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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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Rechtsgefühl des ganzen Landes wird dadurch in der schroffsten Weise be¬
leidigt; denen aber, die der Regierung grundsätzlich übel wollen, wird damit
aufs Neue eine wirksame Waffe des Angriffs und der Verdächtigung in die
Hand gegeben. Wie leicht wären diese Folgen noch jetzt abzuwenden, wenn
man sich einfach entschließen wollte, das Geschehene zu desavouiren und das
Denkmal wieder aufzurichten!

Graf Eulenburg konnte sich in der Sitzung vom 26. davon überzeugen,
eine wie nachhaltige Verstimmung die Beantwortung der Jnterpellation und
namentlich seine eigenen Aeußerungen in dieser Angelegenheit erzeugt haben.
Er fühlte selbst wohl die Nothwendigkeit, den Eindruck seiner Rede zu ver¬
wischen. Denn er hat es an versöhnlichen Worten nicht fehlen lassen. Wir
können nur wünschen, daß dieses Einlenken aufrichtig gemeint ist und daß die
Regierung nachträglich Anstalten treffen möge, um dem gekränkten Rechts¬
gefühle die erforderliche Genugthu-ung zu verschaffen und dadurch den Glau¬
ben an die Loyalität ihrer Gesinnungen wiederherzustellen. In einem Mo¬
ment, wo es sich um so wichtige Dinge, wie das Zustandekommen der Kreisord¬
nung handelt, ist auf beiden Seiten ein gewisses Maß von gegenseitigem Vertrauen
nicht zu entbehren, und dieses Vertrauen darf nicht durch Erfahrungen, w^
diese letzte, alle Augenblicke erschüttert werden. Das Entgegenkommen der
Regierung in der Frage der Stellvertretungskosten für die zu Abgeordneten
gewählten Beamten, die früher so viele unangenehme Erörterungen veran¬
laßt hat, ist von der Mehrheit des Hauses als ein versöhnlicher Schritt be¬
grüßt und gern als solcher anerkannt worden. Dergleichen Concessionen
können aber nur dann von Werth sein, wenn sie von einer gleichmäßigen
und vertrauenerweckenden Haltung der Regierung begleitet sind und nicht
immer wieder der Saame des Mißtrauens gesäet wird. Der fortdauernde
Zwiespalt, in dem sich die Verwaltung des Cultusministers der Volksver¬
tretung gegenüber befindet, macht so schon in dem Hause und außerhalb des¬
selben böses Blut genug. Die sehr bewegte Sitzung vom 27., auf die zu¬
rückzukommen sich später noch Anlaß bieten wird, hat wiedermal Oel in's
Feuer gegossen und den Gegensatz in seiner ganzen Schroffheit hervortreten
lassen.

Die Etatsdebatte rückt im Ganzen nur langsam vor, und es ist kaum
abzusehen, wie neben der gegenwärtig unterbrochenen Berathung der Kreis¬
ordnung noch so viele andere Ausgaben bewältigt werden sollen, da die
Kräfte des Hauses bereits auf's Aeußerste angespannt sind, und die Gegen¬
stände, die noch zu erledigen bleiben, zum Theil, wie die Finanzfrage, um
ihrer Bedeutung willen eine sehr gründliche und zeitraubende Behandlung
verlangen. Ob das Camphausen'sche Consolidationsproject angenommen
werden oder ob man für diesmal andere Mittel zur Deckung des Deficit's


Rechtsgefühl des ganzen Landes wird dadurch in der schroffsten Weise be¬
leidigt; denen aber, die der Regierung grundsätzlich übel wollen, wird damit
aufs Neue eine wirksame Waffe des Angriffs und der Verdächtigung in die
Hand gegeben. Wie leicht wären diese Folgen noch jetzt abzuwenden, wenn
man sich einfach entschließen wollte, das Geschehene zu desavouiren und das
Denkmal wieder aufzurichten!

Graf Eulenburg konnte sich in der Sitzung vom 26. davon überzeugen,
eine wie nachhaltige Verstimmung die Beantwortung der Jnterpellation und
namentlich seine eigenen Aeußerungen in dieser Angelegenheit erzeugt haben.
Er fühlte selbst wohl die Nothwendigkeit, den Eindruck seiner Rede zu ver¬
wischen. Denn er hat es an versöhnlichen Worten nicht fehlen lassen. Wir
können nur wünschen, daß dieses Einlenken aufrichtig gemeint ist und daß die
Regierung nachträglich Anstalten treffen möge, um dem gekränkten Rechts¬
gefühle die erforderliche Genugthu-ung zu verschaffen und dadurch den Glau¬
ben an die Loyalität ihrer Gesinnungen wiederherzustellen. In einem Mo¬
ment, wo es sich um so wichtige Dinge, wie das Zustandekommen der Kreisord¬
nung handelt, ist auf beiden Seiten ein gewisses Maß von gegenseitigem Vertrauen
nicht zu entbehren, und dieses Vertrauen darf nicht durch Erfahrungen, w^
diese letzte, alle Augenblicke erschüttert werden. Das Entgegenkommen der
Regierung in der Frage der Stellvertretungskosten für die zu Abgeordneten
gewählten Beamten, die früher so viele unangenehme Erörterungen veran¬
laßt hat, ist von der Mehrheit des Hauses als ein versöhnlicher Schritt be¬
grüßt und gern als solcher anerkannt worden. Dergleichen Concessionen
können aber nur dann von Werth sein, wenn sie von einer gleichmäßigen
und vertrauenerweckenden Haltung der Regierung begleitet sind und nicht
immer wieder der Saame des Mißtrauens gesäet wird. Der fortdauernde
Zwiespalt, in dem sich die Verwaltung des Cultusministers der Volksver¬
tretung gegenüber befindet, macht so schon in dem Hause und außerhalb des¬
selben böses Blut genug. Die sehr bewegte Sitzung vom 27., auf die zu¬
rückzukommen sich später noch Anlaß bieten wird, hat wiedermal Oel in's
Feuer gegossen und den Gegensatz in seiner ganzen Schroffheit hervortreten
lassen.

