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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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Das Militärbudget in Sägern.

Die Kammer der Abgeordneten hat in ihre Berathungen noch immer
kein schnelleres Tempo zu bringen gewußt, sodaß nur wenige Vorlagen bis¬
her ihre Erledigung gefunden haben. Von principieller Natur ist hierunter
nur der Gesetzentwurf über einen Credit für außerordentliche Militärbedürf¬
nisse, welcher trotz eines von der Fortschrittspartei gestellten gegentheiligen
Antrags vor der Berathung des ordentlichen Militärbudgets in das Haus
gebracht wurde. Insofern zur Feststellung der außerordentlichen Ausgaben
in jedem Haushalte doch nur die ordentlichen als vernünftige Grundlage
dienen können, muß dies eine seltsame Umkehr aller natürlichen Verhältnisse
genannt werden, die eine Menge von Unzukömmlichkeiten zum unausbleib¬
lichen Gefolge hatte. So hat man beispielsweise einen außerordentlichen
Ansatz für Handfeuerwaffen der berittenen Truppen zu einem Drittel ge¬
strichen, weil die bayrische Cavallerie, was doch erst durch das ordentliche
Budget festzusetzen war, um mindestens vier Regimenter vermindert werden
müsse, und so ist es gekommen, daß wir, bei der Unmöglichkeit, dieses Neben¬
postulat ohne Aufstellung allgemeiner Grundsätze zu erledigen, bereits einen
sehr deutlichen Vorschmack von dem Schicksal der Hauptvorlage des Kriegs¬
ministers erhalten haben. Daß die Patrioten das Referat über die außer¬
ordentlichen Militärbedürfnisse dem Abgeordneten Kolb, dem einzigen Ver¬
treter der Volkspartei im Hause, dem principiellen Gegner unserer neuen
Heerorganisation übertrugen, bewies von vornherein eine rücksichtslose Ent¬
schlossenheit, deren Motive hauptsächlich darin zu suchen sind, daß sie die
Armee in ihrem jetzigen Bestand, als die Brücke des preußischen Einflusses
aufzufassen gewohnt sind. Andererseits mag allerdings auch das Bestreben,
den Wählern gegenüber das Versprechen der Steuerverminderung einzulösen,
hier mit mitgewirkt haben. Kolb hat seine Aufgabe zunächst zu einer über¬
schwenglichen Glorificirung des Milizsystems benutzt, sodann aber, und fast
unabhängig hiervon, eine Reihe von tiefgehenden Vorschlägen gemacht, durch
welche sowohl die Organisation als die Verwaltung der Armee gleich stark
getroffen werden. Da die Grundsätze mit einer einzigen Ausnahme von
seinen Committenten anerkannt wurden, und durch die hierauf gegründeten
Abstriche in extraorSinario für die Kammer bereits die Natur von Prä-
judieien angenommen haben, so steht deren Realisirung in nächster Aussicht.
Soweit das Kolb'sche Referat sich mit unserer Militärverwaltung beschäftigt,
und hier Ersparungen durchzusetzen gedenkt, kann man ihm nur freudig bei¬
stimmen. Vor allen andern hat es das Kriegsministerium verstanden, sich.


Das Militärbudget in Sägern.

