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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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der Kritiker. Diese Einschränkung ist es, die eben beseitigt worden ist. die
Künstlerschaft wählt allein die gesammte Prüfungscommisston -- ein Recht,
das ihr gewiß Niemand streitig machen wird. Dadurch wird den unaufhör¬
lichen immer wiederkehrenden Klagen der "Refuse's" wohl ein Ende gesetzt
sein. In die beständigen Beschwerden der Abgewiesenen über Parteilichkeit
und Engherzigkeit der Jury hatte auch das Publikum eingestimmt; da be¬
schlossen, ich weiß nicht mehr in welchem Jahre -- die weisen Richter nach¬
zugeben, und alle Arbeiten zuzulassen, nur sollten die ursprünglich verworfenen
Kunstproducte in einem besonderen Saale vereinigt ausgestellt werden: was
die Pariser da zu sehen bekamen war so namenlos, daß sie alle Lust verloren,
noch von Härte und Einseitigkeit der Commission zu reden. Es begehrte
kein Mensch mehr das Schreckliche zu schauen!

Die immer ziemlich bedeutende Summe, welche der Eintrittspreis (1 Fr.)
einbringt, wird alljährlich dazu verwandt, prämiirte Kunstwerke für öffentliche
Gallerten anzukaufen.

Die bedeutendste Kunstschule Frankreichs, die Levis ass Lea-ux-^res
und die damit zusammenhängende Levis as Koins hat unter der jetzigen
Regierung eine gänzliche Umgestaltung erfahren. Ausgegangen ist sie von
den sogenannten Lorxs enssiZnallts der Akademie sür Malerei und Sculptur
(gegründet 1648) und für Architektur (gegründet 1671). Nach der Revolution,
die auch hier Vieles von dem Hergebrachten änderte und beseitigte, aber die
Schule doch bestehen ließ und sogar mit augenscheinlicher Liebe pflegte, wurde
die Schule durch Consulardecret vom 3. Pluvotse an XI. (22. Januar 1803)
wieder neu constituirt, bis sie durch eine königliche Verordnung vom 4. August
1819 die Gestalt und die Rechte erhielt, die sie 44 Jahre lang fortführte.
Diese Verfassung der Schule war als Versuch zum Selfgovernment mitten
in der Restaurationszeit merkwürdig genug; sie verdient es, daß wir einen
Augenblick bei ihr verweilen.

Die Loole ass Leaux-^res war aufs Engste mit der Akademie der
schönen Künste verknüpft, die, wie heute noch das ganze Institut, ihre Reihen
nur durch Cooptation ergänzt. Die Professoren der Schule waren sämmtlich
Mitglieder der Akademie, und, da die Wahl ihrer College" ihnen allein zu¬
stand, so kam der Fall niemals vor, daß ein Nichtakademiker zum Lehrer
berufen worden wäre. Diese Ernennungen bedurften zwar der ministeriellen
Bestätigung, allein diese blieb niemals aus. Die Professoren ernannten auf
ein Jahr einen der Ihrigen zum Vorsteher, einen zum Vicevorsteher; diese
beiden nebst dem eben aus dem Amte tretenden Vorsteher, dem beständigen
Secretär und einen hinzugezogenen Professor der Architektur bildeten den
Verwaltungsausschuß, der die Schule dem Staate gegenüber vertrat; mit
dem Ministerium hatte man übrigens nur wenig zu verkehren; einige Rech-


der Kritiker. Diese Einschränkung ist es, die eben beseitigt worden ist. die
Künstlerschaft wählt allein die gesammte Prüfungscommisston — ein Recht,
das ihr gewiß Niemand streitig machen wird. Dadurch wird den unaufhör¬
lichen immer wiederkehrenden Klagen der „Refuse's" wohl ein Ende gesetzt
sein. In die beständigen Beschwerden der Abgewiesenen über Parteilichkeit
und Engherzigkeit der Jury hatte auch das Publikum eingestimmt; da be¬
schlossen, ich weiß nicht mehr in welchem Jahre — die weisen Richter nach¬
zugeben, und alle Arbeiten zuzulassen, nur sollten die ursprünglich verworfenen
Kunstproducte in einem besonderen Saale vereinigt ausgestellt werden: was
die Pariser da zu sehen bekamen war so namenlos, daß sie alle Lust verloren,
noch von Härte und Einseitigkeit der Commission zu reden. Es begehrte
kein Mensch mehr das Schreckliche zu schauen!

Die immer ziemlich bedeutende Summe, welche der Eintrittspreis (1 Fr.)
einbringt, wird alljährlich dazu verwandt, prämiirte Kunstwerke für öffentliche
Gallerten anzukaufen.

