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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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seiner Person, des Zusammenkommens jener Denkmäler, der Entstehung jener
Anlagen sind mit dem Untergang des albanischen Archivs im mittelländischen
Meere für immer verloren. Wir wissen, daß er ein Neffe Clemens XI. und
in seiner Jugend Dragonerosficier gewesen ist; daß er kein Gelehrter war,
/aber desto gefährlicher den Damen; daß er sich mit großem Sträuben in die
Prälatencarriere fügte und einmal mit seinem Bruder aus dem Seminar
entfloh, sowie daß ihn sein Oheim nie zum Cardinal machen wollte; daß er
als Greis mit ungeheuren Einnahmen noch immer ebenso in Geldverlegenheit
war, wie als junger Monsignore. Er verkaufte dann seine Sammlungen,
z. B. die in ihrer Art einzige Münzsammlung an die vaticanische Bibliothek,
die Büsten und. Inschriften ans capitolinische Museum, und noch 1762
die unvergleichliche Sammlung der Handzeichnungen seines Oheims nach
England.

Die Weise, wie er seine fast unübersehbaren Marmorschätze in der Villa
vertheilt und aufgestellt hat, ist einzig in ihrer Art; er hatte keine Vorbilder
und fand keine Nachahmer. Es ist ein geistreicher Mittelweg zwischen der
blos decorativer Verwendung von Antiken in den Villen und Casino's des
sechszehnten und siebzehnten Jahrhunderts, und zwischen der unkünstlerischen,
für das Studium berechneten Aufhäufung in den Museen. Die Ansprüche der
Gegenwart, des Lebens, des Genusses, die ästhetischen Gesichtspunkte kommen
in der Villa Albani ebenso zu ihrem Recht wie die Würde der Alterthümer.
Von den vier Ehrenplätzen in der Galleria nobile und den seitlich anstoßen¬
den Räumen waren drei für griechische Werke ausersehen: die sogen. Leu-
cothea, die Pallas (beide jetzt in München), das Orpheusrelief; der vierte
Platz konnte dem eleganten Antinousrelief nicht verweigert werden. Hier er¬
kennt man den Rath Winckelmann's. Dieser trat in Albani's Dienst, als
der Cardinal mit seinem Bauen und Aufstellen in vollem Zuge war. Bei
Ausgrabungen, Besichtigungen, Ankäufen, Benennungen, Restaurationen und
Aufstellungen war er Zeuge, Rathgeber, aber auch Lernender. Er besuchte
mit Albani die entlegensten Winkel des römischen Chaos; er theilte dessen
überschwenglichen Jubel, wenn neue Funde heimlich gebracht wurden, denn
damals gehörten noch alle im römischen Boden auftauchenden Alterthümer
dem Fiscus. Der Uebertretung dieses Gesetzes, welche die Eigenthümer bei
einem solchen Cardinal leichter riskiren konnten, verdankt Albani jene selbst
bei seinem Einkommen und bei seiner rücksichtslosen Verschwendung in so
kurzer Zeit unbegreiflichen Erfolge seiner Sammelthätigkeit. --

Die Vertrautheit mit solchen Kirchenfürsten wie Passionei, Spinelli und
Albani bahnte Winckelmann die Wege zu den verschiedenen Kreisen römischer
Gelehrten. Sein erster Patrone, Archinto, führte ihn in eine solche Conver-
sation ein; "er machte mir Gelegenheit, eine der vornehmsten Gesellschaften


seiner Person, des Zusammenkommens jener Denkmäler, der Entstehung jener
Anlagen sind mit dem Untergang des albanischen Archivs im mittelländischen
Meere für immer verloren. Wir wissen, daß er ein Neffe Clemens XI. und
in seiner Jugend Dragonerosficier gewesen ist; daß er kein Gelehrter war,
/aber desto gefährlicher den Damen; daß er sich mit großem Sträuben in die
Prälatencarriere fügte und einmal mit seinem Bruder aus dem Seminar
entfloh, sowie daß ihn sein Oheim nie zum Cardinal machen wollte; daß er
als Greis mit ungeheuren Einnahmen noch immer ebenso in Geldverlegenheit
war, wie als junger Monsignore. Er verkaufte dann seine Sammlungen,
z. B. die in ihrer Art einzige Münzsammlung an die vaticanische Bibliothek,
die Büsten und. Inschriften ans capitolinische Museum, und noch 1762
die unvergleichliche Sammlung der Handzeichnungen seines Oheims nach
England.

Die Weise, wie er seine fast unübersehbaren Marmorschätze in der Villa
vertheilt und aufgestellt hat, ist einzig in ihrer Art; er hatte keine Vorbilder
und fand keine Nachahmer. Es ist ein geistreicher Mittelweg zwischen der
blos decorativer Verwendung von Antiken in den Villen und Casino's des
sechszehnten und siebzehnten Jahrhunderts, und zwischen der unkünstlerischen,
für das Studium berechneten Aufhäufung in den Museen. Die Ansprüche der
Gegenwart, des Lebens, des Genusses, die ästhetischen Gesichtspunkte kommen
in der Villa Albani ebenso zu ihrem Recht wie die Würde der Alterthümer.
Von den vier Ehrenplätzen in der Galleria nobile und den seitlich anstoßen¬
den Räumen waren drei für griechische Werke ausersehen: die sogen. Leu-
cothea, die Pallas (beide jetzt in München), das Orpheusrelief; der vierte
Platz konnte dem eleganten Antinousrelief nicht verweigert werden. Hier er¬
kennt man den Rath Winckelmann's. Dieser trat in Albani's Dienst, als
der Cardinal mit seinem Bauen und Aufstellen in vollem Zuge war. Bei
Ausgrabungen, Besichtigungen, Ankäufen, Benennungen, Restaurationen und
Aufstellungen war er Zeuge, Rathgeber, aber auch Lernender. Er besuchte
mit Albani die entlegensten Winkel des römischen Chaos; er theilte dessen
überschwenglichen Jubel, wenn neue Funde heimlich gebracht wurden, denn
damals gehörten noch alle im römischen Boden auftauchenden Alterthümer
dem Fiscus. Der Uebertretung dieses Gesetzes, welche die Eigenthümer bei
einem solchen Cardinal leichter riskiren konnten, verdankt Albani jene selbst
bei seinem Einkommen und bei seiner rücksichtslosen Verschwendung in so
kurzer Zeit unbegreiflichen Erfolge seiner Sammelthätigkeit. —

Die Vertrautheit mit solchen Kirchenfürsten wie Passionei, Spinelli und
Albani bahnte Winckelmann die Wege zu den verschiedenen Kreisen römischer
Gelehrten. Sein erster Patrone, Archinto, führte ihn in eine solche Conver-
sation ein; „er machte mir Gelegenheit, eine der vornehmsten Gesellschaften


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/380>, abgerufen am 24.08.2024.