Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.es eine übermäßige Bevorzugung in den hohen militärischen und civilen Indem der Aussatz von den conservativen Elementen zu denjenigen Der deutsche König soll Willen genug haben, um sich unmittelbar an es eine übermäßige Bevorzugung in den hohen militärischen und civilen Indem der Aussatz von den conservativen Elementen zu denjenigen Der deutsche König soll Willen genug haben, um sich unmittelbar an <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0334" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123422"/> <p xml:id="ID_929" prev="#ID_928"> es eine übermäßige Bevorzugung in den hohen militärischen und civilen<lb/> Chargen, sei es eine zudringliche, perverse Ausbeutung seiner courfähigen<lb/> Loyalität für politische Parteizwecke, sei es eine widersinnige constitutionelle<lb/> Präponderanz im Herrenhause. Ueber den letzten Punkt, den eigentlichen<lb/> Kern der Frage, geht der Verfasser in einem kurzen Satze von dem noth¬<lb/> wendigen „radicalen Umbau" hinfort. Aber über das preußische Herrenhaus<lb/> wird wohl überhaupt die constitutionelle Entwickelung ohne jedes Compro-<lb/> miß hinfortschreiten müssen, wie die norddeutsche Bundesverfassung darüber<lb/> bereits hinweggegangen ist. Selbst als Herrencurie von Provinzialständen<lb/> sind diese Elemente nicht zu verwerthen. Will der preußische Grundadel sich<lb/> der Krone und dem Volke erhalten, was der Patriot immerhin wünschen<lb/> kann; so ist ihm nur der eine Weg geblieben: selbstlos in den Ehrendienst<lb/> der ländlichen Gemeinde zu treten, und auf der Grundlage erhöhter Pflichten<lb/> und Rechte deren Führerschaft zu übernehmen. Will er dieses nicht — und<lb/> ihm ist für seine Entschließungen nur eine sehr kurze Deliberattonsfrist ge¬<lb/> geben — dann wird die kommende Entwickelung trotz alles Conservatismus<lb/> der Krone ihn so unrettbar in Atome zerreiben, daß es in nicht ferner Zu¬<lb/> kunft völlig vergessen sein wird, der ritterschaftliche Grundbesitz sei einst dem<lb/> deutschen Adel zugezählt worden. Dann wird es sich nur noch um die con¬<lb/> stitutionelle Bedeutung der jetzt souveränen oder Halbsouveränen deutschen<lb/> Aristokratie handeln können.</p><lb/> <p xml:id="ID_930"> Indem der Aussatz von den conservativen Elementen zu denjenigen<lb/> Forderungen übergeht, auf welche die constitutionell-monarchische Partei in<lb/> Deutschland Verzicht leisten soll, hebt sich die politische Controverse schär¬<lb/> fer ab. Treitschke fordert von dem Liberalismus die Entsagung vor Allem<lb/> für zwei Dinge: für das, urtheilsloser Bewunderung englischer Zustände ent¬<lb/> stammende Verlangen nach parlamentarischer Parteiregierung und für<lb/> den der neufranzösischen Doctrin entsprossenen Gedanken eines absoluten<lb/> Steuer- und Ausgabenverweigerungsrechts.</p><lb/> <p xml:id="ID_931" next="#ID_932"> Der deutsche König soll Willen genug haben, um sich unmittelbar an<lb/> den Regierungsgeschäften mitzubetheiligen. Er soll frei genug sein, um die<lb/> Minister als die höchsten Diener und Rathgeber der Krone nach eigenster<lb/> Wahl und Vertrauen zu berufen. Daß aber diese Minister im constitutionelle«<lb/> Staate des Einvernehmens mit der Volksvertretung, wie überhaupt der popu¬<lb/> lären Kraft nicht entbehren können für eine segensreiche Thätigkeit ist selbst¬<lb/> verständlich. Und es ist ebenso selbstredend Recht wie Pflicht der parlamen¬<lb/> tarischen Parteien, wo sie die Krone unglücklich in ihrer Wahl und übel¬<lb/> berathen sehen, dem entgegenzuwirken durch Bekämpfung und Verdrängung<lb/> solcher Minister. Ueber diesen legitimen patriotischen Einfluß hinaus haben<lb/> die Parteien keinerlei Anrecht auf die ministerielle Gewalt, und keinerlei An-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0334]
es eine übermäßige Bevorzugung in den hohen militärischen und civilen
Chargen, sei es eine zudringliche, perverse Ausbeutung seiner courfähigen
Loyalität für politische Parteizwecke, sei es eine widersinnige constitutionelle
Präponderanz im Herrenhause. Ueber den letzten Punkt, den eigentlichen
Kern der Frage, geht der Verfasser in einem kurzen Satze von dem noth¬
wendigen „radicalen Umbau" hinfort. Aber über das preußische Herrenhaus
wird wohl überhaupt die constitutionelle Entwickelung ohne jedes Compro-
miß hinfortschreiten müssen, wie die norddeutsche Bundesverfassung darüber
bereits hinweggegangen ist. Selbst als Herrencurie von Provinzialständen
sind diese Elemente nicht zu verwerthen. Will der preußische Grundadel sich
der Krone und dem Volke erhalten, was der Patriot immerhin wünschen
kann; so ist ihm nur der eine Weg geblieben: selbstlos in den Ehrendienst
der ländlichen Gemeinde zu treten, und auf der Grundlage erhöhter Pflichten
und Rechte deren Führerschaft zu übernehmen. Will er dieses nicht — und
ihm ist für seine Entschließungen nur eine sehr kurze Deliberattonsfrist ge¬
geben — dann wird die kommende Entwickelung trotz alles Conservatismus
der Krone ihn so unrettbar in Atome zerreiben, daß es in nicht ferner Zu¬
kunft völlig vergessen sein wird, der ritterschaftliche Grundbesitz sei einst dem
deutschen Adel zugezählt worden. Dann wird es sich nur noch um die con¬
stitutionelle Bedeutung der jetzt souveränen oder Halbsouveränen deutschen
Aristokratie handeln können.
Indem der Aussatz von den conservativen Elementen zu denjenigen
Forderungen übergeht, auf welche die constitutionell-monarchische Partei in
Deutschland Verzicht leisten soll, hebt sich die politische Controverse schär¬
fer ab. Treitschke fordert von dem Liberalismus die Entsagung vor Allem
für zwei Dinge: für das, urtheilsloser Bewunderung englischer Zustände ent¬
stammende Verlangen nach parlamentarischer Parteiregierung und für
den der neufranzösischen Doctrin entsprossenen Gedanken eines absoluten
Steuer- und Ausgabenverweigerungsrechts.
Der deutsche König soll Willen genug haben, um sich unmittelbar an
den Regierungsgeschäften mitzubetheiligen. Er soll frei genug sein, um die
Minister als die höchsten Diener und Rathgeber der Krone nach eigenster
Wahl und Vertrauen zu berufen. Daß aber diese Minister im constitutionelle«
Staate des Einvernehmens mit der Volksvertretung, wie überhaupt der popu¬
lären Kraft nicht entbehren können für eine segensreiche Thätigkeit ist selbst¬
verständlich. Und es ist ebenso selbstredend Recht wie Pflicht der parlamen¬
tarischen Parteien, wo sie die Krone unglücklich in ihrer Wahl und übel¬
berathen sehen, dem entgegenzuwirken durch Bekämpfung und Verdrängung
solcher Minister. Ueber diesen legitimen patriotischen Einfluß hinaus haben
die Parteien keinerlei Anrecht auf die ministerielle Gewalt, und keinerlei An-
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