Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.zialsynoden die beklagenswerte Lage unserer kirchlichen Verhältnisse einmal Der Grundsatz des Streichens konnte bei dem Cultusetat überhaupt Grenzboten IV. 1869 64
zialsynoden die beklagenswerte Lage unserer kirchlichen Verhältnisse einmal Der Grundsatz des Streichens konnte bei dem Cultusetat überhaupt Grenzboten IV. 1869 64
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0433" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/122188"/> <p xml:id="ID_1225" prev="#ID_1224"> zialsynoden die beklagenswerte Lage unserer kirchlichen Verhältnisse einmal<lb/> wieder in drastischer Weise an den Tag gelegt und die Unzufriedenheit mit<lb/> dem kirchlichen Regiments noch verstärkt hatte. In der That wurden diese<lb/> Synoden fast einstimmig verurtheilt, und es fand sich Niemand, der die Vor¬<lb/> schlagslisten und das darin enthaltene Princip einer Scheinvertretung der Ge¬<lb/> meinden zu rechtfertigen wagte. Der Hoverveck'sche Antrag ist nichts desto-<lb/> weniger von der Majorität des Hauses verworfen worden, und, wie wir<lb/> glauben, mit Recht. Es ist keine Frage, daß der Oberkirchenrath als eine<lb/> selbständige Vertretung der Kirche nicht gelten kann, daß derselbe vielmehr<lb/> die Unabhängigkeit der Gemeinden beeinträchtigt und daß er sich den Rechten<lb/> derselben stets feindselig gezeigt hat. Ebenso ist es richtig, daß diese Behörde<lb/> von Anfang an nur eine provisorische Schöpfung war und daß sie 1850 nur<lb/> auf dem Wege der Verordnung eingeführt wurde. Trotzdem sind von dem<lb/> Landtage fortwährend die Gelder dafür bewilligt worden. Weder bei der<lb/> Organisation der kirchlichen Gemeindeordnung und der Kreissynoden in den<lb/> Jahren 1860 und 1861, noch später in der Conflictszeit hat man die Mittel<lb/> zu seiner Unterhaltung versagt. Diesen Bewilligungen gegenüber konnte man<lb/> sich also nachträglich auf die rechtliche Ungiltigkeit der Verordnung von 18S0<lb/> nicht berufen. Aber auch hiervon abgesehen mußte ein Beschluß bedenklich<lb/> erscheinen, der einen vereinzelten Streich geführt hätte, während doch das<lb/> ganze System gemeint war. Es hatte, ernstlich erwogen, keinen Sinn, das<lb/> übrige Gebäude stehen zu lassen und gerade an dieser Stelle einen Einbruch<lb/> zu versuchen, und diese Erwägung mußte durchschlagen, sie mußte, es umso-<lb/> mehr, als es sich um eine extreme Maßregel handelte, die ihrer Natur nach<lb/> nur als ein letztes Mittel angesehen werden kann und die sich am wenigsten<lb/> zu einer so improvisirten und gewissermaßen gelegentlichen Beschlußnahme<lb/> eignete.</p><lb/> <p xml:id="ID_1226" next="#ID_1227"> Der Grundsatz des Streichens konnte bei dem Cultusetat überhaupt<lb/> nur in sehr beschränktem Umfange zur Geltung kommen, da die Bedürfnisse<lb/> auf diesem Gebiete besonders dringend sind und man nicht gegen den Mi¬<lb/> nister Opposition machen durfte auf Kosten der Lehrer und zum Schaden<lb/> der Schulen. Das Haus hat sich daher damit begnügt, solche Posten abzu¬<lb/> setzen, bei denen entweder jene Interessen nicht in Betracht kamen, oder wo die<lb/> Ausübung eines bestimmten Druckes beabsichtigt wurde. So sind unter An¬<lb/> derem die für das Gesammtconsistorium in Hessen geforderten Gelder, ferner<lb/> der Staatszuschuß zu dem katholischen Lehrerseminar in Osnabrück und die<lb/> für den Superintendenten Uhlhorn an der Schloßkirche zu Hannover aus¬<lb/> geworfene Summe gestrichen worden. Diese letzte Absetzung schien nament¬<lb/> lich dringend geboten. Denn nirgend zeigt es sich so deutlich, wie in Han¬<lb/> nover, welche traurigen Früchte die Verwaltung des Cultusministers gezei-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1869 64</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0433]
