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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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des Gegebenen die alten wirklich schönen Gebäude restaurirt oder zugäng¬
lich gemacht, ich möchte sagen in Scene gesetzt worden sind; die Sainte-
Chapelle, die Kirche von Se. Denis, das Schloß von Se. Germain en Laye
zeugen von dem künstlerischen und archäologischen Wissen Viollet-le-Due's;
sie sind wahre Muster von Restaurationen. Nicht weniger schön ist die Um¬
gebung des Thurms Se. Jacques hergestellt, der in einem labyrinthischen
Gewirr von kleinen Gäßchen förmlich wieder entdeckt werden mußte; nun
steht er da, in einem luftigen grünen Sauare, und zeigt frei seine vier Seiten,
von denen keine der anderen auch nur ähnlich ist. eins der individuellsten
und originellsten Denkmale französischer Gothik. Das neben den noch er¬
haltenen römischen Thermen erbaute Hotel de Cluny. einst das Absteige¬
quartier der Aebte des berühmten Klosters, selbst eines-der interessantesten
Ueberreste des alten Paris, ist nun zu einem Museum hergerichtet, das an
Reichthum und Werth für die Culturgeschichte des Mittelalters seines Gleichen
sucht. Auf dieselbe Weise sind in der Provinz viele Kirchen und Klöster, an
denen Frankreich bekanntlich ungemein reich ist -- die Verheerung des
dreißigjährigen Kriegs ist ja nicht über seine Gaue gezogen -- entweder
ausgebaut oder vor dem Verfalle geschützt und den Verehrern mittelalter¬
licher Baukunst erhalten worden. Die Abtheilung für die Erhaltung der
historischen Monumente ist mit 1,100.000 Fr. bedacht.

Wir kommen nun zu den eigentlichen Kunstanstalten und Schulen.
Bekanntlich wird jetzt alljährlich (bis 1863 war es nur alle 2 Jahre) im
Palais des Champs Elyse'es eine Ausstellung von Arbeiten noch lebender
Maler, Bildhauer, Kupferstecher und Architekten veranstaltet, die unter dem
Namen des Salon auch über Frankreichs Grenzen hinaus eine gewisse Be¬
rühmtheit genießt. Diese Ausstellung, die seit 1673, dem Jahre ihrer Grün¬
dung, bereits 87mal stattgefunden, wird vom Ministerium der schönen Künste
geleitet, dem zu diesem Zwecke eine Summe von 313,000 Fr. zur Verfügung
steht. Sie spielt eine große Rolle im französischen Kunstleben, da sie in
regelmäßigen Zwischenräumen den zurückgelegten Weg zu überschauen die
beste Gelegenheit gibt; Künstler und Publikum legen auf sie denselben Werth,
es ist ihnen augenscheinlich eine fast zum Bedürfnisse gewordene angenehme
Gewohnheit, jedes Frühjahr einander wieder zu begegnen, einander zu beobach¬
ten. Daher auch der Eifer, mit dem Gelehrte und Kritiker sich bemühen,
die feste Stellung eines regelmäßigen Recensenten des "Salon" in einer Zeit¬
schrift oder einem der angeseheneren Tagesblätter zu erhalten, und so gleichsam
die Vermittelung zu übernehmen zwischen den Künstlern und der großen
Menge, die mehr Lust und Liebe zur Sache als wirkliche Einsicht besitzt.
Und doch ließe sich sehr Vieles gegen diese zu oft wiederkehrenden Aus¬
stellungen einwenden; wie leicht kommt es dahin, daß sie zu massenhafter


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des Gegebenen die alten wirklich schönen Gebäude restaurirt oder zugäng¬
lich gemacht, ich möchte sagen in Scene gesetzt worden sind; die Sainte-
Chapelle, die Kirche von Se. Denis, das Schloß von Se. Germain en Laye
zeugen von dem künstlerischen und archäologischen Wissen Viollet-le-Due's;
sie sind wahre Muster von Restaurationen. Nicht weniger schön ist die Um¬
gebung des Thurms Se. Jacques hergestellt, der in einem labyrinthischen
Gewirr von kleinen Gäßchen förmlich wieder entdeckt werden mußte; nun
steht er da, in einem luftigen grünen Sauare, und zeigt frei seine vier Seiten,
von denen keine der anderen auch nur ähnlich ist. eins der individuellsten
und originellsten Denkmale französischer Gothik. Das neben den noch er¬
haltenen römischen Thermen erbaute Hotel de Cluny. einst das Absteige¬
quartier der Aebte des berühmten Klosters, selbst eines-der interessantesten
Ueberreste des alten Paris, ist nun zu einem Museum hergerichtet, das an
Reichthum und Werth für die Culturgeschichte des Mittelalters seines Gleichen
sucht. Auf dieselbe Weise sind in der Provinz viele Kirchen und Klöster, an
denen Frankreich bekanntlich ungemein reich ist — die Verheerung des
dreißigjährigen Kriegs ist ja nicht über seine Gaue gezogen — entweder
ausgebaut oder vor dem Verfalle geschützt und den Verehrern mittelalter¬
licher Baukunst erhalten worden. Die Abtheilung für die Erhaltung der
historischen Monumente ist mit 1,100.000 Fr. bedacht.