Die Etatsdebatte rückt im Ganzen nur langsam vor, und es ist kaum
abzusehen, wie neben der gegenwärtig unterbrochenen Berathung der Kreis¬
ordnung noch so viele andere Ausgaben bewältigt werden sollen, da die
Kräfte des Hauses bereits auf's Aeußerste angespannt sind, und die Gegen¬
stände, die noch zu erledigen bleiben, zum Theil, wie die Finanzfrage, um
ihrer Bedeutung willen eine sehr gründliche und zeitraubende Behandlung
verlangen. Ob das Camphausen'sche Consolidationsproject angenommen
werden oder ob man für diesmal andere Mittel zur Deckung des Deficit's


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[0406] Rechtsgefühl des ganzen Landes wird dadurch in der schroffsten Weise be¬ leidigt; denen aber, die der Regierung grundsätzlich übel wollen, wird damit aufs Neue eine wirksame Waffe des Angriffs und der Verdächtigung in die Hand gegeben. Wie leicht wären diese Folgen noch jetzt abzuwenden, wenn man sich einfach entschließen wollte, das Geschehene zu desavouiren und das Denkmal wieder aufzurichten! Graf Eulenburg konnte sich in der Sitzung vom 26. davon überzeugen, eine wie nachhaltige Verstimmung die Beantwortung der Jnterpellation und namentlich seine eigenen Aeußerungen in dieser Angelegenheit erzeugt haben. Er fühlte selbst wohl die Nothwendigkeit, den Eindruck seiner Rede zu ver¬ wischen. Denn er hat es an versöhnlichen Worten nicht fehlen lassen. Wir können nur wünschen, daß dieses Einlenken aufrichtig gemeint ist und daß die Regierung nachträglich Anstalten treffen möge, um dem gekränkten Rechts¬ gefühle die erforderliche Genugthu-ung zu verschaffen und dadurch den Glau¬ ben an die Loyalität ihrer Gesinnungen wiederherzustellen. In einem Mo¬ ment, wo es sich um so wichtige Dinge, wie das Zustandekommen der Kreisord¬ nung handelt, ist auf beiden Seiten ein gewisses Maß von gegenseitigem Vertrauen nicht zu entbehren, und dieses Vertrauen darf nicht durch Erfahrungen, w^ diese letzte, alle Augenblicke erschüttert werden. Das Entgegenkommen der Regierung in der Frage der Stellvertretungskosten für die zu Abgeordneten gewählten Beamten, die früher so viele unangenehme Erörterungen veran¬ laßt hat, ist von der Mehrheit des Hauses als ein versöhnlicher Schritt be¬ grüßt und gern als solcher anerkannt worden. Dergleichen Concessionen können aber nur dann von Werth sein, wenn sie von einer gleichmäßigen und vertrauenerweckenden Haltung der Regierung begleitet sind und nicht immer wieder der Saame des Mißtrauens gesäet wird. Der fortdauernde Zwiespalt, in dem sich die Verwaltung des Cultusministers der Volksver¬ tretung gegenüber befindet, macht so schon in dem Hause und außerhalb des¬ selben böses Blut genug. Die sehr bewegte Sitzung vom 27., auf die zu¬ rückzukommen sich später noch Anlaß bieten wird, hat wiedermal Oel in's Feuer gegossen und den Gegensatz in seiner ganzen Schroffheit hervortreten lassen. Die Etatsdebatte rückt im Ganzen nur langsam vor, und es ist kaum abzusehen, wie neben der gegenwärtig unterbrochenen Berathung der Kreis¬ ordnung noch so viele andere Ausgaben bewältigt werden sollen, da die Kräfte des Hauses bereits auf's Aeußerste angespannt sind, und die Gegen¬ stände, die noch zu erledigen bleiben, zum Theil, wie die Finanzfrage, um ihrer Bedeutung willen eine sehr gründliche und zeitraubende Behandlung verlangen. Ob das Camphausen'sche Consolidationsproject angenommen werden oder ob man für diesmal andere Mittel zur Deckung des Deficit's

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/406>, abgerufen am 15.01.2025.