Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.lockung versucht, die Schwächeren von ihrer Ueberzeugung abtrünnig zu Ohne Zweifel wird unseren Bischöfen der Widerspruch gegen den päpst¬ Die römische Partei vertraut auf ihre Erfahrungen früherer Jahrhun¬ Es ist nicht unmöglich, daß sie zunächst Recht behalten, und daß die Un¬ lockung versucht, die Schwächeren von ihrer Ueberzeugung abtrünnig zu Ohne Zweifel wird unseren Bischöfen der Widerspruch gegen den päpst¬ Die römische Partei vertraut auf ihre Erfahrungen früherer Jahrhun¬ Es ist nicht unmöglich, daß sie zunächst Recht behalten, und daß die Un¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0290" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123378"/> <p xml:id="ID_798" prev="#ID_797"> lockung versucht, die Schwächeren von ihrer Ueberzeugung abtrünnig zu<lb/> machen. Eine rohe, würdelose, rachsüchtige und für Männer unleidliche<lb/> Tyrannei der Gewissen.</p><lb/> <p xml:id="ID_799"> Ohne Zweifel wird unseren Bischöfen der Widerspruch gegen den päpst¬<lb/> lichen Willen sehr schwer. In ihrer amtlichen Thätigkeit waren sie gewöhnt, sich<lb/> gegen die Zumuthungen des Staates auf Rom zu stützen, jetzt sehen sie durch<lb/> ihren Widerstand die Einheit der Kirche gefährdet, wohl Jeder von ihnen fürch¬<lb/> tet die Consequenzen der ersten Schritte und den Rückschlag auf die Geistlichen<lb/> und Laien seiner Diöcese, ihr Amt hatte sie bisher zu gelegentlichem Widerstand<lb/> gegen die Zumuthungen schwacher Staatsregierungen genöthigt, nicht zu<lb/> einem Widerstand in der Kirche selbst und sie sind, wenige ausgenommen,<lb/> von Haus schwerlich kriegerische Naturen. Dazu kommt, daß auch in ihrer<lb/> Heimath die ultramontane Partei fanatische Vertreter hat, welche geräuschvoll<lb/> ihre Anhänglichkeit an die römische Partei kundgeben, und daß sie noch<lb/> keineswegs sicher sind, wie die Mehrzahl ihrer Geistlichen und Laien schlie߬<lb/> lich ihren Widerstand beurtheilen wird. Dies Alles mag ihnen Vorsicht auf¬<lb/> erlegen, und es wäre voreilig, auf die Dauer und Energie ihres Wider¬<lb/> standes im Interesse der katholischen Kirche Deutschlands allzu große Hoff¬<lb/> nungen zu setzen. Aber eben deshalb haben jetzt die Kundgebungen der Geist¬<lb/> lichen und Laien in ihrem Sinne eine'hohe Bedeutung, auch in Deutschland<lb/> ist die katholische Kirche in Gefahr von einer kleinen fanatischen Minorität<lb/> aus der Jesuitenpartei tyrannisirt zu werden, und es ist sehr wünschens-<lb/> werth, daß jede Demonstration dieser undeutschen und unkatholischen Partei,<lb/> welche die Gottesidee der Kirche auf einen Wahlmann der italienischen Prä¬<lb/> laten übertragen will, sofort durch eine stärkere Gegendemonstration beant¬<lb/> wortet werde.</p><lb/> <p xml:id="ID_800"> Die römische Partei vertraut auf ihre Erfahrungen früherer Jahrhun¬<lb/> derte. Wenige dogmatische Festsetzungen allgemeiner Concilien sind ohne<lb/> heftige Parteikämpfe zu Stande gebracht worden, von Nicäa bis Trient<lb/> waren die großen Versammlungen der Bischöfe in Gefahr, sich in Zorn<lb/> und Hader aufzulösen, mühsam und kümmerlich wurden zuweilen die Resul¬<lb/> tate gewonnen durch jedes mögliche Mittel der List und der Bestechung;<lb/> waren aber die Beschlüsse verkündet, dann gewöhnte sich die Christenheit doch<lb/> daran, widerstandslos zu gehorchen, und wenn das Beschlossene menschlicher<lb/> Einsicht noch so harte Entsagung zumuthete. Die Ultramontanen vertrauen,<lb/> daß diesmal der gleiche Fall eintreten und das Papstthum über den Wider¬<lb/> stand der Minorität siegen werde.</p><lb/> <p xml:id="ID_801" next="#ID_802"> Es ist nicht unmöglich, daß sie zunächst Recht behalten, und daß die Un¬<lb/> fehlbarkeit des Papstes, auch wenn die deutschen und französischen Bischöfe<lb/> sich der Abstimmung enthalten, oder in ihrer großen Mehrzahl dagegen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0290]
lockung versucht, die Schwächeren von ihrer Ueberzeugung abtrünnig zu
machen. Eine rohe, würdelose, rachsüchtige und für Männer unleidliche
Tyrannei der Gewissen.
