Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ersten Versuchen, namentlich durch das Talent des erfahrenen Schönschreibers,
Jlluminirers und Rubricators Schöffer in solchem Grade erzielt wurde,
daß eines seiner Werke, das Psalterium vom Jahre 1457, noch jetzt, auch
was Schönheit der Typen anbelangt, unsere Bewunderung erregt. Er ge-
gestaltete die Typen leichter und gefälliger, und verlieh ihnen neben Einfach¬
heit das rechte Ebenmaß, worauf unabhängig von ihm auch der große Bam-
berger Drucker Pfister hinarbeitete.

Durch das ganze fünfzehnte Jahrhundert bis ins sechszehnte herein
blieben Schöffer's Typen in ihren verschiedenen Größenabstufungen maßgebend,
bis endlich nach resultatlosen Versuchen Anderer Albrecht Dürer neue Typen
erfand und eine feste Regel für ihren Bau aufstellte. Er gab in seinem oft
gedruckten, berühmten Werke: "Unterweisung der Messung mit Zirkel und
Richtscheit in Linien, Ebenen und ganzen Körpern" (1525) für die einzelnen
Buchstaben die Proportionen an, und stellte dadurch eine Norm auf, welche
dem Wesen nach bis auf die Gegenwart in unserer Fracturschrift
lebt. Denn so sehr auch in späterer Zeit bis herab auf unsere Tage die
Typen in ihren Größenabstufungen verändert worden sind, sie haben sich
selbst in der Gegenwart noch nicht weit von den Verhältnissen, welche Dürer
aufstellt, entfernt, und sind der Zeichnung, welche der berühmte Nürnberger
Schönschreiber Neudörffer, der Aeltere, nach den Angaben Dürer's ge¬
liefert hat, noch nicht so unähnlich geworden, daß eine principielle Umge¬
staltung der Schrift angenommen werden könnte.

Diese deutschen Buchstaben gingen sehr bald in die benachbarten Länder über.

Allerdings bildeten die ersten Drucker, welche nach Frankreich kamen,
z. B. der Schweizer Ulrich Gering, gleich anderen späteren in richtigem
Verständniß ihrer Aufgabe, ihre Typen nach der damals in französischen
Handschriften üblichen Schrift (romlcis), welche den alten römischen Schrift¬
typus getreuer bewährt zeigte, die großen Buchstaben nicht verschnörkelt, die
kleinen aber an den Spitzen entweder gar nicht, oder nur unmerklich gebogen
hatte, und die Buchstaben überhaupt mehr rund oder geradlinig als eckig
und gebogen zeichnete. Bald gewannen aber durch einige der bedeutendsten
Drucker die inzwischen in Deutschland verbesserten Typen, welche man kurz-
weg Allemant oder ihrer eckigen Form wegen auch I,Ltti'L8 as kormk
nannte, das Uebergewicht, das sie erst im siebenzehnten Jahrhundert, nach¬
dem sie eine Zeitlang fast ausschließlich geherrscht hatten, verloren. Schon
Michel Vascosan (1530--1576) druckte z. B. nur mit gothischer Schrift.
Diese fand auch in Italien rasche Verbreitung. Denn obwohl auch hier
die ersten Drucker, die Deutschen von Mainz ausgewanderten Werkleute
Fühl's und Schöffer's Conrad Swegeheim und Arnold Pannartz
ihre ersten Typen ebenso vollständig als meisterhaft dem in gleichzeitig


ersten Versuchen, namentlich durch das Talent des erfahrenen Schönschreibers,
Jlluminirers und Rubricators Schöffer in solchem Grade erzielt wurde,
daß eines seiner Werke, das Psalterium vom Jahre 1457, noch jetzt, auch
was Schönheit der Typen anbelangt, unsere Bewunderung erregt. Er ge-
gestaltete die Typen leichter und gefälliger, und verlieh ihnen neben Einfach¬
heit das rechte Ebenmaß, worauf unabhängig von ihm auch der große Bam-
berger Drucker Pfister hinarbeitete.

Durch das ganze fünfzehnte Jahrhundert bis ins sechszehnte herein
blieben Schöffer's Typen in ihren verschiedenen Größenabstufungen maßgebend,
bis endlich nach resultatlosen Versuchen Anderer Albrecht Dürer neue Typen
erfand und eine feste Regel für ihren Bau aufstellte. Er gab in seinem oft
gedruckten, berühmten Werke: „Unterweisung der Messung mit Zirkel und
Richtscheit in Linien, Ebenen und ganzen Körpern" (1525) für die einzelnen
Buchstaben die Proportionen an, und stellte dadurch eine Norm auf, welche
dem Wesen nach bis auf die Gegenwart in unserer Fracturschrift
lebt. Denn so sehr auch in späterer Zeit bis herab auf unsere Tage die
Typen in ihren Größenabstufungen verändert worden sind, sie haben sich
selbst in der Gegenwart noch nicht weit von den Verhältnissen, welche Dürer
aufstellt, entfernt, und sind der Zeichnung, welche der berühmte Nürnberger
Schönschreiber Neudörffer, der Aeltere, nach den Angaben Dürer's ge¬
liefert hat, noch nicht so unähnlich geworden, daß eine principielle Umge¬
staltung der Schrift angenommen werden könnte.

