Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.Während der, Regierung des Königs Ludwigs XIV. hatte die ländliche Aus einem im "Journal des TMats" vom 30. März 1847 ver¬ Fortwährende Arbeitsvergeudung gehört zu den Kennzeichen der jugend¬ Während der, Regierung des Königs Ludwigs XIV. hatte die ländliche Aus einem im „Journal des TMats" vom 30. März 1847 ver¬ Fortwährende Arbeitsvergeudung gehört zu den Kennzeichen der jugend¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0395" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123483"/> <p xml:id="ID_1128"> Während der, Regierung des Königs Ludwigs XIV. hatte die ländliche<lb/> Bevölkerung die Hälfte des Jahres kein Brod. Unter der Herrrschaft Lud¬<lb/> wigs XV. hatte sie von je drei Tagen nur für zwei Tage Brod. Unter<lb/> Ludwig XVI. war ein hinreichender Fortschritt gemacht worden, um ihr für<lb/> drei Vertheile des Jahres Brod zu verschaffen, während unter dem ersten<lb/> Kaiserreich und der Regierung des Bürgerkönigs der Lohn hoch genug war,<lb/> um dem Arbeiter das ganze Jahr hindurch Brod und noch einen Ueberschuß zur<lb/> Anschaffung von anderen Lebensmitteln und von Kleidung zu ergeben. Ohne<lb/> Zweifel erhielten auch in den ersten Perioden die Arbeiter Nahrung genug,<lb/> so gut sie eben war, um das animalische Leben zu erhalten, auch verschafften<lb/> sie sich etwas kümmerliche Kleidung; allein ihr Brod war von den geringe¬<lb/> ren Getreidesorten, von Kastanien und noch schlechteren Materialien bereitet.<lb/> Der Marquis d'Argenson sagte im Jahre 1739: „In dem Augenblicke, wo<lb/> ich schreibe, im Monat Februar im tiefsten Frieden, mit der Aussicht auf<lb/> eine wenn nicht reiche, doch wenigstens erträgliche Ernte, sterben die Menschen<lb/> um uns her gleich Fliegen und sind so verarmt, daß sie Gras essen." Der<lb/> Herzog von Orleans brachte zuletzt, um den König von dem Zustand seiner<lb/> Unterthanen zu unterrichten, einen Laib Farrenkraut-Brod in den<lb/> Staatsrath und legte es bet der Eröffnung der Sitzung dem Könige vor<lb/> mit den Worten: „Sehen Sie Sire, wovon Ihre Unterthanen leben." Die<lb/> Geschichte Frankreichs im Mittelalter, als es Land im Ueberfluß gab und die<lb/> Bevölkerung schwach war, ist fast nichts als ein Bericht von nahezu fort¬<lb/> währender Hungersnoth.</p><lb/> <p xml:id="ID_1129"> Aus einem im „Journal des TMats" vom 30. März 1847 ver¬<lb/> öffentlichten Bericht des landwirthschaftlichen Central-Congresses in Paris<lb/> geht hervor, daß im Jahr 1760 nur 7,000,000 der Bevölkerung von Weizen<lb/> und Korn lebten, während es im Jahr 1843 schon 20,000,000 aßen, und auch<lb/> der Rest eine weit bessere Nahrung genoß, als in der früheren Periode.<lb/> In der Periode von 1700 bis 1840 hat die Zahl der Ackerbautreibenden<lb/> Familien sich fast verdoppelt und der durchschnittliche Lohn der Feldarbeiter<lb/> ist in derselben Zeit fast auf das Vierfache gestiegen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1130" next="#ID_1131"> Fortwährende Arbeitsvergeudung gehört zu den Kennzeichen der jugend¬<lb/> lichen Gesellschastsperiode und einer zerstreuten Bevölkerung. In England<lb/> wurden am Ende des vierzehnten Jahrhunderts 212 Personen zum Ein¬<lb/> ernten von 189 Büschel Korn verwendet, eine Arbeit, die jetzt leicht ein Ein¬<lb/> ziger verrichtet. Der Lohn, welcher damals den Schnittern gezahlt wurde,<lb/> betrug 2 bis 3 Pence per Tag ohne Kost,, während Ausgäther und Heu¬<lb/> macher gar nur einen Penny erhielten. Wollten wir übrigens den Lohn<lb/> fortlaufend für das ganze Jahr auf einen Penny anschlagen, so würden wir<lb/> noch zu hoch greisen, weil die Beschäftigung nur eine gelegentliche war und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0395]
