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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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dirai nach seiner Wohnung begleitet wurde, noch mehr, daß er in die Zahl
der Auserwählten kam, mit denen er in seiner Eremitage zu Camaldoli bei
Frascati die Landluft genoß. Er verdankte diese Gunst zum Theil seiner
bibliothekarischen Befähigung; denn das Büchersammeln war des Cardinals
älteste Leidenschaft; er hatte als junger Prälat in seinem Hause Konversatio¬
nen veranstaltet und Correspondenzen zu diesem Zweck mit den ersten Ge¬
lehrten in und außer Italien (z. B. Mencken) gesucht. Die besten Requisitio¬
nen machte er als Nuntius in Holland und in der Schweiz, am letzteren Ort
auf Kosten der Kirchen- und Klosterbibliotheken, Beibannt waren aus der
Bibliothek sämmtliche Bücher von Jesuiten. Benedict XIV., der die herr¬
schenden Schwachheiten aller Leute in seiner Umgebung genau kannte, pflegte
wenn er sich einen Festtag machen wollte, einen auf jene Schwachheiten be¬
rechneten Schabernack auszusinnen; er weidete sich dann an ihren Zornes-
ausbrüchen mit homerischen Gelächter, in das der Gefoppte schließlich mit
einzufallen genöthigt war. So ließ er dem Cardinal einmal des Jesuiten
Busenbaum NsäuIIa iKsoIoZiea, unter die Novitäten legen, deren Durch¬
musterung das erste Geschäft nach dem Aufstehn war. Als die 7Ljährige
Eminenz dieses rändigen Schafs ansichtig wurde, stürzte sie auf die Klingel
zu, befahl dem eintretenden Kammerdiener die Fensterflügel zu öffnen und
schleuderte den Quartanten mit beiden Armen und voller Kraft auf den Platz
von Monte Cavallo. Der Papst, dessen Zimmer dem seinigen gegenüberlag,
hatte alles mit angesehen; jetzt öffnete er seinerseits das Fenster und machte die
Geberde der Benediction.

Als Passionei von sein Nuntiaturen (er war auch auf den Congressen
zu Aachen) nach Rom zurückkehrte, fand sich, daß er Begriffe vom Werth
menschlicher Dinge erlangt hatte, die von den zu Rom geltenden sehr verschieden
waren. Mit dem aufbrausenden Ungestüm des Romagnolen machte er in
Worten sein Urtheil, im Auftreten die Eigenheit seines Wesens geltend;
durch Widerspruchsgeist schien er seine Spannkraft erhalten zu wollen gegen
die annullirenden Einflüsse der Geschäfte und der Atmosphäre des geistlichen
Hoff. Eine größere Verachtung der Formen, Titel und alles Conventionellen,
ein heftigeres Hervorstellen des Ich mit allen Schroffheiten konnte es nicht
geben. Man nannte ihn den "Cardinal Seanderbeg". und als er eine Hoff¬
nung auf die Tiara haben sollte, las man folgende Reime:


vio ol libori, o Romani,
Ol va.äizr<z nslls suo mani,
lo piuttosto (xarlo sebietto)
Vorrsi äarmi a UÄomotw
<übo star sotto al ZioZo s xonäo
Ol un oruäcil Noron geoonclo.

Grenzboten IV. 1869. 47

dirai nach seiner Wohnung begleitet wurde, noch mehr, daß er in die Zahl
der Auserwählten kam, mit denen er in seiner Eremitage zu Camaldoli bei
Frascati die Landluft genoß. Er verdankte diese Gunst zum Theil seiner
bibliothekarischen Befähigung; denn das Büchersammeln war des Cardinals
älteste Leidenschaft; er hatte als junger Prälat in seinem Hause Konversatio¬
nen veranstaltet und Correspondenzen zu diesem Zweck mit den ersten Ge¬
lehrten in und außer Italien (z. B. Mencken) gesucht. Die besten Requisitio¬
nen machte er als Nuntius in Holland und in der Schweiz, am letzteren Ort
auf Kosten der Kirchen- und Klosterbibliotheken, Beibannt waren aus der
Bibliothek sämmtliche Bücher von Jesuiten. Benedict XIV., der die herr¬
schenden Schwachheiten aller Leute in seiner Umgebung genau kannte, pflegte
wenn er sich einen Festtag machen wollte, einen auf jene Schwachheiten be¬
rechneten Schabernack auszusinnen; er weidete sich dann an ihren Zornes-
ausbrüchen mit homerischen Gelächter, in das der Gefoppte schließlich mit
einzufallen genöthigt war. So ließ er dem Cardinal einmal des Jesuiten
Busenbaum NsäuIIa iKsoIoZiea, unter die Novitäten legen, deren Durch¬
musterung das erste Geschäft nach dem Aufstehn war. Als die 7Ljährige
Eminenz dieses rändigen Schafs ansichtig wurde, stürzte sie auf die Klingel
zu, befahl dem eintretenden Kammerdiener die Fensterflügel zu öffnen und
schleuderte den Quartanten mit beiden Armen und voller Kraft auf den Platz
von Monte Cavallo. Der Papst, dessen Zimmer dem seinigen gegenüberlag,
hatte alles mit angesehen; jetzt öffnete er seinerseits das Fenster und machte die
Geberde der Benediction.

