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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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anderen Memorandums. Minister Herbst, überlegen zeigt, so ist doch auch
in ihm der Advocat viel mächtiger als der Staatsmann. In seiner Ver¬
theidigerpraxis hatte er sich den Ruf erworben, über einem glänzenden
Plaidoyer, über dem Vergnügen, die Blößen seines Gegners aufzudecken,
ihn mit Sarcasmen zu überschütten, leicht die Sache seines Clienten zu ver¬
gessen. Etwas davon spürt man auch in seiner Kritik der Herbst'schen Aus¬
einandersetzung.

Als Berger, Taciffe und Potocki ihre Entlassung hatten, begann das
Suchen nach Ersatzmänner. Der Handelsminister v. Pierer als Amtsältester
fungirte als proviforisches Haupt des Rumpsministeriums und gab gleich im
Anfange einen eclatanten Beweis seiner Qualification für solche Stellung, indem
er dem Kaiser vorschlug, eine Persönlichkeit zu berufen, welche für eine höch¬
sten Orts beliebte zu halten gerade in jenem Augenblicke ganz und gar kein
Grund vorlag. Hierauf wandte man sich an den jüngern Bruder des be¬
kannten "ersten Cavaliers im Reich", den Fürsten Adolph Auersperg,
Oberstlandmarschall von Böhmen, und triumphirend verkündigten die Zeitun¬
gen, der Präsident wie er sein soll sei gefunden: von altem hohem Adel, bei
Hofe wohlgelitten, dabei liberal, anticzechisch u. s. w. Doch der hinkende
Bote kam nach. Fürst Auersperg verrieth die Prcitention, einen eigenen
Willen zu haben, Präsident nicht nur dem Namen nach sein zu wollen. Eine
Hauptforderung Giskra's, daß Inneres und Polizei in einer Hand vereinigt
werden sollten, gestand er willig zu, nur mit dem kleinen Amendement, diese
Hand dürfe nicht Herrn Dr. Giskra gehören. Der Mann war also nicht
zu brauchen. Desgleichen scheint der Präsident des Abgeordnetenhauses, Herr
v. Kaiserfeld, nicht ganz die erwünschte Gefügigkeit bewiesen zu haben. Einige
Tage lang war er designirter Premier, plötzlich blos Ackerbauminister, wofür
er sich höflich bedankt haben soll. Während dieser Wehen ist schon, wie sich
deutlich spüren ließ, der Antagonismus zwischen Herbst und Giskra gelegent¬
lich scharf hervorgetreten, und weil sie, um neben einander existiren zu können,
einen Chef brauchten, welcher volle Autorität und Energie besäße, so einigten
sie sich über einen Mann entgegengesetzter Art. Einen solchen glaubt man
und wohl nicht mit Unrecht in dem Cultusminister Ritter von Hafner ge¬
funden zu haben, eine milde, weiche Natur, contemplativ, frei von Ehrgeiz.
Er wird nicht auf Rosen gebettet sein; lediglich als als Marionette wird er
sich nicht brauchen lassen wollen und in dem Kampfe mit disparaten Elemen¬
ten wird er seine Kräfte erschöpfen ohne Dank zu ernten. -- Eine weitere
Schwierigkeit bot die Neubesetzung des Postens eines Cultus- und Unter¬
richtsministers; für den Unterricht waren zufällig nur getaufte Juden dispo¬
nibel, welchen man die Cultusangelegenheiten nicht anvertrauen wollte und
die wieder an der Trennung der beiden Hälften des Portefeuilles keinen Ge-


anderen Memorandums. Minister Herbst, überlegen zeigt, so ist doch auch
in ihm der Advocat viel mächtiger als der Staatsmann. In seiner Ver¬
theidigerpraxis hatte er sich den Ruf erworben, über einem glänzenden
Plaidoyer, über dem Vergnügen, die Blößen seines Gegners aufzudecken,
ihn mit Sarcasmen zu überschütten, leicht die Sache seines Clienten zu ver¬
gessen. Etwas davon spürt man auch in seiner Kritik der Herbst'schen Aus¬
einandersetzung.

Als Berger, Taciffe und Potocki ihre Entlassung hatten, begann das
Suchen nach Ersatzmänner. Der Handelsminister v. Pierer als Amtsältester
fungirte als proviforisches Haupt des Rumpsministeriums und gab gleich im
Anfange einen eclatanten Beweis seiner Qualification für solche Stellung, indem
er dem Kaiser vorschlug, eine Persönlichkeit zu berufen, welche für eine höch¬
sten Orts beliebte zu halten gerade in jenem Augenblicke ganz und gar kein
Grund vorlag. Hierauf wandte man sich an den jüngern Bruder des be¬
kannten „ersten Cavaliers im Reich", den Fürsten Adolph Auersperg,
Oberstlandmarschall von Böhmen, und triumphirend verkündigten die Zeitun¬
gen, der Präsident wie er sein soll sei gefunden: von altem hohem Adel, bei
Hofe wohlgelitten, dabei liberal, anticzechisch u. s. w. Doch der hinkende
Bote kam nach. Fürst Auersperg verrieth die Prcitention, einen eigenen
Willen zu haben, Präsident nicht nur dem Namen nach sein zu wollen. Eine
Hauptforderung Giskra's, daß Inneres und Polizei in einer Hand vereinigt
werden sollten, gestand er willig zu, nur mit dem kleinen Amendement, diese
Hand dürfe nicht Herrn Dr. Giskra gehören. Der Mann war also nicht
zu brauchen. Desgleichen scheint der Präsident des Abgeordnetenhauses, Herr
v. Kaiserfeld, nicht ganz die erwünschte Gefügigkeit bewiesen zu haben. Einige
Tage lang war er designirter Premier, plötzlich blos Ackerbauminister, wofür
er sich höflich bedankt haben soll. Während dieser Wehen ist schon, wie sich
deutlich spüren ließ, der Antagonismus zwischen Herbst und Giskra gelegent¬
lich scharf hervorgetreten, und weil sie, um neben einander existiren zu können,
einen Chef brauchten, welcher volle Autorität und Energie besäße, so einigten
sie sich über einen Mann entgegengesetzter Art. Einen solchen glaubt man
und wohl nicht mit Unrecht in dem Cultusminister Ritter von Hafner ge¬
funden zu haben, eine milde, weiche Natur, contemplativ, frei von Ehrgeiz.
Er wird nicht auf Rosen gebettet sein; lediglich als als Marionette wird er
sich nicht brauchen lassen wollen und in dem Kampfe mit disparaten Elemen¬
ten wird er seine Kräfte erschöpfen ohne Dank zu ernten. — Eine weitere
Schwierigkeit bot die Neubesetzung des Postens eines Cultus- und Unter¬
richtsministers; für den Unterricht waren zufällig nur getaufte Juden dispo¬
nibel, welchen man die Cultusangelegenheiten nicht anvertrauen wollte und
die wieder an der Trennung der beiden Hälften des Portefeuilles keinen Ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/276>, abgerufen am 28.09.2024.