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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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Wichtiger und von unmittelbarem Einflüsse auf Geschmack und Richtung
des Publicums ist der Antheil, den der Staat an der Leitung der Theater
nimmt. Kein Stück darf aufgeführt werden, ohne eine Censur passirt zu haben,
die gegen sittliche Haeresien sich in der Regel sehr tolerant, im Bereiche der
kirchlichen und politischen Ansichten aber sehr unduldsam erwies. Man er¬
innere sich, wie lange die Stücke Victor Hugo's von der Bühne verbannt
blieben, mit welchen Schwierigkeiten Sardon's "Seraphine," die das immer
häufiger vorkommende Laster der religiösen Heuchelei brandmarkte, zu kämpfen
gehabt. Die bedeutendsten Theater von Paris erhalten eine starke Subven¬
tion vom Staate, müssen es sich also gefallen lassen, wenn dieser ihre Direktion
theilweise oder ganz übernimmt. Die Summen, die darauf jährlich verwandt
werden, sind beherzigenswert!):

Große Oper....... 820.000
^K6Z,ers ^ran^is...... 240,000
Opers. coimhuö...... 240,000
riMtre 1M<M6 ...... 100.000
0ä6vo......... 100,000
?n6S,ers ass Italiens..... 100.000

Nebst einigen Nebenausgaben macht das eine Summe von 1,618,000 Fr.!
-- Der Bau der neuen Oper hat bereits. 60 Millionen verschlungen
und soll, dem Vernehmen nach, noch einmal so viel verschlingen; für eine
so kolossale Summe hätte man wahrlich etwas Schöneres und Großartigeres
zu Stande bringen können, als das heillose, wenn auch immerhin effectvolle,
unharmonische Gebäude, das nun im Aeußeren fast vollendet dasteht.

Einige Posten müssen wir vereinzelt namhaft machen, da sie sich
nicht gut in irgend einen Zusammenhang bringen lassen.

Eine Summe von 254,000 Frs. wird jährlich als Unterstützung an
arme Künstler oder deren Wittwen vertheilt. Mit 136,000 Frs. betheiligt
sich das Ministerium an der Veröffentlichung von kunstgeschichtlichen Werken,
theils durch Subscription auf mehrere Exemplare, theils durch Uebernahme
sämmtlicher Kosten.

Ferner steht dem Minister der schönen Künste die Verwaltung des
Staatsarchivs (184,500 Fr.) zu, die doch wohl passender dem öffentlichen
Unterrichte anvertraut würde; die Leitung des ^file as Laverne (15,000 Fr.)
für arme Wittwen und Töchter verdienter Staatsbeamten; die Herstellung
des Festes am 15. August, wobei alljährlich w waiorem NaxoleomL gloviain
200,000 Fr. aus dem öffentlichen Seckel in die Luft verpufft werden.

Zu seinem Ressort gehört endlich die Ehrenlegion, deren Vermögen zwar
die anständige Rente von 6 Millionen abwirft, die aber trotzdem einen jähr¬
lichen Zuschuß von 10--11 Millionen aus dem Budget des Inneren erhält!

Wo bleiben aber die Museen? fragen gewiß unsere Leser, ungeduldig


Wichtiger und von unmittelbarem Einflüsse auf Geschmack und Richtung
des Publicums ist der Antheil, den der Staat an der Leitung der Theater
nimmt. Kein Stück darf aufgeführt werden, ohne eine Censur passirt zu haben,
die gegen sittliche Haeresien sich in der Regel sehr tolerant, im Bereiche der
kirchlichen und politischen Ansichten aber sehr unduldsam erwies. Man er¬
innere sich, wie lange die Stücke Victor Hugo's von der Bühne verbannt
blieben, mit welchen Schwierigkeiten Sardon's „Seraphine," die das immer
häufiger vorkommende Laster der religiösen Heuchelei brandmarkte, zu kämpfen
gehabt. Die bedeutendsten Theater von Paris erhalten eine starke Subven¬
tion vom Staate, müssen es sich also gefallen lassen, wenn dieser ihre Direktion
theilweise oder ganz übernimmt. Die Summen, die darauf jährlich verwandt
werden, sind beherzigenswert!):

Große Oper....... 820.000
^K6Z,ers ^ran^is...... 240,000
Opers. coimhuö...... 240,000
riMtre 1M<M6 ...... 100.000
0ä6vo......... 100,000
?n6S,ers ass Italiens..... 100.000

Nebst einigen Nebenausgaben macht das eine Summe von 1,618,000 Fr.!
— Der Bau der neuen Oper hat bereits. 60 Millionen verschlungen
und soll, dem Vernehmen nach, noch einmal so viel verschlingen; für eine
so kolossale Summe hätte man wahrlich etwas Schöneres und Großartigeres
zu Stande bringen können, als das heillose, wenn auch immerhin effectvolle,
unharmonische Gebäude, das nun im Aeußeren fast vollendet dasteht.

