Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.Grauliches Gewölke, welches den Hintergrund überdeckt, deutet an, daß die In der dritten Kammer hat sich nur ein Fragment erhalten, welches Grauliches Gewölke, welches den Hintergrund überdeckt, deutet an, daß die In der dritten Kammer hat sich nur ein Fragment erhalten, welches <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0019" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123107"/> <p xml:id="ID_27" prev="#ID_26"> Grauliches Gewölke, welches den Hintergrund überdeckt, deutet an, daß die<lb/> Scene in dem nebligen Dunkel der Unterwelt vorgeht. Auf der Westwand<lb/> ziehen zwei herrliche Gestalten, die auch hinreichend erhalten sind, die Auf¬<lb/> merksamkeit auf sich. Ein ehrwürdiger Greis mit langem Bart steht da. den<lb/> Mantel über den Hinterkopf gezogen, etwas vorgebückt, gleichwie lauschend;<lb/> seine Augen sind geschlossen, seine Hände halten wie mit einer gewissen<lb/> Aengstlichkeit einen Stab fest. Die Charakteristik ist so deutlich, daß es kaum<lb/> der beigeschriebener Inschrift bedarf, um in der Figur den Schatten des<lb/> blinden Sehers Teiresias zu erkennen; die Eigenschaften des Blinden sind<lb/> in meisterhafter Weise wiedergegeben. Vor Teiresias steht, nach der anderen<lb/> Seite gewendet und von vorn gesehen, eine schöne männliche Gestalt mit<lb/> üppigem, wohl gepflegtem Haar und Bart, einen reich gestickten Mantel über<lb/> dem Rücken; sie ist durch die beigefügte Inschrift als Memnon bezeichnet.<lb/> Zwischen diesen beiden Figuren befindet sich, nach der Absicht des Künstlers<lb/> wohl im Hintergründe zu denken, ein laubloser Baum, auf dessen Aesten<lb/> allerlei kleine schwarzgemalte Wesen menschlicher Gestalt sich umher treiben.<lb/> Man wird unwillkürlich an die Dichtung des Virgil erinnert, nach der im<lb/> Vorhofe des Orcus eine Ulme steht, an deren Aesten die verschiedenen Träume<lb/> herabhängen. Doch liegt auch die Möglichkeit vor, daß der Wandmaler die<lb/> unendliche Menge der namenlosen Schatten durch diese Darstellungsweise be¬<lb/> zeichnen wollte. Auf der Südseite springt der größte Theil der Wand pilaster-<lb/> artig vor. Auf der nach Osten gerichteten Fläche sehen wir einen Jüngling<lb/> stehen, welcher mit schmerzlichem Ausdrucke in dem schönen Gesicht abwärts<lb/> blickt, während ihn ein schrecklich aussehender Dämon mit einer Schlange be¬<lb/> droht; nach der Inschrift ist es Theseus, welcher bekanntlich in Folge seines<lb/> gottlosen Vorhabens gegen Persephone im Tartarus gefangen gehalten wurde.<lb/> Auf der Langseite der vorspringenden Südwand ist ein Tisch gemalt, auf<lb/> welchem und um den herum allerlei goldfarbige Gefäße stehen. Davor steht<lb/> ein jugendlicher Mundschenk, von vorn gesehen, in der Rechten einen Krug,<lb/> in der Linken ein Sieb (eolnm). Ein nackter geflügelter Jüngling, welcher<lb/> in der Linken ein Alabastron. in der erhobenen Rechten eine Toilettennadel<lb/> (äigeernieuluM) hält, schreitet in entgegengesetzter Richtung von dannen. Beide<lb/> Figuren sind wundervoll gezeichnet, verrathen jedoch eine geringe Durch¬<lb/> bildung des eigentlich Malerischen, wie die meisten übrigen Figuren dieses<lb/> Raumes. Wie diese Scene mit der Darstellung der Unterwelt in Verbindung<lb/> zu setzen, läßt sich schwer bestimmen. Doch bieten uns die Wandgemälde eines<lb/> anderen Grabes eine schlagende Analogie, indem auch dort ein ähnlicher<lb/> Schenktisch und ein Mundschenk in der Unterwelt und zwar unmittelbar vor<lb/> dem Throne des Hades und des Persephone vorkommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_28" next="#ID_29"> In der dritten Kammer hat sich nur ein Fragment erhalten, welches</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0019]
