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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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liefern dort einen immerhin respectabeln Ertrag von SV2 Mill. Thalern, der
in Preußen vielleicht auf 1^ -- 2 Mill. anzunehmen wäre.

Weit mehr allerdings fallen noch für die Finanzen jedes großen Staates
die indirecten Verbrauchssteuern ins Gewicht. Die Manchesterschule freilich
stellt im Namen des wirthschaftlichen Fortschritts die Forderung auf. daß die
indirecten Steuern mehr und mehr ganz abgeschafft und durch directe zu er¬
setzen seien. Dagegen spricht nun zunächst nicht blos die Thatsache, daß in
den Budgets aller größerer Staaten die directen Abgaben nicht einmal ein
Viertel des Gesammtbedarfs decken, daß also die Erfüllung dieser Forderung
auf eine vollständige Umwälzung aller Finanzeinrichtungen hinausliefen, sondern
speciell auch, daß in England, welches mit Recht nach den neusten Reformen
als Musterwirthschaft betrachtet wird, dasselbe Verhältniß besteht; die directen
Steuern betragen dort 19. 20 Proc,, die indirecten 80.80 Proc. des Ge-
sammtbudgets.

Im Gegensatz zu dieser Schuld kann man mit Recht behaupten, daß ein
großer Staat wesentlich auf indirecte Steuern hingewiesen ist, um seine Aus¬
gaben zu bestreiten, denn

1) sind diese Abgaben am wenigsten fühlbar, sie werden in einem er¬
höhten Preise jedes Artikels errichtet, der Consument besteuert sich selbst,
indem er denselben kauft;

2) geben sie die einzige Möglichkeit, die große Masse der Bevölkerung
entsprechend zu den Staatslasten heranzuziehen. Dieselbe hat meist kein festes
Einkommen, eine Kopfsteuer wäre erdrückend, gleichwohl aber bedarf sie so
sehr und noch mehr als die Wohlhabenden des Schutzes der Negierung, sollte
also auch irgendwo zu deren Bedürfnissen beitragen;

3) ohne indirecte Steuer können die Bedürfnisse einer großen Staats¬
verwaltung nicht gedeckt werden, denn die directen Steuern fallen verhält¬
nißmäßig doch nur auf die besitzenden Classen, welche durchschnittlich ein
Viertel der Gesammtbevölkerung ausmachen.

Aber freilich wird bei diesen Argumenten vorausgesetzt, daß das Exi¬
stenzminimum auch bei den indirecten Steuern gewahrt wird, d. h. also, daß
durch sie die wirklich nothwendigen Lebensbedürfnisse, wie Brod, Fleisch, Milch,
Salz, Brennmaterial und Seife nicht besteuert werden, zumal eine Ver-
theuerung dieser Artikel die ihre Unterworfenen um so mehr drücken muß,
je mehr Angehörige sie zu ernähren haben. Die Abgaben müssen also ledig¬
lich auf solche Dinge gelegt werden, welche sich der Unbemittelte versagen
kann, ohne an seiner Nothdurft verkümmert zu werden, deren Verbrauch aber
andererseits doch verbreitet genug ist, um eine bedeutende Einnahme zu ge¬
währen. Der Arme hat ebenso viel Recht wie der Reiche auf Kaffee, Zucker.
Bier u. s. w., aber er hat nicht mehr Recht als Letzterer sie unbesteuert zu


liefern dort einen immerhin respectabeln Ertrag von SV2 Mill. Thalern, der
in Preußen vielleicht auf 1^ — 2 Mill. anzunehmen wäre.

Weit mehr allerdings fallen noch für die Finanzen jedes großen Staates
die indirecten Verbrauchssteuern ins Gewicht. Die Manchesterschule freilich
stellt im Namen des wirthschaftlichen Fortschritts die Forderung auf. daß die
indirecten Steuern mehr und mehr ganz abgeschafft und durch directe zu er¬
setzen seien. Dagegen spricht nun zunächst nicht blos die Thatsache, daß in
den Budgets aller größerer Staaten die directen Abgaben nicht einmal ein
Viertel des Gesammtbedarfs decken, daß also die Erfüllung dieser Forderung
auf eine vollständige Umwälzung aller Finanzeinrichtungen hinausliefen, sondern
speciell auch, daß in England, welches mit Recht nach den neusten Reformen
als Musterwirthschaft betrachtet wird, dasselbe Verhältniß besteht; die directen
Steuern betragen dort 19. 20 Proc,, die indirecten 80.80 Proc. des Ge-
sammtbudgets.

