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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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Ablaß vom Papste verheißen, ja zur würdigen Einweihung der neuen Aera
wird sogar ein Autodafe' veranstaltet, ein Prager Kaufmann, Namens Krasa,
der hier in Geschäften sich aufhält, wird, weil er das Kosemitzer Concil ge¬
lästert, in Breslau lebendig verbrannt.

Glaubenskrieg, Kreuzpredigten, Ablaßkram, Autodafes -- man sieht mit
ihrem ganzen Apparate zieht die geistliche Herrschaft siegreich ein in die ihr
bisher so feindlichen Mauern, und doch entdeckt auch das aufmerksamste Auge
nicht das kleinste Zeichen dafür, daß diese ungewohnten Dinge hier Ent¬
rüstung oder auch nur unwillige Verwunderung erregt hätten, der Wider¬
wille gegen den gemeinsam zu bekämpfenden Feind ist größer als die Scheu
vor dem Bundesgenossen. Eine wirkliche Intimität, wie sie keine frühere
Zeit gekannt, herrscht fortan, so lange der Krieg dauert, zwischen dem Bres-
lauer Rath und dem Bischof. Und nun geht es weiter. Man rüstet eifrig
zum Kriege, es erfolgt 1421 ein Einfall in Böhmen, und Greuel der blutig¬
sten Verwüstung bezeichnen den Weg des schlesischen Heeres. Man könnte
vielleicht die Berichte des böhmischen Chronisten, der die Grausamkeiten der
Schlesier mit den schwärzesten Farben malt, als parteiische Uebertreibung zu¬
rückweisen, aber wir können nicht die Briefe aus dem eignen Lager der Deut¬
schen verleugnen, in denen, als wäre das ganz selbstverständlich, erzählt wird,
wie man die ersten Gefangenen, unglückliche böhmische Bauern, die auf den
Glatzer Bergen als Vorposten standen, ohne Weiteres qualvollen Feuertode
überlieferte. Und die das thaten, waren nicht fanatisirte Rotten; so weit
hatte die Kreuzpredigt nicht gewirkt, daß etwa eine Massenerhebung von
begeisterten Priestern geleitet erfolgt wäre. Der Krieg war vorbereitet wor¬
den wie jeder andere, die Städte hatten je nach ihrer Bedeutung ihr Con¬
tingent von Söldnern ausgerüstet, und diese waren in den Krieg gezogen.
-- In der gemäßigsten Weise mahnt der böhmische Landtag von Czaslau
aus zum Frieden, man hört nicht darauf, wohl schwindet allmälig der Eifer
für den Krieg gegenüber der kläglichen Politik des Kaisers, der Schwäche des
Reiches, aber der Haß bleibt.

Dann kommen schwere Zeiten über Schlesien, sieben Jahre hindurch
wälzen sich immer neue Schwärme der Hussiten über die Berge, Alles mit
Verwüstung erfüllend, das Land steht ihnen offen, nach wenig rühmlichen
Kämpfen beschränken sich die einheimischen Truppen auf die nothdürftige
Vertheidigung einiger größeren Städte. Bald setzen sich die Böhmen auch
in einzelnen schlesischen Burgen fest, von da das Land ununterbrochen
brandschatzend und beraubend, Schlesien verödet mehr und mehr. Aber mitten
in diesem Elend, im Stich gelassen von Kaiser und Reich rüsten die Schlesier.
die Breslauer. Schweidnitzer, Liegnitzer, Reißer geduldig immer von Neuem. <
Aus ihren Briefen könnte Niemand eine Mißbilligung der kaiserlichen Politik,


Grenzboten II. 1870. 27

Ablaß vom Papste verheißen, ja zur würdigen Einweihung der neuen Aera
wird sogar ein Autodafe' veranstaltet, ein Prager Kaufmann, Namens Krasa,
der hier in Geschäften sich aufhält, wird, weil er das Kosemitzer Concil ge¬
lästert, in Breslau lebendig verbrannt.

Glaubenskrieg, Kreuzpredigten, Ablaßkram, Autodafes — man sieht mit
ihrem ganzen Apparate zieht die geistliche Herrschaft siegreich ein in die ihr
bisher so feindlichen Mauern, und doch entdeckt auch das aufmerksamste Auge
nicht das kleinste Zeichen dafür, daß diese ungewohnten Dinge hier Ent¬
rüstung oder auch nur unwillige Verwunderung erregt hätten, der Wider¬
wille gegen den gemeinsam zu bekämpfenden Feind ist größer als die Scheu
vor dem Bundesgenossen. Eine wirkliche Intimität, wie sie keine frühere
Zeit gekannt, herrscht fortan, so lange der Krieg dauert, zwischen dem Bres-
lauer Rath und dem Bischof. Und nun geht es weiter. Man rüstet eifrig
zum Kriege, es erfolgt 1421 ein Einfall in Böhmen, und Greuel der blutig¬
sten Verwüstung bezeichnen den Weg des schlesischen Heeres. Man könnte
vielleicht die Berichte des böhmischen Chronisten, der die Grausamkeiten der
Schlesier mit den schwärzesten Farben malt, als parteiische Uebertreibung zu¬
rückweisen, aber wir können nicht die Briefe aus dem eignen Lager der Deut¬
schen verleugnen, in denen, als wäre das ganz selbstverständlich, erzählt wird,
wie man die ersten Gefangenen, unglückliche böhmische Bauern, die auf den
Glatzer Bergen als Vorposten standen, ohne Weiteres qualvollen Feuertode
überlieferte. Und die das thaten, waren nicht fanatisirte Rotten; so weit
hatte die Kreuzpredigt nicht gewirkt, daß etwa eine Massenerhebung von
begeisterten Priestern geleitet erfolgt wäre. Der Krieg war vorbereitet wor¬
den wie jeder andere, die Städte hatten je nach ihrer Bedeutung ihr Con¬
tingent von Söldnern ausgerüstet, und diese waren in den Krieg gezogen.
— In der gemäßigsten Weise mahnt der böhmische Landtag von Czaslau
aus zum Frieden, man hört nicht darauf, wohl schwindet allmälig der Eifer
für den Krieg gegenüber der kläglichen Politik des Kaisers, der Schwäche des
Reiches, aber der Haß bleibt.