Grauliches Gewölke, welches den Hintergrund überdeckt, deutet an, daß die
Scene in dem nebligen Dunkel der Unterwelt vorgeht. Auf der Westwand
ziehen zwei herrliche Gestalten, die auch hinreichend erhalten sind, die Auf¬
merksamkeit auf sich. Ein ehrwürdiger Greis mit langem Bart steht da. den
Mantel über den Hinterkopf gezogen, etwas vorgebückt, gleichwie lauschend;
seine Augen sind geschlossen, seine Hände halten wie mit einer gewissen
Aengstlichkeit einen Stab fest. Die Charakteristik ist so deutlich, daß es kaum
der beigeschriebener Inschrift bedarf, um in der Figur den Schatten des
blinden Sehers Teiresias zu erkennen; die Eigenschaften des Blinden sind
in meisterhafter Weise wiedergegeben. Vor Teiresias steht, nach der anderen
Seite gewendet und von vorn gesehen, eine schöne männliche Gestalt mit
üppigem, wohl gepflegtem Haar und Bart, einen reich gestickten Mantel über
dem Rücken; sie ist durch die beigefügte Inschrift als Memnon bezeichnet.
Zwischen diesen beiden Figuren befindet sich, nach der Absicht des Künstlers
wohl im Hintergründe zu denken, ein laubloser Baum, auf dessen Aesten
allerlei kleine schwarzgemalte Wesen menschlicher Gestalt sich umher treiben.
Man wird unwillkürlich an die Dichtung des Virgil erinnert, nach der im
Vorhofe des Orcus eine Ulme steht, an deren Aesten die verschiedenen Träume
herabhängen. Doch liegt auch die Möglichkeit vor, daß der Wandmaler die
unendliche Menge der namenlosen Schatten durch diese Darstellungsweise be¬
zeichnen wollte. Auf der Südseite springt der größte Theil der Wand pilaster-
artig vor. Auf der nach Osten gerichteten Fläche sehen wir einen Jüngling
stehen, welcher mit schmerzlichem Ausdrucke in dem schönen Gesicht abwärts
blickt, während ihn ein schrecklich aussehender Dämon mit einer Schlange be¬
droht; nach der Inschrift ist es Theseus, welcher bekanntlich in Folge seines
gottlosen Vorhabens gegen Persephone im Tartarus gefangen gehalten wurde.
Auf der Langseite der vorspringenden Südwand ist ein Tisch gemalt, auf
welchem und um den herum allerlei goldfarbige Gefäße stehen. Davor steht
ein jugendlicher Mundschenk, von vorn gesehen, in der Rechten einen Krug,
in der Linken ein Sieb (eolnm). Ein nackter geflügelter Jüngling, welcher
in der Linken ein Alabastron. in der erhobenen Rechten eine Toilettennadel
(äigeernieuluM) hält, schreitet in entgegengesetzter Richtung von dannen. Beide
Figuren sind wundervoll gezeichnet, verrathen jedoch eine geringe Durch¬
bildung des eigentlich Malerischen, wie die meisten übrigen Figuren dieses
Raumes. Wie diese Scene mit der Darstellung der Unterwelt in Verbindung
zu setzen, läßt sich schwer bestimmen. Doch bieten uns die Wandgemälde eines
anderen Grabes eine schlagende Analogie, indem auch dort ein ähnlicher
Schenktisch und ein Mundschenk in der Unterwelt und zwar unmittelbar vor
dem Throne des Hades und des Persephone vorkommen.
In der dritten Kammer hat sich nur ein Fragment erhalten, welches
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