Ohne Zweifel wird unseren Bischöfen der Widerspruch gegen den päpst¬
lichen Willen sehr schwer. In ihrer amtlichen Thätigkeit waren sie gewöhnt, sich
gegen die Zumuthungen des Staates auf Rom zu stützen, jetzt sehen sie durch
ihren Widerstand die Einheit der Kirche gefährdet, wohl Jeder von ihnen fürch¬
tet die Consequenzen der ersten Schritte und den Rückschlag auf die Geistlichen
und Laien seiner Diöcese, ihr Amt hatte sie bisher zu gelegentlichem Widerstand
gegen die Zumuthungen schwacher Staatsregierungen genöthigt, nicht zu
einem Widerstand in der Kirche selbst und sie sind, wenige ausgenommen,
von Haus schwerlich kriegerische Naturen. Dazu kommt, daß auch in ihrer
Heimath die ultramontane Partei fanatische Vertreter hat, welche geräuschvoll
ihre Anhänglichkeit an die römische Partei kundgeben, und daß sie noch
keineswegs sicher sind, wie die Mehrzahl ihrer Geistlichen und Laien schlie߬
lich ihren Widerstand beurtheilen wird. Dies Alles mag ihnen Vorsicht auf¬
erlegen, und es wäre voreilig, auf die Dauer und Energie ihres Wider¬
standes im Interesse der katholischen Kirche Deutschlands allzu große Hoff¬
nungen zu setzen. Aber eben deshalb haben jetzt die Kundgebungen der Geist¬
lichen und Laien in ihrem Sinne eine'hohe Bedeutung, auch in Deutschland
ist die katholische Kirche in Gefahr von einer kleinen fanatischen Minorität
aus der Jesuitenpartei tyrannisirt zu werden, und es ist sehr wünschens-
werth, daß jede Demonstration dieser undeutschen und unkatholischen Partei,
welche die Gottesidee der Kirche auf einen Wahlmann der italienischen Prä¬
laten übertragen will, sofort durch eine stärkere Gegendemonstration beant¬
wortet werde.
Die römische Partei vertraut auf ihre Erfahrungen früherer Jahrhun¬
derte. Wenige dogmatische Festsetzungen allgemeiner Concilien sind ohne
heftige Parteikämpfe zu Stande gebracht worden, von Nicäa bis Trient
waren die großen Versammlungen der Bischöfe in Gefahr, sich in Zorn
und Hader aufzulösen, mühsam und kümmerlich wurden zuweilen die Resul¬
tate gewonnen durch jedes mögliche Mittel der List und der Bestechung;
waren aber die Beschlüsse verkündet, dann gewöhnte sich die Christenheit doch
daran, widerstandslos zu gehorchen, und wenn das Beschlossene menschlicher
Einsicht noch so harte Entsagung zumuthete. Die Ultramontanen vertrauen,
daß diesmal der gleiche Fall eintreten und das Papstthum über den Wider¬
stand der Minorität siegen werde.
Es ist nicht unmöglich, daß sie zunächst Recht behalten, und daß die Un¬
fehlbarkeit des Papstes, auch wenn die deutschen und französischen Bischöfe
sich der Abstimmung enthalten, oder in ihrer großen Mehrzahl dagegen
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