zialsynoden die beklagenswerte Lage unserer kirchlichen Verhältnisse einmal
wieder in drastischer Weise an den Tag gelegt und die Unzufriedenheit mit
dem kirchlichen Regiments noch verstärkt hatte. In der That wurden diese
Synoden fast einstimmig verurtheilt, und es fand sich Niemand, der die Vor¬
schlagslisten und das darin enthaltene Princip einer Scheinvertretung der Ge¬
meinden zu rechtfertigen wagte. Der Hoverveck'sche Antrag ist nichts desto-
weniger von der Majorität des Hauses verworfen worden, und, wie wir
glauben, mit Recht. Es ist keine Frage, daß der Oberkirchenrath als eine
selbständige Vertretung der Kirche nicht gelten kann, daß derselbe vielmehr
die Unabhängigkeit der Gemeinden beeinträchtigt und daß er sich den Rechten
derselben stets feindselig gezeigt hat. Ebenso ist es richtig, daß diese Behörde
von Anfang an nur eine provisorische Schöpfung war und daß sie 1850 nur
auf dem Wege der Verordnung eingeführt wurde. Trotzdem sind von dem
Landtage fortwährend die Gelder dafür bewilligt worden. Weder bei der
Organisation der kirchlichen Gemeindeordnung und der Kreissynoden in den
Jahren 1860 und 1861, noch später in der Conflictszeit hat man die Mittel
zu seiner Unterhaltung versagt. Diesen Bewilligungen gegenüber konnte man
sich also nachträglich auf die rechtliche Ungiltigkeit der Verordnung von 18S0
nicht berufen. Aber auch hiervon abgesehen mußte ein Beschluß bedenklich
erscheinen, der einen vereinzelten Streich geführt hätte, während doch das
ganze System gemeint war. Es hatte, ernstlich erwogen, keinen Sinn, das
übrige Gebäude stehen zu lassen und gerade an dieser Stelle einen Einbruch
zu versuchen, und diese Erwägung mußte durchschlagen, sie mußte, es umso-
mehr, als es sich um eine extreme Maßregel handelte, die ihrer Natur nach
nur als ein letztes Mittel angesehen werden kann und die sich am wenigsten
zu einer so improvisirten und gewissermaßen gelegentlichen Beschlußnahme
eignete.
Der Grundsatz des Streichens konnte bei dem Cultusetat überhaupt
nur in sehr beschränktem Umfange zur Geltung kommen, da die Bedürfnisse
auf diesem Gebiete besonders dringend sind und man nicht gegen den Mi¬
nister Opposition machen durfte auf Kosten der Lehrer und zum Schaden
der Schulen. Das Haus hat sich daher damit begnügt, solche Posten abzu¬
setzen, bei denen entweder jene Interessen nicht in Betracht kamen, oder wo die
Ausübung eines bestimmten Druckes beabsichtigt wurde. So sind unter An¬
derem die für das Gesammtconsistorium in Hessen geforderten Gelder, ferner
der Staatszuschuß zu dem katholischen Lehrerseminar in Osnabrück und die
für den Superintendenten Uhlhorn an der Schloßkirche zu Hannover aus¬
geworfene Summe gestrichen worden. Diese letzte Absetzung schien nament¬
lich dringend geboten. Denn nirgend zeigt es sich so deutlich, wie in Han¬
nover, welche traurigen Früchte die Verwaltung des Cultusministers gezei-
Grenzboten IV. 1869 64
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