Die bedeutendste Kunstschule Frankreichs, die Levis ass Lea-ux-^res
und die damit zusammenhängende Levis as Koins hat unter der jetzigen
Regierung eine gänzliche Umgestaltung erfahren. Ausgegangen ist sie von
den sogenannten Lorxs enssiZnallts der Akademie sür Malerei und Sculptur
(gegründet 1648) und für Architektur (gegründet 1671). Nach der Revolution,
die auch hier Vieles von dem Hergebrachten änderte und beseitigte, aber die
Schule doch bestehen ließ und sogar mit augenscheinlicher Liebe pflegte, wurde
die Schule durch Consulardecret vom 3. Pluvotse an XI. (22. Januar 1803)
wieder neu constituirt, bis sie durch eine königliche Verordnung vom 4. August
1819 die Gestalt und die Rechte erhielt, die sie 44 Jahre lang fortführte.
Diese Verfassung der Schule war als Versuch zum Selfgovernment mitten
in der Restaurationszeit merkwürdig genug; sie verdient es, daß wir einen
Augenblick bei ihr verweilen.

Die Loole ass Leaux-^res war aufs Engste mit der Akademie der
schönen Künste verknüpft, die, wie heute noch das ganze Institut, ihre Reihen
nur durch Cooptation ergänzt. Die Professoren der Schule waren sämmtlich
Mitglieder der Akademie, und, da die Wahl ihrer College« ihnen allein zu¬
stand, so kam der Fall niemals vor, daß ein Nichtakademiker zum Lehrer
berufen worden wäre. Diese Ernennungen bedurften zwar der ministeriellen
Bestätigung, allein diese blieb niemals aus. Die Professoren ernannten auf
ein Jahr einen der Ihrigen zum Vorsteher, einen zum Vicevorsteher; diese
beiden nebst dem eben aus dem Amte tretenden Vorsteher, dem beständigen
Secretär und einen hinzugezogenen Professor der Architektur bildeten den
Verwaltungsausschuß, der die Schule dem Staate gegenüber vertrat; mit
dem Ministerium hatte man übrigens nur wenig zu verkehren; einige Rech-


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[0179] der Kritiker. Diese Einschränkung ist es, die eben beseitigt worden ist. die Künstlerschaft wählt allein die gesammte Prüfungscommisston — ein Recht, das ihr gewiß Niemand streitig machen wird. Dadurch wird den unaufhör¬ lichen immer wiederkehrenden Klagen der „Refuse's" wohl ein Ende gesetzt sein. In die beständigen Beschwerden der Abgewiesenen über Parteilichkeit und Engherzigkeit der Jury hatte auch das Publikum eingestimmt; da be¬ schlossen, ich weiß nicht mehr in welchem Jahre — die weisen Richter nach¬ zugeben, und alle Arbeiten zuzulassen, nur sollten die ursprünglich verworfenen Kunstproducte in einem besonderen Saale vereinigt ausgestellt werden: was die Pariser da zu sehen bekamen war so namenlos, daß sie alle Lust verloren, noch von Härte und Einseitigkeit der Commission zu reden. Es begehrte kein Mensch mehr das Schreckliche zu schauen! Die immer ziemlich bedeutende Summe, welche der Eintrittspreis (1 Fr.) einbringt, wird alljährlich dazu verwandt, prämiirte Kunstwerke für öffentliche Gallerten anzukaufen. Die bedeutendste Kunstschule Frankreichs, die Levis ass Lea-ux-^res und die damit zusammenhängende Levis as Koins hat unter der jetzigen Regierung eine gänzliche Umgestaltung erfahren. Ausgegangen ist sie von den sogenannten Lorxs enssiZnallts der Akademie sür Malerei und Sculptur (gegründet 1648) und für Architektur (gegründet 1671). Nach der Revolution, die auch hier Vieles von dem Hergebrachten änderte und beseitigte, aber die Schule doch bestehen ließ und sogar mit augenscheinlicher Liebe pflegte, wurde die Schule durch Consulardecret vom 3. Pluvotse an XI. (22. Januar 1803) wieder neu constituirt, bis sie durch eine königliche Verordnung vom 4. August 1819 die Gestalt und die Rechte erhielt, die sie 44 Jahre lang fortführte. Diese Verfassung der Schule war als Versuch zum Selfgovernment mitten in der Restaurationszeit merkwürdig genug; sie verdient es, daß wir einen Augenblick bei ihr verweilen. Die Loole ass Leaux-^res war aufs Engste mit der Akademie der schönen Künste verknüpft, die, wie heute noch das ganze Institut, ihre Reihen nur durch Cooptation ergänzt. Die Professoren der Schule waren sämmtlich Mitglieder der Akademie, und, da die Wahl ihrer College« ihnen allein zu¬ stand, so kam der Fall niemals vor, daß ein Nichtakademiker zum Lehrer berufen worden wäre. Diese Ernennungen bedurften zwar der ministeriellen Bestätigung, allein diese blieb niemals aus. Die Professoren ernannten auf ein Jahr einen der Ihrigen zum Vorsteher, einen zum Vicevorsteher; diese beiden nebst dem eben aus dem Amte tretenden Vorsteher, dem beständigen Secretär und einen hinzugezogenen Professor der Architektur bildeten den Verwaltungsausschuß, der die Schule dem Staate gegenüber vertrat; mit dem Ministerium hatte man übrigens nur wenig zu verkehren; einige Rech-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/179>, abgerufen am 01.09.2024.