Diese deutschen Buchstaben gingen sehr bald in die benachbarten Länder über.

Allerdings bildeten die ersten Drucker, welche nach Frankreich kamen,
z. B. der Schweizer Ulrich Gering, gleich anderen späteren in richtigem
Verständniß ihrer Aufgabe, ihre Typen nach der damals in französischen
Handschriften üblichen Schrift (romlcis), welche den alten römischen Schrift¬
typus getreuer bewährt zeigte, die großen Buchstaben nicht verschnörkelt, die
kleinen aber an den Spitzen entweder gar nicht, oder nur unmerklich gebogen
hatte, und die Buchstaben überhaupt mehr rund oder geradlinig als eckig
und gebogen zeichnete. Bald gewannen aber durch einige der bedeutendsten
Drucker die inzwischen in Deutschland verbesserten Typen, welche man kurz-
weg Allemant oder ihrer eckigen Form wegen auch I,Ltti'L8 as kormk
nannte, das Uebergewicht, das sie erst im siebenzehnten Jahrhundert, nach¬
dem sie eine Zeitlang fast ausschließlich geherrscht hatten, verloren. Schon
Michel Vascosan (1530—1576) druckte z. B. nur mit gothischer Schrift.
Diese fand auch in Italien rasche Verbreitung. Denn obwohl auch hier
die ersten Drucker, die Deutschen von Mainz ausgewanderten Werkleute
Fühl's und Schöffer's Conrad Swegeheim und Arnold Pannartz
ihre ersten Typen ebenso vollständig als meisterhaft dem in gleichzeitig