Einige Posten müssen wir vereinzelt namhaft machen, da sie sich
nicht gut in irgend einen Zusammenhang bringen lassen.

Eine Summe von 254,000 Frs. wird jährlich als Unterstützung an
arme Künstler oder deren Wittwen vertheilt. Mit 136,000 Frs. betheiligt
sich das Ministerium an der Veröffentlichung von kunstgeschichtlichen Werken,
theils durch Subscription auf mehrere Exemplare, theils durch Uebernahme
sämmtlicher Kosten.

Ferner steht dem Minister der schönen Künste die Verwaltung des
Staatsarchivs (184,500 Fr.) zu, die doch wohl passender dem öffentlichen
Unterrichte anvertraut würde; die Leitung des ^file as Laverne (15,000 Fr.)
für arme Wittwen und Töchter verdienter Staatsbeamten; die Herstellung
des Festes am 15. August, wobei alljährlich w waiorem NaxoleomL gloviain
200,000 Fr. aus dem öffentlichen Seckel in die Luft verpufft werden.

Zu seinem Ressort gehört endlich die Ehrenlegion, deren Vermögen zwar
die anständige Rente von 6 Millionen abwirft, die aber trotzdem einen jähr¬
lichen Zuschuß von 10—11 Millionen aus dem Budget des Inneren erhält!

Wo bleiben aber die Museen? fragen gewiß unsere Leser, ungeduldig


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[0182] Wichtiger und von unmittelbarem Einflüsse auf Geschmack und Richtung des Publicums ist der Antheil, den der Staat an der Leitung der Theater nimmt. Kein Stück darf aufgeführt werden, ohne eine Censur passirt zu haben, die gegen sittliche Haeresien sich in der Regel sehr tolerant, im Bereiche der kirchlichen und politischen Ansichten aber sehr unduldsam erwies. Man er¬ innere sich, wie lange die Stücke Victor Hugo's von der Bühne verbannt blieben, mit welchen Schwierigkeiten Sardon's „Seraphine," die das immer häufiger vorkommende Laster der religiösen Heuchelei brandmarkte, zu kämpfen gehabt. Die bedeutendsten Theater von Paris erhalten eine starke Subven¬ tion vom Staate, müssen es sich also gefallen lassen, wenn dieser ihre Direktion theilweise oder ganz übernimmt. Die Summen, die darauf jährlich verwandt werden, sind beherzigenswert!): Große Oper....... 820.000 ^K6Z,ers ^ran^is...... 240,000 Opers. coimhuö...... 240,000 riMtre 1M<M6 ...... 100.000 0ä6vo......... 100,000 ?n6S,ers ass Italiens..... 100.000 Nebst einigen Nebenausgaben macht das eine Summe von 1,618,000 Fr.! — Der Bau der neuen Oper hat bereits. 60 Millionen verschlungen und soll, dem Vernehmen nach, noch einmal so viel verschlingen; für eine so kolossale Summe hätte man wahrlich etwas Schöneres und Großartigeres zu Stande bringen können, als das heillose, wenn auch immerhin effectvolle, unharmonische Gebäude, das nun im Aeußeren fast vollendet dasteht. Einige Posten müssen wir vereinzelt namhaft machen, da sie sich nicht gut in irgend einen Zusammenhang bringen lassen. Eine Summe von 254,000 Frs. wird jährlich als Unterstützung an arme Künstler oder deren Wittwen vertheilt. Mit 136,000 Frs. betheiligt sich das Ministerium an der Veröffentlichung von kunstgeschichtlichen Werken, theils durch Subscription auf mehrere Exemplare, theils durch Uebernahme sämmtlicher Kosten. Ferner steht dem Minister der schönen Künste die Verwaltung des Staatsarchivs (184,500 Fr.) zu, die doch wohl passender dem öffentlichen Unterrichte anvertraut würde; die Leitung des ^file as Laverne (15,000 Fr.) für arme Wittwen und Töchter verdienter Staatsbeamten; die Herstellung des Festes am 15. August, wobei alljährlich w waiorem NaxoleomL gloviain 200,000 Fr. aus dem öffentlichen Seckel in die Luft verpufft werden. Zu seinem Ressort gehört endlich die Ehrenlegion, deren Vermögen zwar die anständige Rente von 6 Millionen abwirft, die aber trotzdem einen jähr¬ lichen Zuschuß von 10—11 Millionen aus dem Budget des Inneren erhält! Wo bleiben aber die Museen? fragen gewiß unsere Leser, ungeduldig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/182>, abgerufen am 18.12.2024.