Dann kommen schwere Zeiten über Schlesien, sieben Jahre hindurch
wälzen sich immer neue Schwärme der Hussiten über die Berge, Alles mit
Verwüstung erfüllend, das Land steht ihnen offen, nach wenig rühmlichen
Kämpfen beschränken sich die einheimischen Truppen auf die nothdürftige
Vertheidigung einiger größeren Städte. Bald setzen sich die Böhmen auch
in einzelnen schlesischen Burgen fest, von da das Land ununterbrochen
brandschatzend und beraubend, Schlesien verödet mehr und mehr. Aber mitten
in diesem Elend, im Stich gelassen von Kaiser und Reich rüsten die Schlesier.
die Breslauer. Schweidnitzer, Liegnitzer, Reißer geduldig immer von Neuem. <
Aus ihren Briefen könnte Niemand eine Mißbilligung der kaiserlichen Politik,


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[0215] Ablaß vom Papste verheißen, ja zur würdigen Einweihung der neuen Aera wird sogar ein Autodafe' veranstaltet, ein Prager Kaufmann, Namens Krasa, der hier in Geschäften sich aufhält, wird, weil er das Kosemitzer Concil ge¬ lästert, in Breslau lebendig verbrannt. Glaubenskrieg, Kreuzpredigten, Ablaßkram, Autodafes — man sieht mit ihrem ganzen Apparate zieht die geistliche Herrschaft siegreich ein in die ihr bisher so feindlichen Mauern, und doch entdeckt auch das aufmerksamste Auge nicht das kleinste Zeichen dafür, daß diese ungewohnten Dinge hier Ent¬ rüstung oder auch nur unwillige Verwunderung erregt hätten, der Wider¬ wille gegen den gemeinsam zu bekämpfenden Feind ist größer als die Scheu vor dem Bundesgenossen. Eine wirkliche Intimität, wie sie keine frühere Zeit gekannt, herrscht fortan, so lange der Krieg dauert, zwischen dem Bres- lauer Rath und dem Bischof. Und nun geht es weiter. Man rüstet eifrig zum Kriege, es erfolgt 1421 ein Einfall in Böhmen, und Greuel der blutig¬ sten Verwüstung bezeichnen den Weg des schlesischen Heeres. Man könnte vielleicht die Berichte des böhmischen Chronisten, der die Grausamkeiten der Schlesier mit den schwärzesten Farben malt, als parteiische Uebertreibung zu¬ rückweisen, aber wir können nicht die Briefe aus dem eignen Lager der Deut¬ schen verleugnen, in denen, als wäre das ganz selbstverständlich, erzählt wird, wie man die ersten Gefangenen, unglückliche böhmische Bauern, die auf den Glatzer Bergen als Vorposten standen, ohne Weiteres qualvollen Feuertode überlieferte. Und die das thaten, waren nicht fanatisirte Rotten; so weit hatte die Kreuzpredigt nicht gewirkt, daß etwa eine Massenerhebung von begeisterten Priestern geleitet erfolgt wäre. Der Krieg war vorbereitet wor¬ den wie jeder andere, die Städte hatten je nach ihrer Bedeutung ihr Con¬ tingent von Söldnern ausgerüstet, und diese waren in den Krieg gezogen. — In der gemäßigsten Weise mahnt der böhmische Landtag von Czaslau aus zum Frieden, man hört nicht darauf, wohl schwindet allmälig der Eifer für den Krieg gegenüber der kläglichen Politik des Kaisers, der Schwäche des Reiches, aber der Haß bleibt. Dann kommen schwere Zeiten über Schlesien, sieben Jahre hindurch wälzen sich immer neue Schwärme der Hussiten über die Berge, Alles mit Verwüstung erfüllend, das Land steht ihnen offen, nach wenig rühmlichen Kämpfen beschränken sich die einheimischen Truppen auf die nothdürftige Vertheidigung einiger größeren Städte. Bald setzen sich die Böhmen auch in einzelnen schlesischen Burgen fest, von da das Land ununterbrochen brandschatzend und beraubend, Schlesien verödet mehr und mehr. Aber mitten in diesem Elend, im Stich gelassen von Kaiser und Reich rüsten die Schlesier. die Breslauer. Schweidnitzer, Liegnitzer, Reißer geduldig immer von Neuem. < Aus ihren Briefen könnte Niemand eine Mißbilligung der kaiserlichen Politik, Grenzboten II. 1870. 27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/215>, abgerufen am 27.07.2024.