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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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bekommen; indem er diese Sachen kauft tritt er freiwillig in die Reihe der
Steuerzahler. Demnach kommen für inländische Abgaben in Deutschland
wesentlich in Betracht: Branntwein, Wein, Bier. Rübenzucker und Tabak,
von den Abgaben auf ausländische Waaren, den Zöllen, besonders die, welche
die Artikel allgemeiner Consumtion betreffen. Nach diesen Gesichtspunkten
find die indirecten Steuern in England bemessen, wo sie über 40 Mill. Pfd. sei.
einbringen. Was Deutschland betrifft, so hat erst kürzlich der Finanzminister
Camphausen auf die Stagnation hingewiesen, in der sich die indirecten Ab¬
gaben des Zollvereines befinden; die Schwierigkeiten einer Reform sind groß,
seitdem der günstige Moment eine solche zu octroyiren 1866--1867 ungenutzt
vorübergegangen; nichts destoweniger muß es versucht werden, denn der Mi߬
stand ist schreiend und bei einigermaßen richtig veranlagten Verbrauchsab¬
gaben würde reichlich das doppelte an Einkünften aufgebracht werden können.

Es gehört dazu allerdings, daß man gründlich mit dem Schutzzollsystem
bricht, welches unter dem trügerischen Namen des Schutzes der nationalen
Arbeit zu Gunsten weniger Producenten allen Consumenten die Bedürfnisse
vertheuert. Sämmtliche Zölle müssen benach ausschließlich vom finanziellen
Gesichtspunkt normirt werden, also zunächst für alle Rohstoffe abgeschafft
werden, für alle Halbfabrikate sehr niedrig bemessen, für die Ganzfabrikate
so bemessen werden, daß sie wirklich einträglich sind und nicht die Einfuhr
fremder Waaren zu Gunsten der eigenen hemmen. Ganz ungeheuerlich ist
der Gedanke Eisenbart's, der sonst in diesen Fragen so klar sieht, hohe Zölle
auf feinere Gewebe bestehen zu lassen und die analogen Erzeugnisse des In¬
lands mit Verbrauchsabgaben zu belegen, weil Luxus in Kleidern doch ebenso
zu besteuern sei, wie in Nahrungsmitteln. Das ist theoretisch ganz richtig,
aber hat der Verfasser wohl sich klar gemacht, wie eine solche Abgabe zu
erheben wäre? Müßte man nicht in jede Fabrik, ja bei jedem Einzelwebstuhl
oder jeder Spitzenklöpplerin einen Steuerbeamten hinstellen? -- Hinsichtlich der
inneren Abgaben müssen wir uns in Deutschland mit der Nothwendigkeit
einer erheblichen Erhöhung der Steuern von Branntwein, Bier und Tabak
vertraut machen; diese wird auch durchaus nicht drückend sein, wenn Hand
in Hand damit die Aufhebung der Schutzzölle und der Classensteuer geht.

Hiemit kommen wir auf die letzte Hauptsteuer -- die Einkommensteuer,
welche nach Ueberweisung der Grundsteuer an das Selfgovernment, der Auf¬
hebung der Gewerbesteuer und der Classensteuer, nicht vom Staate entbehrt
werden kann, vielmehr berufen ist demselben einem bedeutenden Ertrag zu
liefern. Auch hier soll das Existenzminimum steuerfrei bleiben, wir wollen
es auf 300 Thaler Jahreseinnahme fixiren; über die Nothwendigkeit einer
solchen Grenze ist auch kaum ein Streit, aber umsomehr über die Veranlegung
und Erhebung der Steuer bei den Pflichtigen.


bekommen; indem er diese Sachen kauft tritt er freiwillig in die Reihe der
Steuerzahler. Demnach kommen für inländische Abgaben in Deutschland
wesentlich in Betracht: Branntwein, Wein, Bier. Rübenzucker und Tabak,
von den Abgaben auf ausländische Waaren, den Zöllen, besonders die, welche
die Artikel allgemeiner Consumtion betreffen. Nach diesen Gesichtspunkten
find die indirecten Steuern in England bemessen, wo sie über 40 Mill. Pfd. sei.
einbringen. Was Deutschland betrifft, so hat erst kürzlich der Finanzminister
Camphausen auf die Stagnation hingewiesen, in der sich die indirecten Ab¬
gaben des Zollvereines befinden; die Schwierigkeiten einer Reform sind groß,
seitdem der günstige Moment eine solche zu octroyiren 1866—1867 ungenutzt
vorübergegangen; nichts destoweniger muß es versucht werden, denn der Mi߬
stand ist schreiend und bei einigermaßen richtig veranlagten Verbrauchsab¬
gaben würde reichlich das doppelte an Einkünften aufgebracht werden können.

Es gehört dazu allerdings, daß man gründlich mit dem Schutzzollsystem
bricht, welches unter dem trügerischen Namen des Schutzes der nationalen
Arbeit zu Gunsten weniger Producenten allen Consumenten die Bedürfnisse
vertheuert. Sämmtliche Zölle müssen benach ausschließlich vom finanziellen
Gesichtspunkt normirt werden, also zunächst für alle Rohstoffe abgeschafft
werden, für alle Halbfabrikate sehr niedrig bemessen, für die Ganzfabrikate
so bemessen werden, daß sie wirklich einträglich sind und nicht die Einfuhr
fremder Waaren zu Gunsten der eigenen hemmen. Ganz ungeheuerlich ist
der Gedanke Eisenbart's, der sonst in diesen Fragen so klar sieht, hohe Zölle
auf feinere Gewebe bestehen zu lassen und die analogen Erzeugnisse des In¬
lands mit Verbrauchsabgaben zu belegen, weil Luxus in Kleidern doch ebenso
zu besteuern sei, wie in Nahrungsmitteln. Das ist theoretisch ganz richtig,
aber hat der Verfasser wohl sich klar gemacht, wie eine solche Abgabe zu
erheben wäre? Müßte man nicht in jede Fabrik, ja bei jedem Einzelwebstuhl
oder jeder Spitzenklöpplerin einen Steuerbeamten hinstellen? — Hinsichtlich der
inneren Abgaben müssen wir uns in Deutschland mit der Nothwendigkeit
einer erheblichen Erhöhung der Steuern von Branntwein, Bier und Tabak
vertraut machen; diese wird auch durchaus nicht drückend sein, wenn Hand
in Hand damit die Aufhebung der Schutzzölle und der Classensteuer geht.

Hiemit kommen wir auf die letzte Hauptsteuer — die Einkommensteuer,
welche nach Ueberweisung der Grundsteuer an das Selfgovernment, der Auf¬
hebung der Gewerbesteuer und der Classensteuer, nicht vom Staate entbehrt
werden kann, vielmehr berufen ist demselben einem bedeutenden Ertrag zu
liefern. Auch hier soll das Existenzminimum steuerfrei bleiben, wir wollen
es auf 300 Thaler Jahreseinnahme fixiren; über die Nothwendigkeit einer
solchen Grenze ist auch kaum ein Streit, aber umsomehr über die Veranlegung
und Erhebung der Steuer bei den Pflichtigen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/391>, abgerufen am 24.08.2024.