Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.heilvollen Wirkungen auf das Volk wird nur richtig gewürdigt, wenn man Der deutsche Buchhandel mit seinen eigenthümlichen Vorzügen und Leiden Aber diese Uebelstände, welche sich aus unserer Geschichte leicht erklären, Auch die Preise der Bücher sind bei uns im Ganzen beträchtlich ge¬ SO*
heilvollen Wirkungen auf das Volk wird nur richtig gewürdigt, wenn man Der deutsche Buchhandel mit seinen eigenthümlichen Vorzügen und Leiden Aber diese Uebelstände, welche sich aus unserer Geschichte leicht erklären, Auch die Preise der Bücher sind bei uns im Ganzen beträchtlich ge¬ SO*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0401" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123489"/> <p xml:id="ID_1146" prev="#ID_1145"> heilvollen Wirkungen auf das Volk wird nur richtig gewürdigt, wenn man<lb/> einen Hauptgrund derselben, die Rechtlosigkeit des Autors, beachtet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1147"> Der deutsche Buchhandel mit seinen eigenthümlichen Vorzügen und Leiden<lb/> ist in besonders charakteristischer Weise ein Product unserer Culturverhält¬<lb/> nisse. Aus den Jahrhunderten gehemmter Reisen und des Meßverkehrs stam¬<lb/> men die langen Credite, welche er bewilligt und beansprucht (vom 1. Jan.<lb/> eines laufenden Jahres bis zur Ostermesse der folgenden). Die Vieltheiligkeit<lb/> Deutschlands und der Mangel an einem Centralpunkt haben die Zahl der Ver¬<lb/> lagshandlungen zu sehr gesteigert, die meisten müssen ihre Existenz aus einer<lb/> mäßigen Anzahl verhältntßmäßig kleiner Unternehmungen suchen, dadurch<lb/> werden die Procente, welche sie auf die einzelnen Bücher für Betriebskosten<lb/> rechnen müssen, zu sehr gesteigert, dadurch unter Umständen dem Schriftsteller<lb/> das Honorar vermindert. Da ferner die geistige Productivität der Nation<lb/> sich nicht im Verhältniß zu der wachsenden Zahl unserer Verlagshandlungen<lb/> vermehren läßt, kommen diese in übergroße Versuchung unnütze und schlechte<lb/> Bücher machen zu lassen und kleinliche Vortheile zu suchen. Während also<lb/> bei uns zu viel gedruckt wird, werden Bücher verhältnißmäßig wenig und<lb/> langsam verkauft. Der wohlhabende Gutsbesitzer, der reiche Kaufmann haben<lb/> in Deutschland selten den Stolz einer guten Hausbibliothek. Dagegen machen<lb/> zahlreiche Leihbibliotheken und Lesezirkel leichtere Unterhaltungslectüre dem<lb/> Unbemittelten zugänglich.</p><lb/> <p xml:id="ID_1148"> Aber diese Uebelstände, welche sich aus unserer Geschichte leicht erklären,<lb/> werden reichlich durch die entsprechenden Vorzüge aufgehoben. In keiner<lb/> Nation hat der Buchhandel eine so bewundernswerthe einheitliche Organi¬<lb/> sation, welche sicher in wenigen Tagen jedes Buch, das in dem letzten Men¬<lb/> schenalter erschienen und noch nicht völlig aus dem Handel geschwunden ist.<lb/> der entferntesten Landschaft zusendet. Nirgend wird die geistige Productivi¬<lb/> tät der Nation so vollständig durch die Presse ausgenutzt als bei uns. Den<lb/> größten Vortheil davon hat die wissenschaftliche Literatur; die Mehrzahl der<lb/> gelehrten Bücher, welche bei uns auf Risico der Verleger gedruckt werden,<lb/> müßte in England und Frankreich, vom Buchhandel verschmäht, die Kosten<lb/> ihrer Herstellung und ihres Vertriebes in anderweitigen Zuschüssen suchen.<lb/> Wir verdanken den Reichthum an wissenschaftlichem Material vor allem der<lb/> Concurrenz, welche unsere Verlagsgeschäfte einander machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1149" next="#ID_1150"> Auch die Preise der Bücher sind bei uns im Ganzen beträchtlich ge¬<lb/> ringer als in England, etwas billiger als in Frankreich. Dies gilt vor<lb/> Allem von wissenschaftlichen Werken. Gegenüber den herkömmlichen Bücher-<lb/> Preisen hat sich in jenen beiden Ländern seit etwa 28 Jahren allmälig für<lb/> Bücher, welche ein großes Publicum haben können, eine neue Preisnormi-<lb/> rung eingeführt, welche in sehr starken Auflagen und sehr billigen Preisen</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> SO*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0401]
heilvollen Wirkungen auf das Volk wird nur richtig gewürdigt, wenn man
einen Hauptgrund derselben, die Rechtlosigkeit des Autors, beachtet.
