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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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lische Consequenzen haben würde, so ist die angeregte Frage doch immerhin
wichtig genug, um, wenn auch zunächst nur im Princip, erörtert und be¬
leuchtet zu werden.

Wir haben uns daher beeilt, die Umrisse des Pohle'schen Projects mitzuthei¬
len, damit dasselbe in weiteren Kreisen bekannt werde, als in denen die
mecklenburgischen Landtagsberichte gelesen zu werden Pflegen. Eines Eingehens
auf den Gegenstand desselben enthalten wir uns, wenigstens zur Zeit, weil
dieses nicht möglich wäre ohne gleichzeitiges Eingehen in alle jene für und
Wider die Competenzerweiterung vorgebrachten Argumente, deren Repro¬
duktion wir abgelehnt haben. Es möge daher nur soviel bemerkt werden,
daß unserer Ansicht nach alle diejenigen, welche von dem verfaßungsmäßigen
Zustandekommen des Gesetzes über das Leipziger Oberhandelsgericht überzeugt
sind, den Pohle'schen Antrag nicht nur als durch den concreten Fall nicht
gerechtfertigt, sondern auch als überhaupt überflüssig bezeichnen müssen; denn
wenn die Bundesgewalt das Recht hat, ihre Competenz aus ihrer Verfassung
selbst zu erweitern, so bedarf es niemals einer Prüfung ihrer Competenz
durch einen eigenen Gerichtshof, da sie jederzeit die Mittel in Händen haben
würde, außer ihrer jeweiligen Competenz liegende Gegenstände derselben zu
unterwerfen. Wer dagegen diese Ansicht nicht theilt, wird sich versucht
fühlen, den Pohle'schen Antrag als zweckentsprechend zu bezeichnen, zumal der¬
selbe, wenn nur in gehöriger Weise restringirt, selbst manche befriedigen dürfte,
die für die Selbstbestimmung des Bundes in die Schranken treten: nach dem
Grundsatze suptzrüug, von uoeent; natürlich müßten Garantien geboten
werden, daß der Staatsgerichtshof sich nicht über die Bundesgewalt erhöbe,
wodurch seine Entscheidungen freilich mehr einen enuntiativen, als decisiven
Charakter erhalten würden.

Aber der Streit um die Competenz würde sich schon bei der Einrichtung
des Staatsgerichtshofes wiederholen: Pohle hält den Weg des Staats¬
vertrages für den allein möglichen, während andere auftreten würden, und
aus Art. 78 der B. V. der Bundesgewalt das Recht zusprechen, eine solche
Einrichtung auf dem Wege der Bundesgesetzgebung zu treffen. Wer soll
diesen Competenzconflikt entscheiden? Doch wohl nur die Bundesgewalt.
Doch man käme da in ein Dilemma, aus dem der Ausweg schwerlich durch
den mecklenburgischen Ständesaal führen möchte.

Jedenfalls ist es eigenthümlich, einen derartigen Antrag, wie den
Pohle'schen, aus der Mitte der mecklenburgischen Ständeversammlung hervor¬
gehen zu sehen. Gestelle wurde derselbe unzweifelhaft zur Wahrung der mit
der mecklenburgischen relativen Selbständigkeit stehenden und fallenden stän¬
dischen Rechte und unter ausdrücklichen Hinweis auf dieselben. Wie nun,
wenn der Pohle'sche Antrag von der Justiz-Comite! befürwortet, vom Stern-


Grenzboten IV. 1869. 44

lische Consequenzen haben würde, so ist die angeregte Frage doch immerhin
wichtig genug, um, wenn auch zunächst nur im Princip, erörtert und be¬
leuchtet zu werden.

Wir haben uns daher beeilt, die Umrisse des Pohle'schen Projects mitzuthei¬
len, damit dasselbe in weiteren Kreisen bekannt werde, als in denen die
mecklenburgischen Landtagsberichte gelesen zu werden Pflegen. Eines Eingehens
auf den Gegenstand desselben enthalten wir uns, wenigstens zur Zeit, weil
dieses nicht möglich wäre ohne gleichzeitiges Eingehen in alle jene für und
Wider die Competenzerweiterung vorgebrachten Argumente, deren Repro¬
duktion wir abgelehnt haben. Es möge daher nur soviel bemerkt werden,
daß unserer Ansicht nach alle diejenigen, welche von dem verfaßungsmäßigen
Zustandekommen des Gesetzes über das Leipziger Oberhandelsgericht überzeugt
sind, den Pohle'schen Antrag nicht nur als durch den concreten Fall nicht
gerechtfertigt, sondern auch als überhaupt überflüssig bezeichnen müssen; denn
wenn die Bundesgewalt das Recht hat, ihre Competenz aus ihrer Verfassung
selbst zu erweitern, so bedarf es niemals einer Prüfung ihrer Competenz
durch einen eigenen Gerichtshof, da sie jederzeit die Mittel in Händen haben
würde, außer ihrer jeweiligen Competenz liegende Gegenstände derselben zu
unterwerfen. Wer dagegen diese Ansicht nicht theilt, wird sich versucht
fühlen, den Pohle'schen Antrag als zweckentsprechend zu bezeichnen, zumal der¬
selbe, wenn nur in gehöriger Weise restringirt, selbst manche befriedigen dürfte,
die für die Selbstbestimmung des Bundes in die Schranken treten: nach dem
Grundsatze suptzrüug, von uoeent; natürlich müßten Garantien geboten
werden, daß der Staatsgerichtshof sich nicht über die Bundesgewalt erhöbe,
wodurch seine Entscheidungen freilich mehr einen enuntiativen, als decisiven
Charakter erhalten würden.

