Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

than. Ein Mann, wie es der inzwischen verstorbene und durch den bis¬
herigen Oberapvellationsgerichtsrath Buchka ersetzte Staatsminister von
Schröter war, verliert das Ziel nicht aus den Augen, das eine so feste
Ueberzeugung ihm vorstecken mußte, und doch ist diese für die Rechtspflege
wichtigste Angelegenheit ganz in Stillstand gerathen. "Wieviel mittler Weile
auch im Einzelnen gebessert ist. schrieb Trotsche a. a. O. im April 1866, von
der Hauptaufgabe sind die Blicke nicht abgeleitet worden, und gegenwärtig
richten sie sich auf die in Hannover berathende Commission zur Abfassung
einer Civilproceßordnung für die deutschen Bundesstaaten/' -- Daß die
Arbeit der hannoverschen Commission durch die Ereignisse, die wenige Mo¬
nate später Deutschland umgestalteten, werde unterbrochen werden, konnte
Trotsche nicht ahnen, noch weniger aber, daß uns gleichwohl eine neue Pro¬
ceßordnung im modernen Sinne bevorstand, deren Einführung nicht mehr,
wie der hannoversche Entwurf, von der Zustimmung der Stände abhängt.
Und weniger noch mochten die Stände dergleichen voraussehn, die doch schon
im Herbste desselben Jahres auf dem außerordentlichen Landtage zu Schwerin
über die Grundzüge des von Preußen vorgeschlagenen Bündnisses zu ver¬
handeln hatten. Wenn die dadurch drohende Beschränkung ihrer Pri¬
vilegien schon im Allgemeinen mannigfache, zum Theil ausdrücklich als Be¬
dingung der Genehmigung des Bündnisses formulirte "Bedenken" hervorrief,
ohne daß sie freilich zu widersprechen wagten, noch auch von der Regierung
ihre Bedingungen als zulässig anerkannt wurden, so war die in Aussicht ge¬
stellte einheitliche Organisation der Gerichtsverfassung :c, nicht der geringste
Stein des Anstoßes, den sie auf dem Wege zum neuen Bund erblickten.
Aber damals herrschte in ihren Kreisen noch vielfach die Hoffnung, daß es
mit den in Aussicht genommenen Reformen -- nach Art des alten Bundes --
nicht gar so ernst gemeint sei, geschweige denn schnell gehen werde. Selbst
als im folgenden Jahre die norddeutsche Bundesverfassung zur Thatsache ge¬
worden war, täuschte man sich noch vielfach über die Tragweite ihrer Con-
sequenzen und glaubte mindestens auf eine angemessene Entschädigung rech¬
nen zu dürfen, wenn hier und da ein Privileg dem Bunde geopfert werden
müsse. So wurde namentlich auch die Hoffnung gehegt, daß es zur Auf¬
hebung der Gerichtsbarkeit nicht so bald kommen werde, und der Magistrat
einer mecklenburgischen Seestadt, dessen Bürgermeisterdiener bis auf den heu¬
tigen Tag als Symbol der eigenen Criminal- und Civilgerichtsbarkeit einen
scharlach resp, blauen Mantel a la clomivo tragen, sprach in seinen Verhand¬
lungen mit den Bürgerrepräsentanten geradezu die Erwartung aus. daß die
Regierung die Inhaber derselben -- nämlich der Gerichtsbarkeit, nicht der
Mäntel, denn diese wird man voraussichtlich als historisch berechtigte Eigen¬
thümlichkeit und Zeichen früherer Herrlichkeit conserviren -- für das ihnen


than. Ein Mann, wie es der inzwischen verstorbene und durch den bis¬
herigen Oberapvellationsgerichtsrath Buchka ersetzte Staatsminister von
Schröter war, verliert das Ziel nicht aus den Augen, das eine so feste
Ueberzeugung ihm vorstecken mußte, und doch ist diese für die Rechtspflege
wichtigste Angelegenheit ganz in Stillstand gerathen. „Wieviel mittler Weile
auch im Einzelnen gebessert ist. schrieb Trotsche a. a. O. im April 1866, von
der Hauptaufgabe sind die Blicke nicht abgeleitet worden, und gegenwärtig
richten sie sich auf die in Hannover berathende Commission zur Abfassung
einer Civilproceßordnung für die deutschen Bundesstaaten/' — Daß die
Arbeit der hannoverschen Commission durch die Ereignisse, die wenige Mo¬
nate später Deutschland umgestalteten, werde unterbrochen werden, konnte
Trotsche nicht ahnen, noch weniger aber, daß uns gleichwohl eine neue Pro¬
ceßordnung im modernen Sinne bevorstand, deren Einführung nicht mehr,
wie der hannoversche Entwurf, von der Zustimmung der Stände abhängt.
