Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.gegen die Einführung einer Verfassung im Fürstenthum Ratzeburg aufrecht Der Artikel 76 der Verfassung des norddeutschen Bundes bot die bis Die Gabe, welche unter dieser Ueberschrift dargeboten wird, mag einem Daß das Bewußtsein, nur mit karger Hand zu geben, bei Ertheilung gegen die Einführung einer Verfassung im Fürstenthum Ratzeburg aufrecht Der Artikel 76 der Verfassung des norddeutschen Bundes bot die bis Die Gabe, welche unter dieser Ueberschrift dargeboten wird, mag einem Daß das Bewußtsein, nur mit karger Hand zu geben, bei Ertheilung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0054" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123142"/> <p xml:id="ID_136" prev="#ID_135"> gegen die Einführung einer Verfassung im Fürstenthum Ratzeburg aufrecht<lb/> erhalten konnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_137"> Der Artikel 76 der Verfassung des norddeutschen Bundes bot die bis<lb/> dahin fehlende Handhabe, um dem Verlangen der ratzeburgischen Bevölkerung<lb/> nach einer Verwandlung ihres absolutistischen Staats in einen Verfassungs¬<lb/> staat eine wirksame Unterstützung zu gewinnen. Reichstag und Bundesrath<lb/> wurden durch Petitionen aus dem Fürstenthum mit dem Wegenstande der<lb/> gerechten Beschwerde der Ratzeburger bekannt, der letztere faßte den Entschluß,<lb/> sich der Sache anzunehmen und die strelitzische Regierung zur Erfüllung ihrer<lb/> Pflicht anzuhalten. Nach einigem Besinnen und Zaudern fügte sich diese<lb/> endlich in das Unvermeidliche und setzte der Verfassungslosigkeit der getreuen<lb/> Ratzeburger ein Ziel. Im „Officiellen Anzeiger", dem Gesetzblatz für das<lb/> Fürstenthum, erschien unter dem 6. November 1869, hinter einer Verordnung<lb/> wegen Errichtung eines Armenverbandes etwas versteckt, ein aus 16 Para¬<lb/> graphen bestehender landesherrlicher Erlaß, welcher die Ueberschrift „Ver¬<lb/> fassung für das Fürstenthum Ratzeburg" führte.</p><lb/> <p xml:id="ID_138"> Die Gabe, welche unter dieser Ueberschrift dargeboten wird, mag einem<lb/> recht schweren Act der Selbstüberwindung entsprungen sein. Denn was sie<lb/> an Rechten der Bevölkerung einräumt, wird durch das Bestreben, durch Zu¬<lb/> thaten des patriarchalischen und bureaukratischen Regiments dieselben in<lb/> Schranken und unter Aussicht zu halten, und durch die finanzielle Belastung,<lb/> welche der Bevölkerung, unter ungeschmälerter Wahrung der aus dem Für¬<lb/> stenthum der landesherrlichen Casse bisher zugeflossenen überreichen Einkünfte,<lb/> gleichsam als Gegenleistung für die gewährten Rechte auferlegt werden soll,<lb/> so sehr beeinträchtigt, daß schon ein gewisser Grad des Vertrauens zu der<lb/> Regierung dazu gehört, um sich des Verdachtes zu erwehren, als spiegele<lb/> sich in dieser Urkunde der Unmuth wegen des erzwungenen Zugeständnisses<lb/> und der geheime Wunsch, den Ratzeburgern das mühsam errungene Gut so<lb/> unerträglich wie möglich zu machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_139"> Daß das Bewußtsein, nur mit karger Hand zu geben, bei Ertheilung<lb/> der in dieser Verfassung gewährten Rechte nicht gefehlt hat, spricht der Ein¬<lb/> gang der Verfassungsurkunde selbst deutlich genug aus. „Nachdem Wir be¬<lb/> schlossen haben, um die Wünsche Unserer getreuen Unterthanen des Fürsten-<lb/> thums Ratzeburg so weit zu erfüllen, als solches unter Wahrung Unserer<lb/> landesherrlichen, domanialen und hoheitlichen Rechte und der Verhältnisse<lb/> des Fürstenthums als integrirenden Theiles Unseres Großherzogthums thun¬<lb/> lich ist, diesem Unserem Fürstenthum eine Verfassung zu verleihen," — diese<lb/> Worte enthalten schon eine sehr bestimmte Hinweisung auf die mancherlei<lb/> Schranken, welche sich in dieser Verfassung das Neue zu Gunsten des Alten<lb/> hat gefallen lassen müssen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0054]
gegen die Einführung einer Verfassung im Fürstenthum Ratzeburg aufrecht
erhalten konnte.