Im Gegensatz zu dieser Schuld kann man mit Recht behaupten, daß ein
großer Staat wesentlich auf indirecte Steuern hingewiesen ist, um seine Aus¬
gaben zu bestreiten, denn

1) sind diese Abgaben am wenigsten fühlbar, sie werden in einem er¬
höhten Preise jedes Artikels errichtet, der Consument besteuert sich selbst,
indem er denselben kauft;

2) geben sie die einzige Möglichkeit, die große Masse der Bevölkerung
entsprechend zu den Staatslasten heranzuziehen. Dieselbe hat meist kein festes
Einkommen, eine Kopfsteuer wäre erdrückend, gleichwohl aber bedarf sie so
sehr und noch mehr als die Wohlhabenden des Schutzes der Negierung, sollte
also auch irgendwo zu deren Bedürfnissen beitragen;

3) ohne indirecte Steuer können die Bedürfnisse einer großen Staats¬
verwaltung nicht gedeckt werden, denn die directen Steuern fallen verhält¬
nißmäßig doch nur auf die besitzenden Classen, welche durchschnittlich ein
Viertel der Gesammtbevölkerung ausmachen.

Aber freilich wird bei diesen Argumenten vorausgesetzt, daß das Exi¬
stenzminimum auch bei den indirecten Steuern gewahrt wird, d. h. also, daß
durch sie die wirklich nothwendigen Lebensbedürfnisse, wie Brod, Fleisch, Milch,
Salz, Brennmaterial und Seife nicht besteuert werden, zumal eine Ver-
theuerung dieser Artikel die ihre Unterworfenen um so mehr drücken muß,
je mehr Angehörige sie zu ernähren haben. Die Abgaben müssen also ledig¬
lich auf solche Dinge gelegt werden, welche sich der Unbemittelte versagen
kann, ohne an seiner Nothdurft verkümmert zu werden, deren Verbrauch aber
andererseits doch verbreitet genug ist, um eine bedeutende Einnahme zu ge¬
währen. Der Arme hat ebenso viel Recht wie der Reiche auf Kaffee, Zucker.
Bier u. s. w., aber er hat nicht mehr Recht als Letzterer sie unbesteuert zu


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[0390] liefern dort einen immerhin respectabeln Ertrag von SV2 Mill. Thalern, der in Preußen vielleicht auf 1^ — 2 Mill. anzunehmen wäre. Weit mehr allerdings fallen noch für die Finanzen jedes großen Staates die indirecten Verbrauchssteuern ins Gewicht. Die Manchesterschule freilich stellt im Namen des wirthschaftlichen Fortschritts die Forderung auf. daß die indirecten Steuern mehr und mehr ganz abgeschafft und durch directe zu er¬ setzen seien. Dagegen spricht nun zunächst nicht blos die Thatsache, daß in den Budgets aller größerer Staaten die directen Abgaben nicht einmal ein Viertel des Gesammtbedarfs decken, daß also die Erfüllung dieser Forderung auf eine vollständige Umwälzung aller Finanzeinrichtungen hinausliefen, sondern speciell auch, daß in England, welches mit Recht nach den neusten Reformen als Musterwirthschaft betrachtet wird, dasselbe Verhältniß besteht; die directen Steuern betragen dort 19. 20 Proc,, die indirecten 80.80 Proc. des Ge- sammtbudgets. Im Gegensatz zu dieser Schuld kann man mit Recht behaupten, daß ein großer Staat wesentlich auf indirecte Steuern hingewiesen ist, um seine Aus¬ gaben zu bestreiten, denn 1) sind diese Abgaben am wenigsten fühlbar, sie werden in einem er¬ höhten Preise jedes Artikels errichtet, der Consument besteuert sich selbst, indem er denselben kauft; 2) geben sie die einzige Möglichkeit, die große Masse der Bevölkerung entsprechend zu den Staatslasten heranzuziehen. Dieselbe hat meist kein festes Einkommen, eine Kopfsteuer wäre erdrückend, gleichwohl aber bedarf sie so sehr und noch mehr als die Wohlhabenden des Schutzes der Negierung, sollte also auch irgendwo zu deren Bedürfnissen beitragen; 3) ohne indirecte Steuer können die Bedürfnisse einer großen Staats¬ verwaltung nicht gedeckt werden, denn die directen Steuern fallen verhält¬ nißmäßig doch nur auf die besitzenden Classen, welche durchschnittlich ein Viertel der Gesammtbevölkerung ausmachen. Aber freilich wird bei diesen Argumenten vorausgesetzt, daß das Exi¬ stenzminimum auch bei den indirecten Steuern gewahrt wird, d. h. also, daß durch sie die wirklich nothwendigen Lebensbedürfnisse, wie Brod, Fleisch, Milch, Salz, Brennmaterial und Seife nicht besteuert werden, zumal eine Ver- theuerung dieser Artikel die ihre Unterworfenen um so mehr drücken muß, je mehr Angehörige sie zu ernähren haben. Die Abgaben müssen also ledig¬ lich auf solche Dinge gelegt werden, welche sich der Unbemittelte versagen kann, ohne an seiner Nothdurft verkümmert zu werden, deren Verbrauch aber andererseits doch verbreitet genug ist, um eine bedeutende Einnahme zu ge¬ währen. Der Arme hat ebenso viel Recht wie der Reiche auf Kaffee, Zucker. Bier u. s. w., aber er hat nicht mehr Recht als Letzterer sie unbesteuert zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/390>, abgerufen am 24.08.2024.