Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.bringen würden und fanden es gar wunderlich, daß man ihnen zumuthete Desto entschiedener mußte auf diese Weise das Institut der Diaconissen Der große Krieg von 1866 hat den Anstoß zu einer schöpferischen Be¬ bringen würden und fanden es gar wunderlich, daß man ihnen zumuthete Desto entschiedener mußte auf diese Weise das Institut der Diaconissen Der große Krieg von 1866 hat den Anstoß zu einer schöpferischen Be¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0186" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123274"/> <p xml:id="ID_490" prev="#ID_489"> bringen würden und fanden es gar wunderlich, daß man ihnen zumuthete<lb/> auf ein Monopol zu verzichten, welches durch die zunehmende Nachfrage der<lb/> Aerzte nach gebildeten berufsmäßigen Krankenpflegerinnen täglich werthvoller<lb/> wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_491"> Desto entschiedener mußte auf diese Weise das Institut der Diaconissen<lb/> zu vielen Häusern in Gegensatz treten, in welche sie gerufen wurden, in denen<lb/> man ihre Richtung aber nicht theilte. Ihre Vorbilder, die Barmherzigen<lb/> Schwestern, haben es darin, wo sie sich auf eine ebenfalls katholische Be¬<lb/> völkerung beschränken, besser. Sie mögen thun oder lassen was sie wollen,<lb/> man wird sich weder kritisch noch activ so leicht gegen sie erheben; dafür ist<lb/> den Katholiken in allen mit der Kirche zusammenhängenden Dingen die Ge¬<lb/> wohnheit einer selbständigen Meinung zu sehr abhanden gekommen. Wo die<lb/> Barmherzigen aber in protestantische Häuser gehen, liegt die Möglichkeit des<lb/> confessionellen Conflicts, ja die der Propaganda für den Katholicismus, auf<lb/> der Hand. Die Diaconissen stehen nicht mit so unbedingter Hingebung im<lb/> Dienste einer bekehrungseifrigen Kirchengemeinschaft. Sie haben wohl auch das<lb/> Bewußtsein, einer Partei mit ausgeprägtem Glaubensbekenntniß anzugehören,<lb/> aber das Verhältniß ist doch weit loser, hängt mehr von den betreffenden<lb/> Persönlichkeiten ab und läßt individueller Disposition einen freieren Spielraum.<lb/> Worin die Diaconissin mit der Barmherzigen Schwester vollkommen überein¬<lb/> stimmt, das ist ihre persönliche Vertiefung in bestimmte religiöse Begriffe und<lb/> Gefühle, das ausschließlich religiöse Motiv zur Ergreifung ihres schwierigen<lb/> Berufs, das sich dann auch in der Art und Weise der Behandlung desselben<lb/> widerspiegelt, nicht nur häufig zu Einseitigkeiten, sondern ebenso häufig zu<lb/> Conflicten führt, welche auf Unkosten des eigentlichen Zwecks, der Wohl¬<lb/> fahrt der Kranken, ausgefochten werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_492" next="#ID_493"> Der große Krieg von 1866 hat den Anstoß zu einer schöpferischen Be¬<lb/> wegung gegeben. Jene Hilfsvereine für Verwundetenpflege, welche damals<lb/> allenthalben auch in der Frauenwelt entstanden, in Berlin, Dresden, Karls¬<lb/> ruhe, Darmstadt u. s. f., sind nach dem Friedensschluß entweder unmittelbar<lb/> oder mittelbar in Vereine übergegangen, welche sich ähnlichen Zwecken auch<lb/> in Friedenszeiten widmeten. In Berlin hat dieser Verein ein großes La-<lb/> zareth errichtet, bei dessen feierlicher Einweihung, im December 1869, Königin<lb/> Augusta ausdrücklich hervorhob, daß es eine Schule für wahrhaft tüchtige<lb/> Krankenpflegerinnen werden solle, also nicht blos für Wärterinnen des alten<lb/> Schlages und auch wohl nicht vorzugsweise für Diaconissen. deren Dienst<lb/> in dem großen Berliner Krankenhause Bethanien eben jetzt einer peinlichen<lb/> Untersuchung hat unterworfen werden müssen. In Karlsruhe und Darmstadt<lb/> bestehen schon länger ausgedehnte Vereine zur Bildung und Unterhaltung von<lb/> Krankenpflegerinnen, ins Leben gerufen von der Großherzogin Luise, der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0186]
bringen würden und fanden es gar wunderlich, daß man ihnen zumuthete
auf ein Monopol zu verzichten, welches durch die zunehmende Nachfrage der
Aerzte nach gebildeten berufsmäßigen Krankenpflegerinnen täglich werthvoller
wurde.