Der Artikel 76 der Verfassung des norddeutschen Bundes bot die bis
dahin fehlende Handhabe, um dem Verlangen der ratzeburgischen Bevölkerung
nach einer Verwandlung ihres absolutistischen Staats in einen Verfassungs¬
staat eine wirksame Unterstützung zu gewinnen. Reichstag und Bundesrath
wurden durch Petitionen aus dem Fürstenthum mit dem Wegenstande der
gerechten Beschwerde der Ratzeburger bekannt, der letztere faßte den Entschluß,
sich der Sache anzunehmen und die strelitzische Regierung zur Erfüllung ihrer
Pflicht anzuhalten. Nach einigem Besinnen und Zaudern fügte sich diese
endlich in das Unvermeidliche und setzte der Verfassungslosigkeit der getreuen
Ratzeburger ein Ziel. Im „Officiellen Anzeiger", dem Gesetzblatz für das
Fürstenthum, erschien unter dem 6. November 1869, hinter einer Verordnung
wegen Errichtung eines Armenverbandes etwas versteckt, ein aus 16 Para¬
graphen bestehender landesherrlicher Erlaß, welcher die Ueberschrift „Ver¬
fassung für das Fürstenthum Ratzeburg" führte.
Die Gabe, welche unter dieser Ueberschrift dargeboten wird, mag einem
recht schweren Act der Selbstüberwindung entsprungen sein. Denn was sie
an Rechten der Bevölkerung einräumt, wird durch das Bestreben, durch Zu¬
thaten des patriarchalischen und bureaukratischen Regiments dieselben in
Schranken und unter Aussicht zu halten, und durch die finanzielle Belastung,
welche der Bevölkerung, unter ungeschmälerter Wahrung der aus dem Für¬
stenthum der landesherrlichen Casse bisher zugeflossenen überreichen Einkünfte,
gleichsam als Gegenleistung für die gewährten Rechte auferlegt werden soll,
so sehr beeinträchtigt, daß schon ein gewisser Grad des Vertrauens zu der
Regierung dazu gehört, um sich des Verdachtes zu erwehren, als spiegele
sich in dieser Urkunde der Unmuth wegen des erzwungenen Zugeständnisses
und der geheime Wunsch, den Ratzeburgern das mühsam errungene Gut so
unerträglich wie möglich zu machen.
Daß das Bewußtsein, nur mit karger Hand zu geben, bei Ertheilung
der in dieser Verfassung gewährten Rechte nicht gefehlt hat, spricht der Ein¬
gang der Verfassungsurkunde selbst deutlich genug aus. „Nachdem Wir be¬
schlossen haben, um die Wünsche Unserer getreuen Unterthanen des Fürsten-
thums Ratzeburg so weit zu erfüllen, als solches unter Wahrung Unserer
landesherrlichen, domanialen und hoheitlichen Rechte und der Verhältnisse
des Fürstenthums als integrirenden Theiles Unseres Großherzogthums thun¬
lich ist, diesem Unserem Fürstenthum eine Verfassung zu verleihen," — diese
Worte enthalten schon eine sehr bestimmte Hinweisung auf die mancherlei
Schranken, welche sich in dieser Verfassung das Neue zu Gunsten des Alten
hat gefallen lassen müssen.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |