Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.die Nctionskraft der nationalen Interessen im Süden als^ eine Täuschung Aber dies Blatt, ein treuer Vertreter der nationalen Wünsche, vermag Dafür ist freilich auch eine weit andere Disciplin der Partei nöthig. die Nctionskraft der nationalen Interessen im Süden als^ eine Täuschung Aber dies Blatt, ein treuer Vertreter der nationalen Wünsche, vermag Dafür ist freilich auch eine weit andere Disciplin der Partei nöthig. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0125" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123745"/> <p xml:id="ID_385" prev="#ID_384"> die Nctionskraft der nationalen Interessen im Süden als^ eine Täuschung<lb/> erweisen, wenn es nicht die herzliche Beistimmung der liberalen Anhänger<lb/> des Bundes in Deutschland erhielte.</p><lb/> <p xml:id="ID_386"> Aber dies Blatt, ein treuer Vertreter der nationalen Wünsche, vermag<lb/> auf der anderen Seite auch die Ueberzeugung nicht zu unterdrücken, daß<lb/> unsere Freunde, soweit sie im Reichstag und preußischen Landtag als Partei<lb/> austreten, noch weit davon entfernt sind, ein völliger, wohlorganisirter Aus¬<lb/> druck der nationalen Forderungen in der Nation zu sein. Die große Anzahl<lb/> von Talenten, welche zum Theil aus kleineren Kreisen des Volkslebens her¬<lb/> vorgegangen sind und vorzugsweise juristische Bildung haben, sichert unseren<lb/> Freunden einen hervorragenden Antheil bei allen Acten der Gesetzgebung;<lb/> diese eifrige Thätigkeit aber hilft zur Zeit noch wenig. eine große Auf¬<lb/> fassung allgemeiner politischer Verhältnisse in den Parteigenossen allgemein<lb/> zu machen, ja sie erschwert in einer unbequemen Weise die innere Disciplin.<lb/> Es ist wohl nur bei Deutschen möglich, daß so viele treue Männer unter<lb/> starken persönlichen Opfern, mit Hintansetzung jedes eigenen Vortheils einen<lb/> großen Theil ihrer Zeit den Arbeiten der Gesetzgebung widmen. Und der<lb/> rastlose Fleiß, der redliche Eifer sind hoher Achtung werth. Aber die Praxis<lb/> des Gesetzmachens, welche in den Landtagen und unter der neuen Geschäfts^<lb/> ordnung wieder in dem Reichstag eingebürgert ist. wirkt bei unseren Freun¬<lb/> den geradezu lähmend auf die politische Seite ihrer Thätigkeit, sie bedroht<lb/> den Bund mit einer Gesetzgebung, deren Flüchtigkeit, Zufälligkeit und Hand-<lb/> greifliche Mängel eine Reaeüon gegen die ganze Bundesgesetzgebung hervor¬<lb/> rufen; die angestrengte Arbeit jedes Tages, das unablässige Amendiren<lb/> von Gesetzparagraphen in Parteiversammlungen und im Plenum zieht den<lb/> Ehrgeiz der Talente nach ganz falschen Richtungen und umhüllt die Häupter<lb/> der Fleißigen mit einer eigenthümlichen verdunkelnden Atmosphäre, die man<lb/> bei aller Hochachtung Reichstagsdunst nennen darf. Weder die Commissionen<lb/> noch die Plenarverhandlungen sind nach richtiger Methode organisirt. Die Com¬<lb/> missionen für umfangreiche Gesetze, wenn sie ja einmal beliebt werden, haben<lb/> viel zu wenig Zeit für allseitige gründliche Erwägungen und ihre Festsetzungen be¬<lb/> haupten viel zu wenig Autorität gegenüber den Einfällen der Einzelnen im Plenum.<lb/> Besserung ist nur zu hoffen, wenn das ganze juristische Detail der Berathun¬<lb/> gen und Amendements umfangreicher Gesetze der Regel nach Commissionen<lb/> übergeben wird, die vom Reichstag erwählt das Recht haben, sich durch<lb/> jede Art von Fachautoritäten, die nicht Reichstagsmitglieder sind, zu er¬<lb/> gänzen, welche ihre Sitzungen über eine Session des Parlaments durch die<lb/> ganze Wahlperiode auszudehnen berechtigt werden, und deren Reichstagsmit¬<lb/> glieder für die Commissionsthätigkeit angemessene Entschädigung erhalten.<lb/> Die juristischen, national-öconomischen, administrativen Erwägungen müssen<lb/> reichlich und allseitig stattgefunden haben, bevor über einen Gesetzentwurf<lb/> im Plenum entschieden wird. Die Partei und der Reichstag haben in der<lb/> Regel nur die politischen und Opportunitätsgründe zu verhandeln. Die Mit¬<lb/> glieder des Reichstags sollen nicht als Juristen und Verwaltungsbeamte<lb/> berathen, sondern als politische Männer.</p><lb/> <p xml:id="ID_387" next="#ID_388"> Dafür ist freilich auch eine weit andere Disciplin der Partei nöthig.<lb/> Nun wird man hierin nicht das Unmögliche verlangen. Die Talente unserer</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0125]
die Nctionskraft der nationalen Interessen im Süden als^ eine Täuschung
erweisen, wenn es nicht die herzliche Beistimmung der liberalen Anhänger
des Bundes in Deutschland erhielte.