Die Kammer der Abgeordneten hat in ihre Berathungen noch immer
kein schnelleres Tempo zu bringen gewußt, sodaß nur wenige Vorlagen bis¬
her ihre Erledigung gefunden haben. Von principieller Natur ist hierunter
nur der Gesetzentwurf über einen Credit für außerordentliche Militärbedürf¬
nisse, welcher trotz eines von der Fortschrittspartei gestellten gegentheiligen
Antrags vor der Berathung des ordentlichen Militärbudgets in das Haus
gebracht wurde. Insofern zur Feststellung der außerordentlichen Ausgaben
in jedem Haushalte doch nur die ordentlichen als vernünftige Grundlage
dienen können, muß dies eine seltsame Umkehr aller natürlichen Verhältnisse
genannt werden, die eine Menge von Unzukömmlichkeiten zum unausbleib¬
lichen Gefolge hatte. So hat man beispielsweise einen außerordentlichen
Ansatz für Handfeuerwaffen der berittenen Truppen zu einem Drittel ge¬
strichen, weil die bayrische Cavallerie, was doch erst durch das ordentliche
Budget festzusetzen war, um mindestens vier Regimenter vermindert werden
müsse, und so ist es gekommen, daß wir, bei der Unmöglichkeit, dieses Neben¬
postulat ohne Aufstellung allgemeiner Grundsätze zu erledigen, bereits einen
sehr deutlichen Vorschmack von dem Schicksal der Hauptvorlage des Kriegs¬
ministers erhalten haben. Daß die Patrioten das Referat über die außer¬
ordentlichen Militärbedürfnisse dem Abgeordneten Kolb, dem einzigen Ver¬
treter der Volkspartei im Hause, dem principiellen Gegner unserer neuen
Heerorganisation übertrugen, bewies von vornherein eine rücksichtslose Ent¬
schlossenheit, deren Motive hauptsächlich darin zu suchen sind, daß sie die
Armee in ihrem jetzigen Bestand, als die Brücke des preußischen Einflusses
aufzufassen gewohnt sind. Andererseits mag allerdings auch das Bestreben,
den Wählern gegenüber das Versprechen der Steuerverminderung einzulösen,
hier mit mitgewirkt haben. Kolb hat seine Aufgabe zunächst zu einer über¬
schwenglichen Glorificirung des Milizsystems benutzt, sodann aber, und fast
unabhängig hiervon, eine Reihe von tiefgehenden Vorschlägen gemacht, durch
welche sowohl die Organisation als die Verwaltung der Armee gleich stark
getroffen werden. Da die Grundsätze mit einer einzigen Ausnahme von
seinen Committenten anerkannt wurden, und durch die hierauf gegründeten
Abstriche in extraorSinario für die Kammer bereits die Natur von Prä-
judieien angenommen haben, so steht deren Realisirung in nächster Aussicht.
Soweit das Kolb'sche Referat sich mit unserer Militärverwaltung beschäftigt,
und hier Ersparungen durchzusetzen gedenkt, kann man ihm nur freudig bei¬
stimmen. Vor allen andern hat es das Kriegsministerium verstanden, sich.


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[0131] Das Militärbudget in Sägern. Die Kammer der Abgeordneten hat in ihre Berathungen noch immer kein schnelleres Tempo zu bringen gewußt, sodaß nur wenige Vorlagen bis¬ her ihre Erledigung gefunden haben. Von principieller Natur ist hierunter nur der Gesetzentwurf über einen Credit für außerordentliche Militärbedürf¬ nisse, welcher trotz eines von der Fortschrittspartei gestellten gegentheiligen Antrags vor der Berathung des ordentlichen Militärbudgets in das Haus gebracht wurde. Insofern zur Feststellung der außerordentlichen Ausgaben in jedem Haushalte doch nur die ordentlichen als vernünftige Grundlage dienen können, muß dies eine seltsame Umkehr aller natürlichen Verhältnisse genannt werden, die eine Menge von Unzukömmlichkeiten zum unausbleib¬ lichen Gefolge hatte. So hat man beispielsweise einen außerordentlichen Ansatz für Handfeuerwaffen der berittenen Truppen zu einem Drittel ge¬ strichen, weil die bayrische Cavallerie, was doch erst durch das ordentliche Budget festzusetzen war, um mindestens vier Regimenter vermindert werden müsse, und so ist es gekommen, daß wir, bei der Unmöglichkeit, dieses Neben¬ postulat ohne Aufstellung allgemeiner Grundsätze zu erledigen, bereits einen sehr deutlichen Vorschmack von dem Schicksal der Hauptvorlage des Kriegs¬ ministers erhalten haben. Daß die Patrioten das Referat über die außer¬ ordentlichen Militärbedürfnisse dem Abgeordneten Kolb, dem einzigen Ver¬ treter der Volkspartei im Hause, dem principiellen Gegner unserer neuen Heerorganisation übertrugen, bewies von vornherein eine rücksichtslose Ent¬ schlossenheit, deren Motive hauptsächlich darin zu suchen sind, daß sie die Armee in ihrem jetzigen Bestand, als die Brücke des preußischen Einflusses aufzufassen gewohnt sind. Andererseits mag allerdings auch das Bestreben, den Wählern gegenüber das Versprechen der Steuerverminderung einzulösen, hier mit mitgewirkt haben. Kolb hat seine Aufgabe zunächst zu einer über¬ schwenglichen Glorificirung des Milizsystems benutzt, sodann aber, und fast unabhängig hiervon, eine Reihe von tiefgehenden Vorschlägen gemacht, durch welche sowohl die Organisation als die Verwaltung der Armee gleich stark getroffen werden. Da die Grundsätze mit einer einzigen Ausnahme von seinen Committenten anerkannt wurden, und durch die hierauf gegründeten Abstriche in extraorSinario für die Kammer bereits die Natur von Prä- judieien angenommen haben, so steht deren Realisirung in nächster Aussicht. Soweit das Kolb'sche Referat sich mit unserer Militärverwaltung beschäftigt, und hier Ersparungen durchzusetzen gedenkt, kann man ihm nur freudig bei¬ stimmen. Vor allen andern hat es das Kriegsministerium verstanden, sich.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/131>, abgerufen am 27.07.2024.