Während der, Regierung des Königs Ludwigs XIV. hatte die ländliche
Bevölkerung die Hälfte des Jahres kein Brod. Unter der Herrrschaft Lud¬
wigs XV. hatte sie von je drei Tagen nur für zwei Tage Brod. Unter
Ludwig XVI. war ein hinreichender Fortschritt gemacht worden, um ihr für
drei Vertheile des Jahres Brod zu verschaffen, während unter dem ersten
Kaiserreich und der Regierung des Bürgerkönigs der Lohn hoch genug war,
um dem Arbeiter das ganze Jahr hindurch Brod und noch einen Ueberschuß zur
Anschaffung von anderen Lebensmitteln und von Kleidung zu ergeben. Ohne
Zweifel erhielten auch in den ersten Perioden die Arbeiter Nahrung genug,
so gut sie eben war, um das animalische Leben zu erhalten, auch verschafften
sie sich etwas kümmerliche Kleidung; allein ihr Brod war von den geringe¬
ren Getreidesorten, von Kastanien und noch schlechteren Materialien bereitet.
Der Marquis d'Argenson sagte im Jahre 1739: „In dem Augenblicke, wo
ich schreibe, im Monat Februar im tiefsten Frieden, mit der Aussicht auf
eine wenn nicht reiche, doch wenigstens erträgliche Ernte, sterben die Menschen
um uns her gleich Fliegen und sind so verarmt, daß sie Gras essen." Der
Herzog von Orleans brachte zuletzt, um den König von dem Zustand seiner
Unterthanen zu unterrichten, einen Laib Farrenkraut-Brod in den
Staatsrath und legte es bet der Eröffnung der Sitzung dem Könige vor
mit den Worten: „Sehen Sie Sire, wovon Ihre Unterthanen leben." Die
Geschichte Frankreichs im Mittelalter, als es Land im Ueberfluß gab und die
Bevölkerung schwach war, ist fast nichts als ein Bericht von nahezu fort¬
währender Hungersnoth.
Aus einem im „Journal des TMats" vom 30. März 1847 ver¬
öffentlichten Bericht des landwirthschaftlichen Central-Congresses in Paris
geht hervor, daß im Jahr 1760 nur 7,000,000 der Bevölkerung von Weizen
und Korn lebten, während es im Jahr 1843 schon 20,000,000 aßen, und auch
der Rest eine weit bessere Nahrung genoß, als in der früheren Periode.
In der Periode von 1700 bis 1840 hat die Zahl der Ackerbautreibenden
Familien sich fast verdoppelt und der durchschnittliche Lohn der Feldarbeiter
ist in derselben Zeit fast auf das Vierfache gestiegen.
Fortwährende Arbeitsvergeudung gehört zu den Kennzeichen der jugend¬
lichen Gesellschastsperiode und einer zerstreuten Bevölkerung. In England
wurden am Ende des vierzehnten Jahrhunderts 212 Personen zum Ein¬
ernten von 189 Büschel Korn verwendet, eine Arbeit, die jetzt leicht ein Ein¬
ziger verrichtet. Der Lohn, welcher damals den Schnittern gezahlt wurde,
betrug 2 bis 3 Pence per Tag ohne Kost,, während Ausgäther und Heu¬
macher gar nur einen Penny erhielten. Wollten wir übrigens den Lohn
fortlaufend für das ganze Jahr auf einen Penny anschlagen, so würden wir
noch zu hoch greisen, weil die Beschäftigung nur eine gelegentliche war und
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