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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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Eine bejahende Antwort auf diese Frage scheint der Rückblick auf die
schlesische Geschichte und die kirchliche Haltung der Schlesier doppelt wahrschein¬
lich zu machen. Seitdem die deutschen Colonisten hier in Schlesien festen
Fuß gefaßt hatten, waren sie auch in eine oppositionelle Stellung zur Geist¬
lichkeit, oder genauer ausgedrückt zum Papstthum gedrängt worden; sie,
die ihr deutsches Recht mitgebracht hatten und ausdrücklich bei ihrer An¬
siedelung von den Lasten des polnischen Rechtes befreit worden waren,
weigerten sich hartnäckig den im deutschen Reiche unbekannnten Peterspfennig
zu entrichten-., welchen die Kurie hier als auf polnischem Gebiete verlangte,
da die Breslauer Diöcese zu der Gnesener Kirchenprovinz gerechnet ward.
Die natürliche Folge davon war, daß die geistlichen Gewalten die Polen
aus Kosten der Deutschen begünstigten, was dann wieder umgekehrt seine
Wirkung üben mußte. In besonderer Schärfe trat dieser Gegensatz im
14. Jahrhundert hervor, als die Päpste in Folge der Kirchenspaltung doppelt
geldbedürstig ihre Forderungen höher spannten als früher. Auf das Leb¬
hafteste klagt ein päpstlicher Legat damals, überall wo die Deutschen herrschten,
kämen die Rechte des Papstes ganz und gar in Verfall, und schon würden
auch die bisher noch gutgesinnten Polen von jenen angesteckt. Vor Allem
durfte die Stadt Breslau während des ganzen 14. Jahrhunderts als der
eigentliche Heerd eifriger Opposition gegen alle klerikalen Ansprüche gelten,
einer Opposition, die um so schwerer zu bekämpfen war. als die Luxemburger
Herrscher sich meistens auf Seite der Stadt gegen den Klerus stellten. Schon
im Anfange jenes Jahrhunderts klagte das Breslauer Domkapitel während
einer Sedisvakanz, es dürfe nicht wagen, über die Stadt das Interdikt zu
verhängen, sonst sei kein Geistlicher jenseits der Dombrücke seines Lebens
sicher. Als Bischof Ramler es wagte, den König Johann von Böhmen hier
in Breslau zu exkommuneiren, und dieser sich darauf von dem "Pfaffen, der
gern Märtyrer werden wolle" spottend abwandte, aber doch die Geistlichkeit
durch Sperrung ihrer Einkünfte seinen Zorn fühlen ließ, da stand ganz Bres¬
lau auf seiner Seite, man achtete des Interdiktes nicht, vertrieb die Pfarrer,
die dasselbe respektiren wollten und ließ durch Bettelmönche den Gottesdienst
abhalten. Nun war allerdings damals die kirchliche Opposition durch ein
nationales Element geschärft, jener Bischof Ramler war ein durch päpstlichen
Einfluß oktroirter Pole, der mit seinem eignen deutschgesinnten Kapitel in
fortwährendem Streite lebte, aber auch unter Ramlers Nachfolger Preczlaw,
wo die nationale Spannung nachließ, dauerte die oppositionelle Haltung der
Stadt gegen die Geistlichkeit fort. Nicht ohne Schroffheit tritt der sonst so
gemäßigte Breslauer Rath den Consequenzen entgegen, welche das Kapitel
aus seiner Exemption für die Unterthanen seiner Güter zu ziehen versucht,
eine allgemeine Erbitterung' herrscht damals gegen die Geistlichkeit. Es ist