Aber der Streit um die Competenz würde sich schon bei der Einrichtung
des Staatsgerichtshofes wiederholen: Pohle hält den Weg des Staats¬
vertrages für den allein möglichen, während andere auftreten würden, und
aus Art. 78 der B. V. der Bundesgewalt das Recht zusprechen, eine solche
Einrichtung auf dem Wege der Bundesgesetzgebung zu treffen. Wer soll
diesen Competenzconflikt entscheiden? Doch wohl nur die Bundesgewalt.
Doch man käme da in ein Dilemma, aus dem der Ausweg schwerlich durch
den mecklenburgischen Ständesaal führen möchte.

Jedenfalls ist es eigenthümlich, einen derartigen Antrag, wie den
Pohle'schen, aus der Mitte der mecklenburgischen Ständeversammlung hervor¬
gehen zu sehen. Gestelle wurde derselbe unzweifelhaft zur Wahrung der mit
der mecklenburgischen relativen Selbständigkeit stehenden und fallenden stän¬
dischen Rechte und unter ausdrücklichen Hinweis auf dieselben. Wie nun,
wenn der Pohle'sche Antrag von der Justiz-Comite! befürwortet, vom Stern-


Grenzboten IV. 1869. 44
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[0353] lische Consequenzen haben würde, so ist die angeregte Frage doch immerhin wichtig genug, um, wenn auch zunächst nur im Princip, erörtert und be¬ leuchtet zu werden. Wir haben uns daher beeilt, die Umrisse des Pohle'schen Projects mitzuthei¬ len, damit dasselbe in weiteren Kreisen bekannt werde, als in denen die mecklenburgischen Landtagsberichte gelesen zu werden Pflegen. Eines Eingehens auf den Gegenstand desselben enthalten wir uns, wenigstens zur Zeit, weil dieses nicht möglich wäre ohne gleichzeitiges Eingehen in alle jene für und Wider die Competenzerweiterung vorgebrachten Argumente, deren Repro¬ duktion wir abgelehnt haben. Es möge daher nur soviel bemerkt werden, daß unserer Ansicht nach alle diejenigen, welche von dem verfaßungsmäßigen Zustandekommen des Gesetzes über das Leipziger Oberhandelsgericht überzeugt sind, den Pohle'schen Antrag nicht nur als durch den concreten Fall nicht gerechtfertigt, sondern auch als überhaupt überflüssig bezeichnen müssen; denn wenn die Bundesgewalt das Recht hat, ihre Competenz aus ihrer Verfassung selbst zu erweitern, so bedarf es niemals einer Prüfung ihrer Competenz durch einen eigenen Gerichtshof, da sie jederzeit die Mittel in Händen haben würde, außer ihrer jeweiligen Competenz liegende Gegenstände derselben zu unterwerfen. Wer dagegen diese Ansicht nicht theilt, wird sich versucht fühlen, den Pohle'schen Antrag als zweckentsprechend zu bezeichnen, zumal der¬ selbe, wenn nur in gehöriger Weise restringirt, selbst manche befriedigen dürfte, die für die Selbstbestimmung des Bundes in die Schranken treten: nach dem Grundsatze suptzrüug, von uoeent; natürlich müßten Garantien geboten werden, daß der Staatsgerichtshof sich nicht über die Bundesgewalt erhöbe, wodurch seine Entscheidungen freilich mehr einen enuntiativen, als decisiven Charakter erhalten würden. Aber der Streit um die Competenz würde sich schon bei der Einrichtung des Staatsgerichtshofes wiederholen: Pohle hält den Weg des Staats¬ vertrages für den allein möglichen, während andere auftreten würden, und aus Art. 78 der B. V. der Bundesgewalt das Recht zusprechen, eine solche Einrichtung auf dem Wege der Bundesgesetzgebung zu treffen. Wer soll diesen Competenzconflikt entscheiden? Doch wohl nur die Bundesgewalt. Doch man käme da in ein Dilemma, aus dem der Ausweg schwerlich durch den mecklenburgischen Ständesaal führen möchte. Jedenfalls ist es eigenthümlich, einen derartigen Antrag, wie den Pohle'schen, aus der Mitte der mecklenburgischen Ständeversammlung hervor¬ gehen zu sehen. Gestelle wurde derselbe unzweifelhaft zur Wahrung der mit der mecklenburgischen relativen Selbständigkeit stehenden und fallenden stän¬ dischen Rechte und unter ausdrücklichen Hinweis auf dieselben. Wie nun, wenn der Pohle'sche Antrag von der Justiz-Comite! befürwortet, vom Stern- Grenzboten IV. 1869. 44

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/353>, abgerufen am 15.01.2025.