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0096" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121851"/>
          <p xml:id="ID_246" prev="#ID_245"> ersten Versuchen, namentlich durch das Talent des erfahrenen Schönschreibers,<lb/>
Jlluminirers und Rubricators Schöffer in solchem Grade erzielt wurde,<lb/>
daß eines seiner Werke, das Psalterium vom Jahre 1457, noch jetzt, auch<lb/>
was Schönheit der Typen anbelangt, unsere Bewunderung erregt. Er ge-<lb/>
gestaltete die Typen leichter und gefälliger, und verlieh ihnen neben Einfach¬<lb/>
heit das rechte Ebenmaß, worauf unabhängig von ihm auch der große Bam-<lb/>
berger Drucker Pfister hinarbeitete.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_247"> Durch das ganze fünfzehnte Jahrhundert bis ins sechszehnte herein<lb/>
blieben Schöffer's Typen in ihren verschiedenen Größenabstufungen maßgebend,<lb/>
bis endlich nach resultatlosen Versuchen Anderer Albrecht Dürer neue Typen<lb/>
erfand und eine feste Regel für ihren Bau aufstellte. Er gab in seinem oft<lb/>
gedruckten, berühmten Werke: &#x201E;Unterweisung der Messung mit Zirkel und<lb/>
Richtscheit in Linien, Ebenen und ganzen Körpern" (1525) für die einzelnen<lb/>
Buchstaben die Proportionen an, und stellte dadurch eine Norm auf, welche<lb/>
dem Wesen nach bis auf die Gegenwart in unserer Fracturschrift<lb/>
lebt. Denn so sehr auch in späterer Zeit bis herab auf unsere Tage die<lb/>
Typen in ihren Größenabstufungen verändert worden sind, sie haben sich<lb/>
selbst in der Gegenwart noch nicht weit von den Verhältnissen, welche Dürer<lb/>
aufstellt, entfernt, und sind der Zeichnung, welche der berühmte Nürnberger<lb/>
Schönschreiber Neudörffer, der Aeltere, nach den Angaben Dürer's ge¬<lb/>
liefert hat, noch nicht so unähnlich geworden, daß eine principielle Umge¬<lb/>
staltung der Schrift angenommen werden könnte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_248"> Diese deutschen Buchstaben gingen sehr bald in die benachbarten Länder über.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_249" next="#ID_250"> Allerdings bildeten die ersten Drucker, welche nach Frankreich kamen,<lb/>
z. B. der Schweizer Ulrich Gering, gleich anderen späteren in richtigem<lb/>
Verständniß ihrer Aufgabe, ihre Typen nach der damals in französischen<lb/>
Handschriften üblichen Schrift (romlcis), welche den alten römischen Schrift¬<lb/>
typus getreuer bewährt zeigte, die großen Buchstaben nicht verschnörkelt, die<lb/>
kleinen aber an den Spitzen entweder gar nicht, oder nur unmerklich gebogen<lb/>
hatte, und die Buchstaben überhaupt mehr rund oder geradlinig als eckig<lb/>
und gebogen zeichnete. Bald gewannen aber durch einige der bedeutendsten<lb/>
Drucker die inzwischen in Deutschland verbesserten Typen, welche man kurz-<lb/>
weg Allemant oder ihrer eckigen Form wegen auch I,Ltti'L8 as kormk<lb/>
nannte, das Uebergewicht, das sie erst im siebenzehnten Jahrhundert, nach¬<lb/>
dem sie eine Zeitlang fast ausschließlich geherrscht hatten, verloren. Schon<lb/>
Michel Vascosan (1530&#x2014;1576) druckte z. B. nur mit gothischer Schrift.<lb/>
Diese fand auch in Italien rasche Verbreitung. Denn obwohl auch hier<lb/>
die ersten Drucker, die Deutschen von Mainz ausgewanderten Werkleute<lb/>
Fühl's und Schöffer's Conrad Swegeheim und Arnold Pannartz<lb/>
ihre ersten Typen ebenso vollständig als meisterhaft dem in gleichzeitig</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0096] ersten Versuchen, namentlich durch das Talent des erfahrenen Schönschreibers, Jlluminirers und Rubricators Schöffer in solchem Grade erzielt wurde, daß eines seiner Werke, das Psalterium vom Jahre 1457, noch jetzt, auch was Schönheit der Typen anbelangt, unsere Bewunderung erregt. Er ge- gestaltete die Typen leichter und gefälliger, und verlieh ihnen neben Einfach¬ heit das rechte Ebenmaß, worauf unabhängig von ihm auch der große Bam- berger Drucker Pfister hinarbeitete. Durch das ganze fünfzehnte Jahrhundert bis ins sechszehnte herein blieben Schöffer's Typen in ihren verschiedenen Größenabstufungen maßgebend, bis endlich nach resultatlosen Versuchen Anderer Albrecht Dürer neue Typen erfand und eine feste Regel für ihren Bau aufstellte. Er gab in seinem oft gedruckten, berühmten Werke: „Unterweisung der Messung mit Zirkel und Richtscheit in Linien, Ebenen und ganzen Körpern" (1525) für die einzelnen Buchstaben die Proportionen an, und stellte dadurch eine Norm auf, welche dem Wesen nach bis auf die Gegenwart in unserer Fracturschrift lebt. Denn so sehr auch in späterer Zeit bis herab auf unsere Tage die Typen in ihren Größenabstufungen verändert worden sind, sie haben sich selbst in der Gegenwart noch nicht weit von den Verhältnissen, welche Dürer aufstellt, entfernt, und sind der Zeichnung, welche der berühmte Nürnberger Schönschreiber Neudörffer, der Aeltere, nach den Angaben Dürer's ge¬ liefert hat, noch nicht so unähnlich geworden, daß eine principielle Umge¬ staltung der Schrift angenommen werden könnte. Diese deutschen Buchstaben gingen sehr bald in die benachbarten Länder über. Allerdings bildeten die ersten Drucker, welche nach Frankreich kamen, z. B. der Schweizer Ulrich Gering, gleich anderen späteren in richtigem Verständniß ihrer Aufgabe, ihre Typen nach der damals in französischen Handschriften üblichen Schrift (romlcis), welche den alten römischen Schrift¬ typus getreuer bewährt zeigte, die großen Buchstaben nicht verschnörkelt, die kleinen aber an den Spitzen entweder gar nicht, oder nur unmerklich gebogen hatte, und die Buchstaben überhaupt mehr rund oder geradlinig als eckig und gebogen zeichnete. Bald gewannen aber durch einige der bedeutendsten Drucker die inzwischen in Deutschland verbesserten Typen, welche man kurz- weg Allemant oder ihrer eckigen Form wegen auch I,Ltti'L8 as kormk nannte, das Uebergewicht, das sie erst im siebenzehnten Jahrhundert, nach¬ dem sie eine Zeitlang fast ausschließlich geherrscht hatten, verloren. Schon Michel Vascosan (1530—1576) druckte z. B. nur mit gothischer Schrift. Diese fand auch in Italien rasche Verbreitung. Denn obwohl auch hier die ersten Drucker, die Deutschen von Mainz ausgewanderten Werkleute Fühl's und Schöffer's Conrad Swegeheim und Arnold Pannartz ihre ersten Typen ebenso vollständig als meisterhaft dem in gleichzeitig

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/96
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/96>, abgerufen am 22.07.2024.