Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.>aber Jerusalem nichts weiter ist als ein Wallfahrtsort mit aller Unproducti- Jerusalem lebt zum großen Theil von den Spenden, welche seine An¬ >aber Jerusalem nichts weiter ist als ein Wallfahrtsort mit aller Unproducti- Jerusalem lebt zum großen Theil von den Spenden, welche seine An¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0091" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123179"/> <p xml:id="ID_243" prev="#ID_242"> >aber Jerusalem nichts weiter ist als ein Wallfahrtsort mit aller Unproducti-<lb/> vität einer solchen heiligen Freibeuterstätte, so wird diese letztere Spekulation<lb/> schwerlich lohnen. Die Anwesenheit des Kronprinzen, welcher die Colo-<lb/> nisten aufsuchte, wird diesen bei den türkischen Behörden einige Berück¬<lb/> sichtigung verschaffen, welche ihnen am Ende, wie wir besorgen, sehr nöthig<lb/> sein wird,</p><lb/> <p xml:id="ID_244" next="#ID_245"> Jerusalem lebt zum großen Theil von den Spenden, welche seine An¬<lb/> stalten und Einwohner aus Europa erhalten. Die griechische, armenische<lb/> und lateinische Kirche haben dort große Hospize und Klöster, wo die gläu¬<lb/> bigen Wanderer Aufnahme finden. Gebete verrichten, Opfer bringen. Die<lb/> englische Kirche hat ein Gotteshaus, große Schule u. s. w. gebaut und sendet<lb/> sehr bedeutende Mittel, um Kinder zu erziehen, Cultur und Christenthum<lb/> zu verbreiten. Von den Juden wandern immer noch zahlreiche Fromme in<lb/> alten Tagen dorthin, um in der Nähe der Tempelstätte zu sterben, welche<lb/> am jüngsten Tage die Stätte der Auferstehung für alle Juden sein soll.<lb/> Ihre Glaubensgenossen haben dort große Häuser zur Aufnahme der Pilger<lb/> errichtet, und regelmäßig fließen beträchtliche Summen hin. Nur der deutsche<lb/> Protestantismus entbehrte die sociale und religiöse Vereinigung, obgleich die<lb/> deutschen Protestanten die Mehrzahl unter den Fremden ausmachen, welche dort<lb/> selbständig durch ihren eigenen Erwerb, d. h. außerhalb jener Anstalten leben. Sie<lb/> haben zunächst keine eigene Kirche. Seit langen Jahren wird dieser Mangel<lb/> gefühlt, Friedrich Wilhelm IV. hat zwar, wie bekannt, in Gemeinschaft mit<lb/> England ein evangelisches Episcopat gestiftet und den deutschen Protestant.en<lb/> einen Mitgebrauch der evangelischen Kirche gesichert, aber die Deutschen sind<lb/> dort fast nur geduldet, nur am Nachmittag dürfen sie eigenen Gottesdienst halten,<lb/> und sie müssen, wenn sie ganz an der Kirche Theil nehmen, mehr oder we¬<lb/> niger ihre Muttersprache aufgeben, da das Englische ihre Kirch- und Schul¬<lb/> sprache wird, und häufig genug kommt es vor, daß deutsche Kinder die<lb/> Heimathsprache gar nicht mehr lernen. Hier war die Aufgabe des neuen<lb/> deutschen Staates, eine Gemeinde zu gründen und dem Kronprinzen wurde<lb/> die angenehme Pflicht, persönlich dafür zu wirken. Die freien Plätze in Je¬<lb/> rusalem gehören der türkischen Regierung, diese also mußte um einen Bau-<lb/> Platz angegangen werden. Da diese Plätze Trümmerhaufen und an sich werth¬<lb/> los sind, konnte die Ueberlassung nur eine Schenkung sein. Die russische Re¬<lb/> gierung hatte vor einigen Jahren eine solche Schenkung erlangt, die preußi¬<lb/> sche war trotz wiederholter Versuche zu keinem Resultat gekommen. Dem<lb/> Kronprinzen überwies man auf den ersten ausgesprochenen Wunsch die<lb/> Ruinen des alten Johanniterconventes, welche in der Mitte der Stadt und<lb/> in der Nähe des heiligen Grabes liegen. Auf dieser Stätte, an welcher zahl¬<lb/> reiche historische Erinnerungen aus den Kreuzzügen haften, sollen folgende</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0091]
