bundesober¬<lb/> handelsgerichts eintrat. Wie hier die Specialisten des Handelsrechts heraus¬<lb/> gehoben wurden, müssen für den Heimathsgerichtshof Kapacitäten des öffent¬<lb/> lichen Rechts ausgewählt werden. Diese sind unzweifelhaft unter den bürger¬<lb/> lichen Richtern zu finden und wir geben zu, daß es, namentlich für den<lb/> Anfang, wünschenswert!) ist, Richter mit civilistischer Durchbildung im Bun¬<lb/> desamt für das Heimathswesen zu sehen. Wozu dies aber in bindender<lb/> Weise vorschreiben? Wozu nicht die Zeit Erfahrungen sammeln lassen und erst<lb/> dann, wenn diese Erfahrungen für eine Einschränkung sprechen, die Ein¬<lb/> schränkung einführen? Ueberall und namentlich im Bunde strebt man dar¬<lb/> nach, überflüssige Formen zu vermeiden: warum will man bei einem Organ</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0227]
schaftsweise der damaligen Staatskunst entsprechend, glaubte versagen zu
müssen. Die Collegialbehörde, die er an die Stelle setzte, war nichts als
ein Behelf und wenn auch die eigentlichen Schäden der sächsischen Ver¬
waltungsrechtspflege anderswo liegen, mangelt offenbar der Grund, eine Ein¬
richtung zum Vorbild zu nehmen, von der Niemand sagen kann, daß sie an
sich vorzüglich gewirkt habe. Es ist ein Widerspruch in sich selbst, auf der
der einen Seite einen besonderen Gerichtshof zu bestellen, um für Aburtheilung
von Sachen eine geeignete Instanz zu gewinnen und auf der andern Seite
in diesen Gerichtshof gerade Mitglieder der Instanz abzuordnen, die für Ab¬
urtheilung der Sachen selbst ungeeignet erscheint.
Die Berücksichtigung des Elements der bürgerlichen Richter als solcher
ist der Rückfall in die civilistischen Anschauungen, von denen man sich eben
frei machen will. Sie ist das Eingeständniß, daß dem Rechtsgefühl der im
Verwaltungsdienst heranwachsenden Männer nicht in vollem Maße Vertrauen
geschenkt wird. Allein, wenn dies Vertrauen fehlt, gebietet die Consequenz,
es nicht nur theilweise, sondern vollständig zu versagen. Was soll überhaupt
dieser Bruchtheil bürgerlicher Richter inmitten der Mehrheit von Verwaltungs»
richtern? Die Mitglieder des Bundesamts sind öffentliche Richter: wer das
Richteramt mit Sinn und Augen des bürgerlichen Richters üben wollte,
würde ebenso falsch handeln, wie wenn er die allgemeinen Gesichtspunkte
des Richters in die Thätigkeit des Verwaltungsbeamten zu übertragen dächte,
Erkennt man das Bestehen einer Verwaltungsrechtspflege an, so ist es auch
nothwendig, ihre Eigenart anzuerkennen und diese liegt in der besonderen
Weise der Rechtsprechung. Die Verwaltungsrechtsprechung unterscheidet sich
von der bürgerlichen Rechtsprechung, wie sich diese wieder von der pein¬
lichen Rechtsprechung unterscheidet. Daß aus dem Obertribunal Richter, die
mit dem Verspruch öffentlichrechtlicher Sachen betraut sind, in den Heimaths-
gerichtshos treten, ist dabei natürlich in keiner Weise ausgeschlossen. Es kann
sich nur wiederholen, was erst vor kurzem bei Besetzung des Bundesober¬
handelsgerichts eintrat. Wie hier die Specialisten des Handelsrechts heraus¬
gehoben wurden, müssen für den Heimathsgerichtshof Kapacitäten des öffent¬
lichen Rechts ausgewählt werden. Diese sind unzweifelhaft unter den bürger¬
lichen Richtern zu finden und wir geben zu, daß es, namentlich für den
Anfang, wünschenswert!) ist, Richter mit civilistischer Durchbildung im Bun¬
desamt für das Heimathswesen zu sehen. Wozu dies aber in bindender
Weise vorschreiben? Wozu nicht die Zeit Erfahrungen sammeln lassen und erst
dann, wenn diese Erfahrungen für eine Einschränkung sprechen, die Ein¬
schränkung einführen? Ueberall und namentlich im Bunde strebt man dar¬
nach, überflüssige Formen zu vermeiden: warum will man bei einem Organ
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