Aber dies Blatt, ein treuer Vertreter der nationalen Wünsche, vermag
auf der anderen Seite auch die Ueberzeugung nicht zu unterdrücken, daß
unsere Freunde, soweit sie im Reichstag und preußischen Landtag als Partei
austreten, noch weit davon entfernt sind, ein völliger, wohlorganisirter Aus¬
druck der nationalen Forderungen in der Nation zu sein. Die große Anzahl
von Talenten, welche zum Theil aus kleineren Kreisen des Volkslebens her¬
vorgegangen sind und vorzugsweise juristische Bildung haben, sichert unseren
Freunden einen hervorragenden Antheil bei allen Acten der Gesetzgebung;
diese eifrige Thätigkeit aber hilft zur Zeit noch wenig. eine große Auf¬
fassung allgemeiner politischer Verhältnisse in den Parteigenossen allgemein
zu machen, ja sie erschwert in einer unbequemen Weise die innere Disciplin.
Es ist wohl nur bei Deutschen möglich, daß so viele treue Männer unter
starken persönlichen Opfern, mit Hintansetzung jedes eigenen Vortheils einen
großen Theil ihrer Zeit den Arbeiten der Gesetzgebung widmen. Und der
rastlose Fleiß, der redliche Eifer sind hoher Achtung werth. Aber die Praxis
des Gesetzmachens, welche in den Landtagen und unter der neuen Geschäfts^
ordnung wieder in dem Reichstag eingebürgert ist. wirkt bei unseren Freun¬
den geradezu lähmend auf die politische Seite ihrer Thätigkeit, sie bedroht
den Bund mit einer Gesetzgebung, deren Flüchtigkeit, Zufälligkeit und Hand-
greifliche Mängel eine Reaeüon gegen die ganze Bundesgesetzgebung hervor¬
rufen; die angestrengte Arbeit jedes Tages, das unablässige Amendiren
von Gesetzparagraphen in Parteiversammlungen und im Plenum zieht den
Ehrgeiz der Talente nach ganz falschen Richtungen und umhüllt die Häupter
der Fleißigen mit einer eigenthümlichen verdunkelnden Atmosphäre, die man
bei aller Hochachtung Reichstagsdunst nennen darf. Weder die Commissionen
noch die Plenarverhandlungen sind nach richtiger Methode organisirt. Die Com¬
missionen für umfangreiche Gesetze, wenn sie ja einmal beliebt werden, haben
viel zu wenig Zeit für allseitige gründliche Erwägungen und ihre Festsetzungen be¬
haupten viel zu wenig Autorität gegenüber den Einfällen der Einzelnen im Plenum.
Besserung ist nur zu hoffen, wenn das ganze juristische Detail der Berathun¬
gen und Amendements umfangreicher Gesetze der Regel nach Commissionen
übergeben wird, die vom Reichstag erwählt das Recht haben, sich durch
jede Art von Fachautoritäten, die nicht Reichstagsmitglieder sind, zu er¬
gänzen, welche ihre Sitzungen über eine Session des Parlaments durch die
ganze Wahlperiode auszudehnen berechtigt werden, und deren Reichstagsmit¬
glieder für die Commissionsthätigkeit angemessene Entschädigung erhalten.
Die juristischen, national-öconomischen, administrativen Erwägungen müssen
reichlich und allseitig stattgefunden haben, bevor über einen Gesetzentwurf
im Plenum entschieden wird. Die Partei und der Reichstag haben in der
Regel nur die politischen und Opportunitätsgründe zu verhandeln. Die Mit¬
glieder des Reichstags sollen nicht als Juristen und Verwaltungsbeamte
berathen, sondern als politische Männer.
Dafür ist freilich auch eine weit andere Disciplin der Partei nöthig.
Nun wird man hierin nicht das Unmögliche verlangen. Die Talente unserer
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