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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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Geschick nachahmte, erweist sich mit dem männlichen Porträt, das wir hier
sehen (Eigenthum des Herrn Arnold in Nürnberg), als des großen Meisters
würdiger Schüler, und Terburg gibt in einem mit seiner grauen, weichen
Manier vorgetragenen viertellebensgroßen Bürgermeisterporträt (Cad. Suer-
mondt) ein treues Abbild der Natur. Zu den vorzüglichen Leistungen hol¬
ländischer Bildnißmalerei gehört auch Metsu's "Brustbild seiner Mutter"
(bei Suermondt), einer alten Dame, die sich das Band ihrer schwarzen Haube
hält; es ist ein Gemälde, in welchem Feinheit der Färbung und breiter Vor¬
trag sich aufs trefflichste verbinden.

Der kürzlich jung verstorbene und sehr betrauerte französische Kunst¬
kritiker Jules Thore-Bürger hat manches Jahr seines Lebens darangesetzt,
die Werke der Van der Meer festzustellen. Wir danken ihm manche Be¬
lehrung über diese Meister, aber er hat die Dunkelheit, die über ihnen schwebt,
nicht beseitigen können. Hier liegen uns fünf Bilder unter jenem Namen
vor: zwei dem Van der Meer von Haarlem. drei dem Van der
Meer von D e ist zugeschrieben, sämmtlich aus dem Cabinet Suermondt und
mit einer einzigen Ausnahme lauter vortreffliche Exemplare. Es ist nicht er¬
sichtlich, nach welchem Gesichtspunkt die Bilder classificirt sind. Nehmen wir
die Stücke, welche dem Haarlemer zugewiesen werden, so finden wir auf einem
die Signatur "I. v. Meer". Es ist eine flach-hügelige sandige Landschaft,
durch ein Stück dunkeln Wald unterbrochen, meisterhaft behandelte Fernsicht,
worauf die Baumpartien und der ausgesogene gelbe Boden mit dem um¬
wölkten Abendhimmel höchst wirkungsvoll contrastiren. Das andere trägt
keine Bezeichnung und ist eine gewöhnliche holländische Stadtansicht mit
Häusern, Mühlen und Schiffen, in der Weise von Ruysdael's Schülern gehalten.
-- Das erste Bild von Van der Meer von Delft, in dem braunen Ton und mit
den lasirten Lichtern Rembrandt's, ist ein enger Hofraum hinter einer Hütte mit
Ziegeldach, Staffage ein "Belleblaser" d. h. ein Junge, der sich mit Seifen¬
blasen erlustigt; das zweite ein Lichteffectstück: schräg einfallende Nachmittags¬
sonne wirft flimmernde Schatten auf Holz- und Mauerwerk des Häuschens;
im linken Vordergrund ein Buchenstamm; dazu ein Paar meisterhaft hingeworfne
Figürchen. Hier wird man theils an Adrian van der Velde. theils an
Ruysdael erinnert. -- Das dritte der Bilder ist bezeichnet "I. v. Ufer". das
Sujet ein Mädchen in gelber Jacke, das in ihrem vom Lichtstrahl beleuchteten
Z'mener vor dem Spiegel stehend sich das Halsband umlegt. Der Maler könnte
fast de Hooghe sein, dessen Namen ein Bild van der Meer's in der Dresdener
Gallerie trägt, das diesem hier sehr ähnelt. Die weichen Lichter und sammtenen
Schatten bekunden großes Talent, die Sauberkeit der Stoffmalereei reicht an
Netscher heran, wenn auch die Vortragsweise feiner und kühner ist. Das Räthsel
lösen zu wollen, welches Bürger-Thore's Scharfsichtigkeit aufgibt, scheint uns


Geschick nachahmte, erweist sich mit dem männlichen Porträt, das wir hier
sehen (Eigenthum des Herrn Arnold in Nürnberg), als des großen Meisters
würdiger Schüler, und Terburg gibt in einem mit seiner grauen, weichen
Manier vorgetragenen viertellebensgroßen Bürgermeisterporträt (Cad. Suer-
mondt) ein treues Abbild der Natur. Zu den vorzüglichen Leistungen hol¬
ländischer Bildnißmalerei gehört auch Metsu's „Brustbild seiner Mutter"
(bei Suermondt), einer alten Dame, die sich das Band ihrer schwarzen Haube
hält; es ist ein Gemälde, in welchem Feinheit der Färbung und breiter Vor¬
trag sich aufs trefflichste verbinden.

Der kürzlich jung verstorbene und sehr betrauerte französische Kunst¬
kritiker Jules Thore-Bürger hat manches Jahr seines Lebens darangesetzt,
die Werke der Van der Meer festzustellen. Wir danken ihm manche Be¬
lehrung über diese Meister, aber er hat die Dunkelheit, die über ihnen schwebt,
nicht beseitigen können. Hier liegen uns fünf Bilder unter jenem Namen
vor: zwei dem Van der Meer von Haarlem. drei dem Van der
Meer von D e ist zugeschrieben, sämmtlich aus dem Cabinet Suermondt und
mit einer einzigen Ausnahme lauter vortreffliche Exemplare. Es ist nicht er¬
sichtlich, nach welchem Gesichtspunkt die Bilder classificirt sind. Nehmen wir
die Stücke, welche dem Haarlemer zugewiesen werden, so finden wir auf einem
die Signatur „I. v. Meer". Es ist eine flach-hügelige sandige Landschaft,
durch ein Stück dunkeln Wald unterbrochen, meisterhaft behandelte Fernsicht,
worauf die Baumpartien und der ausgesogene gelbe Boden mit dem um¬
wölkten Abendhimmel höchst wirkungsvoll contrastiren. Das andere trägt
keine Bezeichnung und ist eine gewöhnliche holländische Stadtansicht mit
Häusern, Mühlen und Schiffen, in der Weise von Ruysdael's Schülern gehalten.
— Das erste Bild von Van der Meer von Delft, in dem braunen Ton und mit
den lasirten Lichtern Rembrandt's, ist ein enger Hofraum hinter einer Hütte mit
Ziegeldach, Staffage ein „Belleblaser" d. h. ein Junge, der sich mit Seifen¬
blasen erlustigt; das zweite ein Lichteffectstück: schräg einfallende Nachmittags¬
sonne wirft flimmernde Schatten auf Holz- und Mauerwerk des Häuschens;
im linken Vordergrund ein Buchenstamm; dazu ein Paar meisterhaft hingeworfne
Figürchen. Hier wird man theils an Adrian van der Velde. theils an
Ruysdael erinnert. — Das dritte der Bilder ist bezeichnet „I. v. Ufer". das
Sujet ein Mädchen in gelber Jacke, das in ihrem vom Lichtstrahl beleuchteten
Z'mener vor dem Spiegel stehend sich das Halsband umlegt. Der Maler könnte
fast de Hooghe sein, dessen Namen ein Bild van der Meer's in der Dresdener
Gallerie trägt, das diesem hier sehr ähnelt. Die weichen Lichter und sammtenen
Schatten bekunden großes Talent, die Sauberkeit der Stoffmalereei reicht an
Netscher heran, wenn auch die Vortragsweise feiner und kühner ist. Das Räthsel
lösen zu wollen, welches Bürger-Thore's Scharfsichtigkeit aufgibt, scheint uns


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/68>, abgerufen am 22.07.2024.