>aber Jerusalem nichts weiter ist als ein Wallfahrtsort mit aller Unproducti-
vität einer solchen heiligen Freibeuterstätte, so wird diese letztere Spekulation
schwerlich lohnen. Die Anwesenheit des Kronprinzen, welcher die Colo-
nisten aufsuchte, wird diesen bei den türkischen Behörden einige Berück¬
sichtigung verschaffen, welche ihnen am Ende, wie wir besorgen, sehr nöthig
sein wird,
Jerusalem lebt zum großen Theil von den Spenden, welche seine An¬
stalten und Einwohner aus Europa erhalten. Die griechische, armenische
und lateinische Kirche haben dort große Hospize und Klöster, wo die gläu¬
bigen Wanderer Aufnahme finden. Gebete verrichten, Opfer bringen. Die
englische Kirche hat ein Gotteshaus, große Schule u. s. w. gebaut und sendet
sehr bedeutende Mittel, um Kinder zu erziehen, Cultur und Christenthum
zu verbreiten. Von den Juden wandern immer noch zahlreiche Fromme in
alten Tagen dorthin, um in der Nähe der Tempelstätte zu sterben, welche
am jüngsten Tage die Stätte der Auferstehung für alle Juden sein soll.
Ihre Glaubensgenossen haben dort große Häuser zur Aufnahme der Pilger
errichtet, und regelmäßig fließen beträchtliche Summen hin. Nur der deutsche
Protestantismus entbehrte die sociale und religiöse Vereinigung, obgleich die
deutschen Protestanten die Mehrzahl unter den Fremden ausmachen, welche dort
selbständig durch ihren eigenen Erwerb, d. h. außerhalb jener Anstalten leben. Sie
haben zunächst keine eigene Kirche. Seit langen Jahren wird dieser Mangel
gefühlt, Friedrich Wilhelm IV. hat zwar, wie bekannt, in Gemeinschaft mit
England ein evangelisches Episcopat gestiftet und den deutschen Protestant.en
einen Mitgebrauch der evangelischen Kirche gesichert, aber die Deutschen sind
dort fast nur geduldet, nur am Nachmittag dürfen sie eigenen Gottesdienst halten,
und sie müssen, wenn sie ganz an der Kirche Theil nehmen, mehr oder we¬
niger ihre Muttersprache aufgeben, da das Englische ihre Kirch- und Schul¬
sprache wird, und häufig genug kommt es vor, daß deutsche Kinder die
Heimathsprache gar nicht mehr lernen. Hier war die Aufgabe des neuen
deutschen Staates, eine Gemeinde zu gründen und dem Kronprinzen wurde
die angenehme Pflicht, persönlich dafür zu wirken. Die freien Plätze in Je¬
rusalem gehören der türkischen Regierung, diese also mußte um einen Bau-
Platz angegangen werden. Da diese Plätze Trümmerhaufen und an sich werth¬
los sind, konnte die Ueberlassung nur eine Schenkung sein. Die russische Re¬
gierung hatte vor einigen Jahren eine solche Schenkung erlangt, die preußi¬
sche war trotz wiederholter Versuche zu keinem Resultat gekommen. Dem
Kronprinzen überwies man auf den ersten ausgesprochenen Wunsch die
Ruinen des alten Johanniterconventes, welche in der Mitte der Stadt und
in der Nähe des heiligen Grabes liegen. Auf dieser Stätte, an welcher zahl¬
reiche historische Erinnerungen aus den Kreuzzügen haften, sollen folgende
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