Desto entschiedener mußte auf diese Weise das Institut der Diaconissen
zu vielen Häusern in Gegensatz treten, in welche sie gerufen wurden, in denen
man ihre Richtung aber nicht theilte. Ihre Vorbilder, die Barmherzigen
Schwestern, haben es darin, wo sie sich auf eine ebenfalls katholische Be¬
völkerung beschränken, besser. Sie mögen thun oder lassen was sie wollen,
man wird sich weder kritisch noch activ so leicht gegen sie erheben; dafür ist
den Katholiken in allen mit der Kirche zusammenhängenden Dingen die Ge¬
wohnheit einer selbständigen Meinung zu sehr abhanden gekommen. Wo die
Barmherzigen aber in protestantische Häuser gehen, liegt die Möglichkeit des
confessionellen Conflicts, ja die der Propaganda für den Katholicismus, auf
der Hand. Die Diaconissen stehen nicht mit so unbedingter Hingebung im
Dienste einer bekehrungseifrigen Kirchengemeinschaft. Sie haben wohl auch das
Bewußtsein, einer Partei mit ausgeprägtem Glaubensbekenntniß anzugehören,
aber das Verhältniß ist doch weit loser, hängt mehr von den betreffenden
Persönlichkeiten ab und läßt individueller Disposition einen freieren Spielraum.
Worin die Diaconissin mit der Barmherzigen Schwester vollkommen überein¬
stimmt, das ist ihre persönliche Vertiefung in bestimmte religiöse Begriffe und
Gefühle, das ausschließlich religiöse Motiv zur Ergreifung ihres schwierigen
Berufs, das sich dann auch in der Art und Weise der Behandlung desselben
widerspiegelt, nicht nur häufig zu Einseitigkeiten, sondern ebenso häufig zu
Conflicten führt, welche auf Unkosten des eigentlichen Zwecks, der Wohl¬
fahrt der Kranken, ausgefochten werden.
Der große Krieg von 1866 hat den Anstoß zu einer schöpferischen Be¬
wegung gegeben. Jene Hilfsvereine für Verwundetenpflege, welche damals
allenthalben auch in der Frauenwelt entstanden, in Berlin, Dresden, Karls¬
ruhe, Darmstadt u. s. f., sind nach dem Friedensschluß entweder unmittelbar
oder mittelbar in Vereine übergegangen, welche sich ähnlichen Zwecken auch
in Friedenszeiten widmeten. In Berlin hat dieser Verein ein großes La-
zareth errichtet, bei dessen feierlicher Einweihung, im December 1869, Königin
Augusta ausdrücklich hervorhob, daß es eine Schule für wahrhaft tüchtige
Krankenpflegerinnen werden solle, also nicht blos für Wärterinnen des alten
Schlages und auch wohl nicht vorzugsweise für Diaconissen. deren Dienst
in dem großen Berliner Krankenhause Bethanien eben jetzt einer peinlichen
Untersuchung hat unterworfen werden müssen. In Karlsruhe und Darmstadt
bestehen schon länger ausgedehnte Vereine zur Bildung und Unterhaltung von
Krankenpflegerinnen, ins Leben gerufen von der Großherzogin Luise, der
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