Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.und die Gewandung hat den herkömmlichen knitterigen Fall; aber man kann Ebensowenig vermögen wir für die beiden Bilder aus der Sammlung Vergebens suchen wir nach einem echten Stück von Van der Weyden Die jüngeren holländischen und flämischen Schulen sind ebenfalls nicht Grenzbottn IV. 1869. 8
und die Gewandung hat den herkömmlichen knitterigen Fall; aber man kann Ebensowenig vermögen wir für die beiden Bilder aus der Sammlung Vergebens suchen wir nach einem echten Stück von Van der Weyden Die jüngeren holländischen und flämischen Schulen sind ebenfalls nicht Grenzbottn IV. 1869. 8
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und die Gewandung hat den herkömmlichen knitterigen Fall; aber man kann
schwer glauben, daß Van Eyck so fades Fleisch und so blöde braunrothe
Draperie gemalt haben sollte, abgesehen von der ungewöhnlich falschen Per¬
spektive des Springbrunnens, der seitwärts von Maria angebracht ist. Wir
sind geneigt, das Bild für eine Arbeit des Cristus oder irgend eines anderen
Ateliergenossen Van Eycks zu nehmen. Wenigstens hat diese Madonna viel
nähere Verwandtschaft mit Cristus' Manier, als die Krönung Kaiser Fried¬
richs des III., die hier seinen Namen trägt, und man darf nicht vergessen,
daß Cristus im 13. und nicht im 16. Jahrhundert arbeitete.
Ebensowenig vermögen wir für die beiden Bilder aus der Sammlung
des Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen (Maria und der Verkündigungs¬
engel) Van Eyck's Namen in Anspruch zu nehmen, wie echt auch ihr flämi¬
scher Charakter und wie deutlich das Gepräge der Schule von Brügge ist,
das sie an sich tragen. Beide Bilder rühren von einem Maler her. dessen
Werken man ihre kunstgeschichtliche Stellung angewiesen hat, ehe man von
seinem Namen wußte, den man aber heute als David von Brügge
kennt. Sein Stil bezeichnet hier wie anderwärts die höchste Stufe der Sorg¬
falt und Nettigkeit, seine Carnation ist leuchtend, aber bleich, die Köpfe
zeichnet er groß und oval, Figuren und Extremitäten schlank und sauber.
So beweist seine Manier, wie die Farbe bei aller Fülle doch eisig kalt sein
kann. In seinen bekannteren Bildern thut sich David durch die Vollendung
der Landschaft hervor ; ein Beispiel davon gibt die Taufe Christi in der Aka¬
demie zu Brügge. Und diese Specialität des Malers sowie sein Geschick in
der Behandlung von Baum- und Felsenwerk mit tiefgrünen Tinten und in
kalten Farbenaccorden tritt uns hier in seiner „Verlobung Katharina's" vor
Augen, einer lockeren Composition, welche Maria in zahlreichem Gefolge
heiliger Frauen auf einer Wiese darstellt. Höchst charakteristisch ist der Con¬
trast zwischen dem tief und reich gefärbten Hintergrunde und dem wachs¬
bleichen Fleisch der Figuren, eine Eigenheit, die Mostart nachahmt, aber der
Reiz der Durchführung ist durch umfassendes Abreiben und Retouchiren ver¬
loren gegangen.
Vergebens suchen wir nach einem echten Stück von Van der Weyden
oder Memling. Bosch entschädigt für ihre Abwesenheit nicht, obgleich er
durch zwei unverkennbare Specimina vertreten ist, ein Jüngstes Gericht, sehr
geschickt und fein für diesen Meister, und eine Versuchung des heil. Antonius,
die im Katalog irrthümlich unter dem Namen des alten Breughel auf¬
geführt steht.
Die jüngeren holländischen und flämischen Schulen sind ebenfalls nicht
stark vertreten: Rubens durch eine seiner reichhaltigen virtuosen Entwürfe,
Van Dyck durch eine geistreiche Skizze en griSÄille zur Kreuzigung, Jor-
Grenzbottn IV. 1869. 8
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