Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.vember die Verfassungsverleihung für das Fürstentum Ratzeburg vollzogen, Daß der Fürst des ständisch organisirten Großherzogthums Mecklen- vember die Verfassungsverleihung für das Fürstentum Ratzeburg vollzogen, Daß der Fürst des ständisch organisirten Großherzogthums Mecklen- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0036" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123124"/> <p xml:id="ID_84" prev="#ID_83"> vember die Verfassungsverleihung für das Fürstentum Ratzeburg vollzogen,<lb/> „um die Wünsche der getreuen Unterthanen soweit zu erfüllen, als solches<lb/> unter Wahrung der landesherrlichen, domanialen und hoheitlichen Rechte und<lb/> der Verhältnisse des Fürstenthums als integrirenden Theils des Großherzog-<lb/> thums thunlich war." Nro. 33 des offiziellen Ratzeburger Anzeigers publi-<lb/> cirt die aus 16, schreibe sechszehn Paragraphen bestehende Verfassung unter dem<lb/> 26. November, und es dürfte die Leser der „Grenzboten" interessiren, diese<lb/> neueste Errungenschaft verfassungsmäßiger Freiheit näher kennen zu lernen.</p><lb/> <p xml:id="ID_85" next="#ID_86"> Daß der Fürst des ständisch organisirten Großherzogthums Mecklen-<lb/> burg-Strelitz seinem Fürstenthum Natzeburg keine konstitutionelle Verfassung<lb/> verleihen werde, war mit Sicherheit vorauszusehen. Ratzeburg wird in Neu-<lb/> strelitz als ein „integrirender Bestandtheil" des gesammten Großherzogthums<lb/> betrachtet, obgleich die Ratzeburger selbst nur von einer Personalunion wissen<lb/> wollen. Diesem integrirenden Bestandtheil konnten also unmöglich Institutio¬<lb/> nen octroyirt werden, die den Mecklenburg-Strelitzern „ewig unbekannt", min¬<lb/> destens unerreichbar bleiben sollen; und so stand von Anfang an fest, daß<lb/> die neue Verfassung keine andere als eine ständische sein werde. Wenn die<lb/> Ratzeburger gleichwohl mit einem mecklenburgischen Landtag <zu mimawre<lb/> verschont blieben, so haben sie das wohl nur dem Umstände zu verdanken,<lb/> daß sich in Ratzeburg eben keine Ritter- und Landschaft aus der Erde<lb/> stampfen ließ: denn es gibt hier nur drei Allodialgüter. die würdig den meck¬<lb/> lenburgischen Latifundien an die Seite gestellt werden könnten, und abge¬<lb/> sehen von dem domanialen Antheil an der sonst lauenburgischen Stadt Ratze¬<lb/> burg, der sog. Domfreiheit, nur eine, noch dazu amtssäßige Stadt, Schön¬<lb/> berg mit ca. 2000 Einwohnern. Die übrige Bevölkerung des Fürstenthums<lb/> etwa 16,000 Einwohner auf 6 Quadratmeilen, gehört einem wohlhabenden<lb/> Bauernstande an, der bis auf den heutigen Tag die früher unter dem Krumm-<lb/> stabe des Ratzeburger Bischofs erlangte oder bewahrte größere Freiheit und Unab¬<lb/> hängigkeit behielt, deren die Bauern der umliegenden Landschaften entbehren.<lb/> Daher blieb für eine ständische Zusammensetzung der neu zu schaffenden<lb/> Landesvertretung nichts weiter übrig, als den in Ratzeburg dominirenden<lb/> Bauernstand als solchen anzuerkennen, wodurch nicht ausgeschlossen war, daß<lb/> den übrigen Elementen der Bevölkerung ausreichliche Berücksichtigung zu Theil<lb/> gelassen werde. Die neue Verfassung beruft neben den drei Gutsbesitzern<lb/> neun Abgeordnete des Bauernstandes, drei Pächter landesherrlicher Doma-<lb/> nialhöse. drei Abgeordnete der Stadt Schönberg und drei Pastoren in „die<lb/> Vertretung des Fürstenthums". Mit Ausnahme der ixsoMrs landtagsfähi-<lb/> gen Gutsbesitzer werden die Abgeordneten durch absolute Stimmenmehrheit<lb/> ihrer Standesgenossen „in üblicher Weise" gewählt, und zwar sollen von den<lb/> städtischen (Schönverger) Abgeordneten zwei durch die ansässigen Bürger aus</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0036]
vember die Verfassungsverleihung für das Fürstentum Ratzeburg vollzogen,
„um die Wünsche der getreuen Unterthanen soweit zu erfüllen, als solches
unter Wahrung der landesherrlichen, domanialen und hoheitlichen Rechte und
der Verhältnisse des Fürstenthums als integrirenden Theils des Großherzog-
thums thunlich war." Nro. 33 des offiziellen Ratzeburger Anzeigers publi-
cirt die aus 16, schreibe sechszehn Paragraphen bestehende Verfassung unter dem
26. November, und es dürfte die Leser der „Grenzboten" interessiren, diese
neueste Errungenschaft verfassungsmäßiger Freiheit näher kennen zu lernen.