Der deutsche Buchhandel mit seinen eigenthümlichen Vorzügen und Leiden
ist in besonders charakteristischer Weise ein Product unserer Culturverhält¬
nisse. Aus den Jahrhunderten gehemmter Reisen und des Meßverkehrs stam¬
men die langen Credite, welche er bewilligt und beansprucht (vom 1. Jan.
eines laufenden Jahres bis zur Ostermesse der folgenden). Die Vieltheiligkeit
Deutschlands und der Mangel an einem Centralpunkt haben die Zahl der Ver¬
lagshandlungen zu sehr gesteigert, die meisten müssen ihre Existenz aus einer
mäßigen Anzahl verhältntßmäßig kleiner Unternehmungen suchen, dadurch
werden die Procente, welche sie auf die einzelnen Bücher für Betriebskosten
rechnen müssen, zu sehr gesteigert, dadurch unter Umständen dem Schriftsteller
das Honorar vermindert. Da ferner die geistige Productivität der Nation
sich nicht im Verhältniß zu der wachsenden Zahl unserer Verlagshandlungen
vermehren läßt, kommen diese in übergroße Versuchung unnütze und schlechte
Bücher machen zu lassen und kleinliche Vortheile zu suchen. Während also
bei uns zu viel gedruckt wird, werden Bücher verhältnißmäßig wenig und
langsam verkauft. Der wohlhabende Gutsbesitzer, der reiche Kaufmann haben
in Deutschland selten den Stolz einer guten Hausbibliothek. Dagegen machen
zahlreiche Leihbibliotheken und Lesezirkel leichtere Unterhaltungslectüre dem
Unbemittelten zugänglich.
Aber diese Uebelstände, welche sich aus unserer Geschichte leicht erklären,
werden reichlich durch die entsprechenden Vorzüge aufgehoben. In keiner
Nation hat der Buchhandel eine so bewundernswerthe einheitliche Organi¬
sation, welche sicher in wenigen Tagen jedes Buch, das in dem letzten Men¬
schenalter erschienen und noch nicht völlig aus dem Handel geschwunden ist.
der entferntesten Landschaft zusendet. Nirgend wird die geistige Productivi¬
tät der Nation so vollständig durch die Presse ausgenutzt als bei uns. Den
größten Vortheil davon hat die wissenschaftliche Literatur; die Mehrzahl der
gelehrten Bücher, welche bei uns auf Risico der Verleger gedruckt werden,
müßte in England und Frankreich, vom Buchhandel verschmäht, die Kosten
ihrer Herstellung und ihres Vertriebes in anderweitigen Zuschüssen suchen.
Wir verdanken den Reichthum an wissenschaftlichem Material vor allem der
Concurrenz, welche unsere Verlagsgeschäfte einander machen.
Auch die Preise der Bücher sind bei uns im Ganzen beträchtlich ge¬
ringer als in England, etwas billiger als in Frankreich. Dies gilt vor
Allem von wissenschaftlichen Werken. Gegenüber den herkömmlichen Bücher-
Preisen hat sich in jenen beiden Ländern seit etwa 28 Jahren allmälig für
Bücher, welche ein großes Publicum haben können, eine neue Preisnormi-
rung eingeführt, welche in sehr starken Auflagen und sehr billigen Preisen
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