Wir kommen nun zu den eigentlichen Kunstanstalten und Schulen.
Bekanntlich wird jetzt alljährlich (bis 1863 war es nur alle 2 Jahre) im
Palais des Champs Elyse'es eine Ausstellung von Arbeiten noch lebender
Maler, Bildhauer, Kupferstecher und Architekten veranstaltet, die unter dem
Namen des Salon auch über Frankreichs Grenzen hinaus eine gewisse Be¬
rühmtheit genießt. Diese Ausstellung, die seit 1673, dem Jahre ihrer Grün¬
dung, bereits 87mal stattgefunden, wird vom Ministerium der schönen Künste
geleitet, dem zu diesem Zwecke eine Summe von 313,000 Fr. zur Verfügung
steht. Sie spielt eine große Rolle im französischen Kunstleben, da sie in
regelmäßigen Zwischenräumen den zurückgelegten Weg zu überschauen die
beste Gelegenheit gibt; Künstler und Publikum legen auf sie denselben Werth,
es ist ihnen augenscheinlich eine fast zum Bedürfnisse gewordene angenehme
Gewohnheit, jedes Frühjahr einander wieder zu begegnen, einander zu beobach¬
ten. Daher auch der Eifer, mit dem Gelehrte und Kritiker sich bemühen,
die feste Stellung eines regelmäßigen Recensenten des „Salon" in einer Zeit¬
schrift oder einem der angeseheneren Tagesblätter zu erhalten, und so gleichsam
die Vermittelung zu übernehmen zwischen den Künstlern und der großen
Menge, die mehr Lust und Liebe zur Sache als wirkliche Einsicht besitzt.
Und doch ließe sich sehr Vieles gegen diese zu oft wiederkehrenden Aus¬
stellungen einwenden; wie leicht kommt es dahin, daß sie zu massenhafter


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[0177] des Gegebenen die alten wirklich schönen Gebäude restaurirt oder zugäng¬ lich gemacht, ich möchte sagen in Scene gesetzt worden sind; die Sainte- Chapelle, die Kirche von Se. Denis, das Schloß von Se. Germain en Laye zeugen von dem künstlerischen und archäologischen Wissen Viollet-le-Due's; sie sind wahre Muster von Restaurationen. Nicht weniger schön ist die Um¬ gebung des Thurms Se. Jacques hergestellt, der in einem labyrinthischen Gewirr von kleinen Gäßchen förmlich wieder entdeckt werden mußte; nun steht er da, in einem luftigen grünen Sauare, und zeigt frei seine vier Seiten, von denen keine der anderen auch nur ähnlich ist. eins der individuellsten und originellsten Denkmale französischer Gothik. Das neben den noch er¬ haltenen römischen Thermen erbaute Hotel de Cluny. einst das Absteige¬ quartier der Aebte des berühmten Klosters, selbst eines-der interessantesten Ueberreste des alten Paris, ist nun zu einem Museum hergerichtet, das an Reichthum und Werth für die Culturgeschichte des Mittelalters seines Gleichen sucht. Auf dieselbe Weise sind in der Provinz viele Kirchen und Klöster, an denen Frankreich bekanntlich ungemein reich ist — die Verheerung des dreißigjährigen Kriegs ist ja nicht über seine Gaue gezogen — entweder ausgebaut oder vor dem Verfalle geschützt und den Verehrern mittelalter¬ licher Baukunst erhalten worden. Die Abtheilung für die Erhaltung der historischen Monumente ist mit 1,100.000 Fr. bedacht. Wir kommen nun zu den eigentlichen Kunstanstalten und Schulen. Bekanntlich wird jetzt alljährlich (bis 1863 war es nur alle 2 Jahre) im Palais des Champs Elyse'es eine Ausstellung von Arbeiten noch lebender Maler, Bildhauer, Kupferstecher und Architekten veranstaltet, die unter dem Namen des Salon auch über Frankreichs Grenzen hinaus eine gewisse Be¬ rühmtheit genießt. Diese Ausstellung, die seit 1673, dem Jahre ihrer Grün¬ dung, bereits 87mal stattgefunden, wird vom Ministerium der schönen Künste geleitet, dem zu diesem Zwecke eine Summe von 313,000 Fr. zur Verfügung steht. Sie spielt eine große Rolle im französischen Kunstleben, da sie in regelmäßigen Zwischenräumen den zurückgelegten Weg zu überschauen die beste Gelegenheit gibt; Künstler und Publikum legen auf sie denselben Werth, es ist ihnen augenscheinlich eine fast zum Bedürfnisse gewordene angenehme Gewohnheit, jedes Frühjahr einander wieder zu begegnen, einander zu beobach¬ ten. Daher auch der Eifer, mit dem Gelehrte und Kritiker sich bemühen, die feste Stellung eines regelmäßigen Recensenten des „Salon" in einer Zeit¬ schrift oder einem der angeseheneren Tagesblätter zu erhalten, und so gleichsam die Vermittelung zu übernehmen zwischen den Künstlern und der großen Menge, die mehr Lust und Liebe zur Sache als wirkliche Einsicht besitzt. Und doch ließe sich sehr Vieles gegen diese zu oft wiederkehrenden Aus¬ stellungen einwenden; wie leicht kommt es dahin, daß sie zu massenhafter 22*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/177>, abgerufen am 01.09.2024.