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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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zwischen Hero Mauritz und der Gräfin in die 3. Scene gefügt werden.
Im V. Act ist die Verwandlung ganz unnütz.

Dieses Vereinfachen des scenischen Apparates ist für eine wirksame Auf¬
führung unbedingt nöthig. Die Größe und reichere samische Ausstattung
der neuen Bühnen hat alle Uebelstände eines Coulissenwechsels während der
Acte sehr gesteigert, nicht nur weil der Apparat, welcher fortgeschafft und
ueugestellt werden muß, massenhafter geworden ist, sondern vorzüglich darum,
weil das Publicum in den großen Häusern weit schwerer erwärmt und in
seiner Aufmerksamkeit fest gehalten wird. Eine unglückselige Verabredung
deutscher Bühnenleiter hat fast auf allen größeren Bühnen den Scenenvor¬
hang eingeführt, um die Störung zu vermindern, welche durch Tischrücken
und Befestigen neuer Versatzstücke hervorgebracht wurde. Dadurch ist aber,
wie vorauszusehen war, der größere Uebelstand erwachsen, daß die Regie sich
die neue Gelegenheit zu behaglichem Arrangiren der Staffage nicht nehmen
läßt, daß jetzt auf den meisten Theatern ein Drama in eine größere Zahl
unregelmäßiger Theile zerhackt wird. Und es ist ein abgeschmacktes Aus¬
kunftsmittel, durch die Farbe des heruntergelassenen Vorhangs dem Publicum
anzudeuten, daß der große Einschnitt, den der Bühnenvorhang macht, nur
ein kleiner Gedankenstrich sein soll. Wir müssen fortan im Drama entweder
ganz darauf verzichten, durch Malerei und aufgestellte Requisiten die Umgebung
der handelnden Personen zu schildern, oder die Theatermaschinisten müssen
einen Apparat erfinden, welcher blitzschnellen Scenenwechsel ohne Verschluß
durch den Vorhang möglich macht. Die erstere radicale Abhilfe wäre in
Wahrheit für die Kunst des Schauspielers die wünschenswerteste, aber wir
haben selbstverständlich keine Hoffnung, die Alpenlandschaften und die Möbel¬
ausstellung in den schön geschlossenen Zimmern gebändigt zu sehen. Des¬
halb wird wohl zuletzt die Behendigkeit der Maschinisten helfen müssen, und
wir sind der Ansicht, daß eine Zukunft sowohl auf die Möbel tragenden
Livreebedienten als auf die Zwischenvorhänge mit ähnlicher Überlegenheit
zurücksehen wird, wie unsere Zeit auf die alten Klappcoulissen. So lange
aber der Scenenwechsel die erwähnten Uebelstände mit sich führt, muß der
dramatische Dichter sich die arge Störung seiner Wirkung auf das kleinste
Maß beschränken, am liebsten ganz vermeiden. Und das ist in der Regel
auch da möglich, wo der Dichter, befangen durch die Buhnenbilder, die er
mühelos in seiner Phantasie gewechselt hat, eine Aenderung für unthun-
lich hält.

Freilich durch das Vereinfachen des scenischen Apparats wird in dem
vorliegenden Stück die Schwierigkeit nicht völlig gehoben, welche der Stoff
bereitet. Der Dichter des Dramas weiß recht wohl, worauf es in den sceni¬
schen Wirkungen ankommt, er vermeidet die sogenannten Actionen mit Ge-


zwischen Hero Mauritz und der Gräfin in die 3. Scene gefügt werden.
Im V. Act ist die Verwandlung ganz unnütz.

Dieses Vereinfachen des scenischen Apparates ist für eine wirksame Auf¬
führung unbedingt nöthig. Die Größe und reichere samische Ausstattung
der neuen Bühnen hat alle Uebelstände eines Coulissenwechsels während der
Acte sehr gesteigert, nicht nur weil der Apparat, welcher fortgeschafft und
ueugestellt werden muß, massenhafter geworden ist, sondern vorzüglich darum,
weil das Publicum in den großen Häusern weit schwerer erwärmt und in
seiner Aufmerksamkeit fest gehalten wird. Eine unglückselige Verabredung
deutscher Bühnenleiter hat fast auf allen größeren Bühnen den Scenenvor¬
hang eingeführt, um die Störung zu vermindern, welche durch Tischrücken
und Befestigen neuer Versatzstücke hervorgebracht wurde. Dadurch ist aber,
wie vorauszusehen war, der größere Uebelstand erwachsen, daß die Regie sich
die neue Gelegenheit zu behaglichem Arrangiren der Staffage nicht nehmen
läßt, daß jetzt auf den meisten Theatern ein Drama in eine größere Zahl
unregelmäßiger Theile zerhackt wird. Und es ist ein abgeschmacktes Aus¬
kunftsmittel, durch die Farbe des heruntergelassenen Vorhangs dem Publicum
anzudeuten, daß der große Einschnitt, den der Bühnenvorhang macht, nur
ein kleiner Gedankenstrich sein soll. Wir müssen fortan im Drama entweder
ganz darauf verzichten, durch Malerei und aufgestellte Requisiten die Umgebung
der handelnden Personen zu schildern, oder die Theatermaschinisten müssen
einen Apparat erfinden, welcher blitzschnellen Scenenwechsel ohne Verschluß
durch den Vorhang möglich macht. Die erstere radicale Abhilfe wäre in
Wahrheit für die Kunst des Schauspielers die wünschenswerteste, aber wir
haben selbstverständlich keine Hoffnung, die Alpenlandschaften und die Möbel¬
ausstellung in den schön geschlossenen Zimmern gebändigt zu sehen. Des¬
halb wird wohl zuletzt die Behendigkeit der Maschinisten helfen müssen, und
wir sind der Ansicht, daß eine Zukunft sowohl auf die Möbel tragenden
Livreebedienten als auf die Zwischenvorhänge mit ähnlicher Überlegenheit
zurücksehen wird, wie unsere Zeit auf die alten Klappcoulissen. So lange
aber der Scenenwechsel die erwähnten Uebelstände mit sich führt, muß der
dramatische Dichter sich die arge Störung seiner Wirkung auf das kleinste
Maß beschränken, am liebsten ganz vermeiden. Und das ist in der Regel
auch da möglich, wo der Dichter, befangen durch die Buhnenbilder, die er
mühelos in seiner Phantasie gewechselt hat, eine Aenderung für unthun-
lich hält.

Freilich durch das Vereinfachen des scenischen Apparats wird in dem
vorliegenden Stück die Schwierigkeit nicht völlig gehoben, welche der Stoff
bereitet. Der Dichter des Dramas weiß recht wohl, worauf es in den sceni¬
schen Wirkungen ankommt, er vermeidet die sogenannten Actionen mit Ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/38>, abgerufen am 22.07.2024.