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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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Stimmungen in so vielfacher Richtung mit uns sympathisiren, mit solcher
Vorliebe behandelt worden, daß man als Recensent mit dem edlen Dulder
Odysseus ausrufen möchte: "Was doch soll ich zuerst und was zuletzt Euch
erzählen?" Um mit Nennung einiger Anthologien zu beginnen, so ist wohl wie¬
der W. Taylo r von Norwi es mit seinem "Hiktorio sui ve-v" (Lonclon 1829,
4 vois.) der Erste gewesen, der auch die deutschen Lyriker seinen Lands¬
leuten näher zu bringen versuchte. Im folgenden Jahre schon folgte
A. Bernays mit einer "?0Ltieg,1 ^.iMoIo^" aus nicht weniger als 119
Dichtern (London 1830); später ein I. C. Mang a n (1845) und Jos. Gostick
(1846) und eine Dame Mary Anne Burt mit dem "<A"rmÄir War¬
nas suL'° (2 vois. Qdur 1853). In Deutschland sind in weiteren Kreisen
ziemlich bekannt geworden I. G. Flügel's "I'Iov^ors ok (^sriNÄN xoetrv"
aus 26 Dichtern (Leipzig 1835) und Alfred Baskervil le's "I>o6dro ot
Kermanv" aus 73 Dichtern (Leipzig 1853, jetzt Altona 3, Aufl.), und ganz
neuerdings ist in London und Leipzig (bei I. F. Hartknoch 1869) eine in¬
teressante Auswahl erschienen, nämlich H. E. Goldschmidt's "Deutsche
Poesie in den vorzüglichsten (?) englischen Uebersetzungen" -- ein Buch,
dessen eingehender Durchsicht der gegenwärtige Aufsatz den Anlaß' verdankt.

Halten wir uns zunächst wieder an Goethe als Lieder- und Balla¬
dendichter. Den "Erlkönig" haben wir schon in schottischer Tracht kennen
gelernt. Außer dem unzählige Mal übersetzten Gedicht ist wohl kaum ein
andres öfter ins Englische übertragen worden als "Mignon." Einer der un¬
glücklichsten Versuche ist der von Mrs. oder Miss M. A, Burt:


ünow'se thou tho l-ma wboro oitron-tlovorew bloom,
Ibo goläon ora,nM glmvZ, 'noiM loalv gloom,
Lg.1sa.mio ?oxbvrs FÜÄo, 'mia bggvon's diuo Äcios,
Lnoot mvrtlos tbrivo a.na laurols proa-alö riso;
I!ne"v'se thou tho taret? -- Lolvvoä! -- come,
1Ja,hev! -- tbitbor>vara, vnd tboo, I xgrt to roa.in!

Einfacher und wörtlicher, dünkt mich, hat Ri es. Garnele die Strophe
wiedergegeben:


ünov'se lion tho land nboro tlovers tho oitron-bloom,
^na ZolÄon ora-ngo glows in 1sa.to gloom?
solt ^ma tluttors trou tho lair diuo skv,
Lent foras ello mvrtlo ima tho laurol biZ)l;
ZLnov'se thou tho lana?
0 tboro, 0 tboro,
No krionä, no lovo, miZbt thou ana I roxa.ir!

Hier wird uns in der ersten Zeile der doppelte Ausdruck für "blüh'n"
mißfallen, in der dritten entspricht das "lluttLr" nicht dem einfachen "wehen",


Stimmungen in so vielfacher Richtung mit uns sympathisiren, mit solcher
Vorliebe behandelt worden, daß man als Recensent mit dem edlen Dulder
Odysseus ausrufen möchte: „Was doch soll ich zuerst und was zuletzt Euch
erzählen?" Um mit Nennung einiger Anthologien zu beginnen, so ist wohl wie¬
der W. Taylo r von Norwi es mit seinem „Hiktorio sui ve-v" (Lonclon 1829,
4 vois.) der Erste gewesen, der auch die deutschen Lyriker seinen Lands¬
leuten näher zu bringen versuchte. Im folgenden Jahre schon folgte
A. Bernays mit einer „?0Ltieg,1 ^.iMoIo^" aus nicht weniger als 119
Dichtern (London 1830); später ein I. C. Mang a n (1845) und Jos. Gostick
(1846) und eine Dame Mary Anne Burt mit dem „<A«rmÄir War¬
nas suL'° (2 vois. Qdur 1853). In Deutschland sind in weiteren Kreisen
ziemlich bekannt geworden I. G. Flügel's „I'Iov^ors ok (^sriNÄN xoetrv"
aus 26 Dichtern (Leipzig 1835) und Alfred Baskervil le's „I>o6dro ot
Kermanv" aus 73 Dichtern (Leipzig 1853, jetzt Altona 3, Aufl.), und ganz
neuerdings ist in London und Leipzig (bei I. F. Hartknoch 1869) eine in¬
teressante Auswahl erschienen, nämlich H. E. Goldschmidt's „Deutsche
Poesie in den vorzüglichsten (?) englischen Uebersetzungen" — ein Buch,
dessen eingehender Durchsicht der gegenwärtige Aufsatz den Anlaß' verdankt.

Halten wir uns zunächst wieder an Goethe als Lieder- und Balla¬
dendichter. Den „Erlkönig" haben wir schon in schottischer Tracht kennen
gelernt. Außer dem unzählige Mal übersetzten Gedicht ist wohl kaum ein
andres öfter ins Englische übertragen worden als „Mignon." Einer der un¬
glücklichsten Versuche ist der von Mrs. oder Miss M. A, Burt:


ünow'se thou tho l-ma wboro oitron-tlovorew bloom,
Ibo goläon ora,nM glmvZ, 'noiM loalv gloom,
Lg.1sa.mio ?oxbvrs FÜÄo, 'mia bggvon's diuo Äcios,
Lnoot mvrtlos tbrivo a.na laurols proa-alö riso;
I!ne»v'se thou tho taret? — Lolvvoä! — come,
1Ja,hev! — tbitbor>vara, vnd tboo, I xgrt to roa.in!

Einfacher und wörtlicher, dünkt mich, hat Ri es. Garnele die Strophe
wiedergegeben:


ünov'se lion tho land nboro tlovers tho oitron-bloom,
^na ZolÄon ora-ngo glows in 1sa.to gloom?
solt ^ma tluttors trou tho lair diuo skv,
Lent foras ello mvrtlo ima tho laurol biZ)l;
ZLnov'se thou tho lana?
0 tboro, 0 tboro,
No krionä, no lovo, miZbt thou ana I roxa.ir!

Hier wird uns in der ersten Zeile der doppelte Ausdruck für „blüh'n"
mißfallen, in der dritten entspricht das „lluttLr" nicht dem einfachen „wehen",


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/312>, abgerufen am 22.07.2024.