Und weniger noch mochten die Stände dergleichen voraussehn, die doch schon
im Herbste desselben Jahres auf dem außerordentlichen Landtage zu Schwerin
über die Grundzüge des von Preußen vorgeschlagenen Bündnisses zu ver¬
handeln hatten. Wenn die dadurch drohende Beschränkung ihrer Pri¬
vilegien schon im Allgemeinen mannigfache, zum Theil ausdrücklich als Be¬
dingung der Genehmigung des Bündnisses formulirte „Bedenken" hervorrief,
ohne daß sie freilich zu widersprechen wagten, noch auch von der Regierung
ihre Bedingungen als zulässig anerkannt wurden, so war die in Aussicht ge¬
stellte einheitliche Organisation der Gerichtsverfassung :c, nicht der geringste
Stein des Anstoßes, den sie auf dem Wege zum neuen Bund erblickten.
Aber damals herrschte in ihren Kreisen noch vielfach die Hoffnung, daß es
mit den in Aussicht genommenen Reformen — nach Art des alten Bundes —
nicht gar so ernst gemeint sei, geschweige denn schnell gehen werde. Selbst
als im folgenden Jahre die norddeutsche Bundesverfassung zur Thatsache ge¬
worden war, täuschte man sich noch vielfach über die Tragweite ihrer Con-
sequenzen und glaubte mindestens auf eine angemessene Entschädigung rech¬
nen zu dürfen, wenn hier und da ein Privileg dem Bunde geopfert werden
müsse. So wurde namentlich auch die Hoffnung gehegt, daß es zur Auf¬
hebung der Gerichtsbarkeit nicht so bald kommen werde, und der Magistrat
einer mecklenburgischen Seestadt, dessen Bürgermeisterdiener bis auf den heu¬
tigen Tag als Symbol der eigenen Criminal- und Civilgerichtsbarkeit einen
scharlach resp, blauen Mantel a la clomivo tragen, sprach in seinen Verhand¬
lungen mit den Bürgerrepräsentanten geradezu die Erwartung aus. daß die
Regierung die Inhaber derselben — nämlich der Gerichtsbarkeit, nicht der
Mäntel, denn diese wird man voraussichtlich als historisch berechtigte Eigen¬
thümlichkeit und Zeichen früherer Herrlichkeit conserviren — für das ihnen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0058" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121813"/>
          <p xml:id="ID_140" prev="#ID_139" next="#ID_141"> than.  Ein Mann, wie es der inzwischen verstorbene und durch den bis¬<lb/>
herigen Oberapvellationsgerichtsrath Buchka  ersetzte  Staatsminister von<lb/>
Schröter war, verliert das Ziel nicht aus den Augen, das eine so feste<lb/>
Ueberzeugung ihm vorstecken mußte, und doch ist diese für die Rechtspflege<lb/>
wichtigste Angelegenheit ganz in Stillstand gerathen. &#x201E;Wieviel mittler Weile<lb/>
auch im Einzelnen gebessert ist. schrieb Trotsche a. a. O. im April 1866, von<lb/>
der Hauptaufgabe sind die Blicke nicht abgeleitet worden, und gegenwärtig<lb/>
richten sie sich auf die in Hannover berathende Commission zur Abfassung<lb/>
einer Civilproceßordnung für die deutschen Bundesstaaten/' &#x2014; Daß die<lb/>
Arbeit der hannoverschen Commission durch die Ereignisse, die wenige Mo¬<lb/>
nate später Deutschland umgestalteten, werde unterbrochen werden, konnte<lb/>
Trotsche nicht ahnen, noch weniger aber, daß uns gleichwohl eine neue Pro¬<lb/>
ceßordnung im modernen Sinne bevorstand, deren Einführung nicht mehr,<lb/>
wie der hannoversche Entwurf, von der Zustimmung der Stände abhängt.<lb/>
Und weniger noch mochten die Stände dergleichen voraussehn, die doch schon<lb/>
im Herbste desselben Jahres auf dem außerordentlichen Landtage zu Schwerin<lb/>
über die Grundzüge des von Preußen vorgeschlagenen Bündnisses zu ver¬<lb/>
handeln hatten.  Wenn die dadurch drohende Beschränkung ihrer Pri¬<lb/>
vilegien schon im Allgemeinen mannigfache, zum Theil ausdrücklich als Be¬<lb/>
dingung der Genehmigung des Bündnisses formulirte &#x201E;Bedenken" hervorrief,<lb/>
ohne daß sie freilich zu widersprechen wagten, noch auch von der Regierung<lb/>
ihre Bedingungen als zulässig anerkannt wurden, so war die in Aussicht ge¬<lb/>
stellte einheitliche Organisation der Gerichtsverfassung :c, nicht der geringste<lb/>
Stein des Anstoßes, den sie auf dem Wege zum neuen Bund erblickten.<lb/>
Aber damals herrschte in ihren Kreisen noch vielfach die Hoffnung, daß es<lb/>
mit den in Aussicht genommenen Reformen &#x2014; nach Art des alten Bundes &#x2014;<lb/>
nicht gar so ernst gemeint sei, geschweige denn schnell gehen werde. Selbst<lb/>