Als Passionei von sein Nuntiaturen (er war auch auf den Congressen
zu Aachen) nach Rom zurückkehrte, fand sich, daß er Begriffe vom Werth
menschlicher Dinge erlangt hatte, die von den zu Rom geltenden sehr verschieden
waren. Mit dem aufbrausenden Ungestüm des Romagnolen machte er in
Worten sein Urtheil, im Auftreten die Eigenheit seines Wesens geltend;
durch Widerspruchsgeist schien er seine Spannkraft erhalten zu wollen gegen
die annullirenden Einflüsse der Geschäfte und der Atmosphäre des geistlichen
Hoff. Eine größere Verachtung der Formen, Titel und alles Conventionellen,
ein heftigeres Hervorstellen des Ich mit allen Schroffheiten konnte es nicht
geben. Man nannte ihn den „Cardinal Seanderbeg". und als er eine Hoff¬
nung auf die Tiara haben sollte, las man folgende Reime:


vio ol libori, o Romani,
Ol va.äizr<z nslls suo mani,
lo piuttosto (xarlo sebietto)
Vorrsi äarmi a UÄomotw
<übo star sotto al ZioZo s xonäo
Ol un oruäcil Noron geoonclo.

Grenzboten IV. 1869. 47
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[0377] dirai nach seiner Wohnung begleitet wurde, noch mehr, daß er in die Zahl der Auserwählten kam, mit denen er in seiner Eremitage zu Camaldoli bei Frascati die Landluft genoß. Er verdankte diese Gunst zum Theil seiner bibliothekarischen Befähigung; denn das Büchersammeln war des Cardinals älteste Leidenschaft; er hatte als junger Prälat in seinem Hause Konversatio¬ nen veranstaltet und Correspondenzen zu diesem Zweck mit den ersten Ge¬ lehrten in und außer Italien (z. B. Mencken) gesucht. Die besten Requisitio¬ nen machte er als Nuntius in Holland und in der Schweiz, am letzteren Ort auf Kosten der Kirchen- und Klosterbibliotheken, Beibannt waren aus der Bibliothek sämmtliche Bücher von Jesuiten. Benedict XIV., der die herr¬ schenden Schwachheiten aller Leute in seiner Umgebung genau kannte, pflegte wenn er sich einen Festtag machen wollte, einen auf jene Schwachheiten be¬ rechneten Schabernack auszusinnen; er weidete sich dann an ihren Zornes- ausbrüchen mit homerischen Gelächter, in das der Gefoppte schließlich mit einzufallen genöthigt war. So ließ er dem Cardinal einmal des Jesuiten Busenbaum NsäuIIa iKsoIoZiea, unter die Novitäten legen, deren Durch¬ musterung das erste Geschäft nach dem Aufstehn war. Als die 7Ljährige Eminenz dieses rändigen Schafs ansichtig wurde, stürzte sie auf die Klingel zu, befahl dem eintretenden Kammerdiener die Fensterflügel zu öffnen und schleuderte den Quartanten mit beiden Armen und voller Kraft auf den Platz von Monte Cavallo. Der Papst, dessen Zimmer dem seinigen gegenüberlag, hatte alles mit angesehen; jetzt öffnete er seinerseits das Fenster und machte die Geberde der Benediction. Als Passionei von sein Nuntiaturen (er war auch auf den Congressen zu Aachen) nach Rom zurückkehrte, fand sich, daß er Begriffe vom Werth menschlicher Dinge erlangt hatte, die von den zu Rom geltenden sehr verschieden waren. Mit dem aufbrausenden Ungestüm des Romagnolen machte er in Worten sein Urtheil, im Auftreten die Eigenheit seines Wesens geltend; durch Widerspruchsgeist schien er seine Spannkraft erhalten zu wollen gegen die annullirenden Einflüsse der Geschäfte und der Atmosphäre des geistlichen Hoff. Eine größere Verachtung der Formen, Titel und alles Conventionellen, ein heftigeres Hervorstellen des Ich mit allen Schroffheiten konnte es nicht geben. Man nannte ihn den „Cardinal Seanderbeg". und als er eine Hoff¬ nung auf die Tiara haben sollte, las man folgende Reime: vio ol libori, o Romani, Ol va.äizr<z nslls suo mani, lo piuttosto (xarlo sebietto) Vorrsi äarmi a UÄomotw <übo star sotto al ZioZo s xonäo Ol un oruäcil Noron geoonclo. Grenzboten IV. 1869. 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/377>, abgerufen am 03.07.2024.