Eine bejahende Antwort auf diese Frage scheint der Rückblick auf die
schlesische Geschichte und die kirchliche Haltung der Schlesier doppelt wahrschein¬
lich zu machen. Seitdem die deutschen Colonisten hier in Schlesien festen
Fuß gefaßt hatten, waren sie auch in eine oppositionelle Stellung zur Geist¬
lichkeit, oder genauer ausgedrückt zum Papstthum gedrängt worden; sie,
die ihr deutsches Recht mitgebracht hatten und ausdrücklich bei ihrer An¬
siedelung von den Lasten des polnischen Rechtes befreit worden waren,
weigerten sich hartnäckig den im deutschen Reiche unbekannnten Peterspfennig
zu entrichten-., welchen die Kurie hier als auf polnischem Gebiete verlangte,
da die Breslauer Diöcese zu der Gnesener Kirchenprovinz gerechnet ward.
Die natürliche Folge davon war, daß die geistlichen Gewalten die Polen
aus Kosten der Deutschen begünstigten, was dann wieder umgekehrt seine
Wirkung üben mußte. In besonderer Schärfe trat dieser Gegensatz im
14. Jahrhundert hervor, als die Päpste in Folge der Kirchenspaltung doppelt
geldbedürstig ihre Forderungen höher spannten als früher. Auf das Leb¬
hafteste klagt ein päpstlicher Legat damals, überall wo die Deutschen herrschten,
kämen die Rechte des Papstes ganz und gar in Verfall, und schon würden
auch die bisher noch gutgesinnten Polen von jenen angesteckt. Vor Allem
durfte die Stadt Breslau während des ganzen 14. Jahrhunderts als der
eigentliche Heerd eifriger Opposition gegen alle klerikalen Ansprüche gelten,
einer Opposition, die um so schwerer zu bekämpfen war. als die Luxemburger
Herrscher sich meistens auf Seite der Stadt gegen den Klerus stellten. Schon
im Anfange jenes Jahrhunderts klagte das Breslauer Domkapitel während
einer Sedisvakanz, es dürfe nicht wagen, über die Stadt das Interdikt zu
verhängen, sonst sei kein Geistlicher jenseits der Dombrücke seines Lebens
sicher. Als Bischof Ramler es wagte, den König Johann von Böhmen hier
in Breslau zu exkommuneiren, und dieser sich darauf von dem „Pfaffen, der
gern Märtyrer werden wolle" spottend abwandte, aber doch die Geistlichkeit
durch Sperrung ihrer Einkünfte seinen Zorn fühlen ließ, da stand ganz Bres¬
lau auf seiner Seite, man achtete des Interdiktes nicht, vertrieb die Pfarrer,
die dasselbe respektiren wollten und ließ durch Bettelmönche den Gottesdienst
abhalten. Nun war allerdings damals die kirchliche Opposition durch ein
nationales Element geschärft, jener Bischof Ramler war ein durch päpstlichen
Einfluß oktroirter Pole, der mit seinem eignen deutschgesinnten Kapitel in
fortwährendem Streite lebte, aber auch unter Ramlers Nachfolger Preczlaw,
wo die nationale Spannung nachließ, dauerte die oppositionelle Haltung der
Stadt gegen die Geistlichkeit fort. Nicht ohne Schroffheit tritt der sonst so
gemäßigte Breslauer Rath den Consequenzen entgegen, welche das Kapitel
aus seiner Exemption für die Unterthanen seiner Güter zu ziehen versucht,
eine allgemeine Erbitterung' herrscht damals gegen die Geistlichkeit. Es ist


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[0211] Eine bejahende Antwort auf diese Frage scheint der Rückblick auf die schlesische Geschichte und die kirchliche Haltung der Schlesier doppelt wahrschein¬ lich zu machen. Seitdem die deutschen Colonisten hier in Schlesien festen Fuß gefaßt hatten, waren sie auch in eine oppositionelle Stellung zur Geist¬ lichkeit, oder genauer ausgedrückt zum Papstthum gedrängt worden; sie, die ihr deutsches Recht mitgebracht hatten und ausdrücklich bei ihrer An¬ siedelung von den Lasten des polnischen Rechtes befreit worden waren, weigerten sich hartnäckig den im deutschen Reiche unbekannnten Peterspfennig zu entrichten-., welchen die Kurie hier als auf polnischem Gebiete verlangte, da die Breslauer Diöcese zu der Gnesener Kirchenprovinz gerechnet ward. Die natürliche Folge davon war, daß die geistlichen Gewalten die Polen aus Kosten der Deutschen begünstigten, was dann wieder umgekehrt seine Wirkung üben mußte. In besonderer Schärfe trat dieser Gegensatz im 14. Jahrhundert hervor, als die Päpste in Folge der Kirchenspaltung doppelt geldbedürstig ihre Forderungen höher spannten als früher. Auf das Leb¬ hafteste klagt ein päpstlicher Legat damals, überall wo die Deutschen herrschten, kämen die Rechte des Papstes ganz und gar in Verfall, und schon würden auch die bisher noch gutgesinnten Polen von jenen angesteckt. Vor Allem durfte die Stadt Breslau während des ganzen 14. Jahrhunderts als der eigentliche Heerd eifriger Opposition gegen alle klerikalen Ansprüche gelten, einer Opposition, die um so schwerer zu bekämpfen war. als die Luxemburger Herrscher sich meistens auf Seite der Stadt gegen den Klerus stellten. Schon im Anfange jenes Jahrhunderts klagte das Breslauer Domkapitel während einer Sedisvakanz, es dürfe nicht wagen, über die Stadt das Interdikt zu verhängen, sonst sei kein Geistlicher jenseits der Dombrücke seines Lebens sicher. Als Bischof Ramler es wagte, den König Johann von Böhmen hier in Breslau zu exkommuneiren, und dieser sich darauf von dem „Pfaffen, der gern Märtyrer werden wolle" spottend abwandte, aber doch die Geistlichkeit durch Sperrung ihrer Einkünfte seinen Zorn fühlen ließ, da stand ganz Bres¬ lau auf seiner Seite, man achtete des Interdiktes nicht, vertrieb die Pfarrer, die dasselbe respektiren wollten und ließ durch Bettelmönche den Gottesdienst abhalten. Nun war allerdings damals die kirchliche Opposition durch ein nationales Element geschärft, jener Bischof Ramler war ein durch päpstlichen Einfluß oktroirter Pole, der mit seinem eignen deutschgesinnten Kapitel in fortwährendem Streite lebte, aber auch unter Ramlers Nachfolger Preczlaw, wo die nationale Spannung nachließ, dauerte die oppositionelle Haltung der Stadt gegen die Geistlichkeit fort. Nicht ohne Schroffheit tritt der sonst so gemäßigte Breslauer Rath den Consequenzen entgegen, welche das Kapitel aus seiner Exemption für die Unterthanen seiner Güter zu ziehen versucht, eine allgemeine Erbitterung' herrscht damals gegen die Geistlichkeit. Es ist

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/211>, abgerufen am 27.07.2024.