als im folgenden Jahre die norddeutsche Bundesverfassung zur Thatsache ge¬<lb/>
worden war, täuschte man sich noch vielfach über die Tragweite ihrer Con-<lb/>
sequenzen und glaubte mindestens auf eine angemessene Entschädigung rech¬<lb/>
nen zu dürfen, wenn hier und da ein Privileg dem Bunde geopfert werden<lb/>
müsse.  So wurde namentlich auch die Hoffnung gehegt, daß es zur Auf¬<lb/>
hebung der Gerichtsbarkeit nicht so bald kommen werde, und der Magistrat<lb/>
einer mecklenburgischen Seestadt, dessen Bürgermeisterdiener bis auf den heu¬<lb/>
tigen Tag als Symbol der eigenen Criminal- und Civilgerichtsbarkeit einen<lb/>
scharlach resp, blauen Mantel a la clomivo tragen, sprach in seinen Verhand¬<lb/>
lungen mit den Bürgerrepräsentanten geradezu die Erwartung aus. daß die<lb/>
Regierung die Inhaber derselben &#x2014; nämlich der Gerichtsbarkeit, nicht der<lb/>
Mäntel, denn diese wird man voraussichtlich als historisch berechtigte Eigen¬<lb/>
thümlichkeit und Zeichen früherer Herrlichkeit conserviren &#x2014; für das ihnen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0058] than. Ein Mann, wie es der inzwischen verstorbene und durch den bis¬ herigen Oberapvellationsgerichtsrath Buchka ersetzte Staatsminister von Schröter war, verliert das Ziel nicht aus den Augen, das eine so feste Ueberzeugung ihm vorstecken mußte, und doch ist diese für die Rechtspflege wichtigste Angelegenheit ganz in Stillstand gerathen. „Wieviel mittler Weile auch im Einzelnen gebessert ist. schrieb Trotsche a. a. O. im April 1866, von der Hauptaufgabe sind die Blicke nicht abgeleitet worden, und gegenwärtig richten sie sich auf die in Hannover berathende Commission zur Abfassung einer Civilproceßordnung für die deutschen Bundesstaaten/' — Daß die Arbeit der hannoverschen Commission durch die Ereignisse, die wenige Mo¬ nate später Deutschland umgestalteten, werde unterbrochen werden, konnte Trotsche nicht ahnen, noch weniger aber, daß uns gleichwohl eine neue Pro¬ ceßordnung im modernen Sinne bevorstand, deren Einführung nicht mehr, wie der hannoversche Entwurf, von der Zustimmung der Stände abhängt. Und weniger noch mochten die Stände dergleichen voraussehn, die doch schon im Herbste desselben Jahres auf dem außerordentlichen Landtage zu Schwerin über die Grundzüge des von Preußen vorgeschlagenen Bündnisses zu ver¬ handeln hatten. Wenn die dadurch drohende Beschränkung ihrer Pri¬ vilegien schon im Allgemeinen mannigfache, zum Theil ausdrücklich als Be¬ dingung der Genehmigung des Bündnisses formulirte „Bedenken" hervorrief, ohne daß sie freilich zu widersprechen wagten, noch auch von der Regierung ihre Bedingungen als zulässig anerkannt wurden, so war die in Aussicht ge¬ stellte einheitliche Organisation der Gerichtsverfassung :c, nicht der geringste Stein des Anstoßes, den sie auf dem Wege zum neuen Bund erblickten. Aber damals herrschte in ihren Kreisen noch vielfach die Hoffnung, daß es mit den in Aussicht genommenen Reformen — nach Art des alten Bundes — nicht gar so ernst gemeint sei, geschweige denn schnell gehen werde. Selbst als im folgenden Jahre die norddeutsche Bundesverfassung zur Thatsache ge¬ worden war, täuschte man sich noch vielfach über die Tragweite ihrer Con- sequenzen und glaubte mindestens auf eine angemessene Entschädigung rech¬ nen zu dürfen, wenn hier und da ein Privileg dem Bunde geopfert werden müsse. So wurde namentlich auch die Hoffnung gehegt, daß es zur Auf¬ hebung der Gerichtsbarkeit nicht so bald kommen werde, und der Magistrat einer mecklenburgischen Seestadt, dessen Bürgermeisterdiener bis auf den heu¬ tigen Tag als Symbol der eigenen Criminal- und Civilgerichtsbarkeit einen scharlach resp, blauen Mantel a la clomivo tragen, sprach in seinen Verhand¬ lungen mit den Bürgerrepräsentanten geradezu die Erwartung aus. daß die Regierung die Inhaber derselben — nämlich der Gerichtsbarkeit, nicht der Mäntel, denn diese wird man voraussichtlich als historisch berechtigte Eigen¬ thümlichkeit und Zeichen früherer Herrlichkeit conserviren — für das ihnen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/58
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/58>, abgerufen am 24.08.2024.