Daß der Fürst des ständisch organisirten Großherzogthums Mecklen-
burg-Strelitz seinem Fürstenthum Natzeburg keine konstitutionelle Verfassung
verleihen werde, war mit Sicherheit vorauszusehen. Ratzeburg wird in Neu-
strelitz als ein „integrirender Bestandtheil" des gesammten Großherzogthums
betrachtet, obgleich die Ratzeburger selbst nur von einer Personalunion wissen
wollen. Diesem integrirenden Bestandtheil konnten also unmöglich Institutio¬
nen octroyirt werden, die den Mecklenburg-Strelitzern „ewig unbekannt", min¬
destens unerreichbar bleiben sollen; und so stand von Anfang an fest, daß
die neue Verfassung keine andere als eine ständische sein werde. Wenn die
Ratzeburger gleichwohl mit einem mecklenburgischen Landtag <zu mimawre
verschont blieben, so haben sie das wohl nur dem Umstände zu verdanken,
daß sich in Ratzeburg eben keine Ritter- und Landschaft aus der Erde
stampfen ließ: denn es gibt hier nur drei Allodialgüter. die würdig den meck¬
lenburgischen Latifundien an die Seite gestellt werden könnten, und abge¬
sehen von dem domanialen Antheil an der sonst lauenburgischen Stadt Ratze¬
burg, der sog. Domfreiheit, nur eine, noch dazu amtssäßige Stadt, Schön¬
berg mit ca. 2000 Einwohnern. Die übrige Bevölkerung des Fürstenthums
etwa 16,000 Einwohner auf 6 Quadratmeilen, gehört einem wohlhabenden
Bauernstande an, der bis auf den heutigen Tag die früher unter dem Krumm-
stabe des Ratzeburger Bischofs erlangte oder bewahrte größere Freiheit und Unab¬
hängigkeit behielt, deren die Bauern der umliegenden Landschaften entbehren.
Daher blieb für eine ständische Zusammensetzung der neu zu schaffenden
Landesvertretung nichts weiter übrig, als den in Ratzeburg dominirenden
Bauernstand als solchen anzuerkennen, wodurch nicht ausgeschlossen war, daß
den übrigen Elementen der Bevölkerung ausreichliche Berücksichtigung zu Theil
gelassen werde. Die neue Verfassung beruft neben den drei Gutsbesitzern
neun Abgeordnete des Bauernstandes, drei Pächter landesherrlicher Doma-
nialhöse. drei Abgeordnete der Stadt Schönberg und drei Pastoren in „die
Vertretung des Fürstenthums". Mit Ausnahme der ixsoMrs landtagsfähi-
gen Gutsbesitzer werden die Abgeordneten durch absolute Stimmenmehrheit
ihrer Standesgenossen „in üblicher Weise" gewählt, und zwar sollen von den
städtischen (Schönverger) Abgeordneten zwei durch die ansässigen Bürger aus
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