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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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wenn man sie mit dem dicht daneben hängenden Johann van Eyck vergleicht,
in hohem Grade erkennen, welchen Fortschritt die Wiedergabe der Bewegung
und der Proportion in dem Jahrhundert gemacht hatte, das zwischen den
Arbeiten dieser Meister liegt, und wie Holbein bis zuletzt das technische
Geschick für malerische Specialisirung der Gewänder und Stoffe beibehielt.
Von den anderen Porträts, die mit seinem Namen geschmückt sind, genügt
es, die des Mörz'schen Ehepaares (Eigenthum des Se. Annen-Stiftes in
Augsburg) hervorzuheben, welche respektable Arbeiten Amberger's sind,
während drei andere (im Besitz der Herren Augusti in Stuttgart, Pestalozzi-
Wieser in Zürich und Arnhard in München) nicht genau bestimmt werden
können. Die von Herrn Landammann Schindler in Zürich ausgestellte Replik
der Lais Corinthiaca ist eine zwar verhältnißmäßig moderne, aber sehr weich
und schön behandelte Copie. --

Auch was uns die Münchener Ausstellung über Albrecht Dürer
Neues lehrt, ist nicht ohne Belang. Gerade im Leben der größten Maler
gibt es Partien, welche der Forschung spotten. Die Jugend Perugino's und
Rafael's z. B. sind uns nur sehr ungenügend bekannt, bei Dürer ist es
besonders sein Aufenthalt in Venedig, der Einfluß der dortigen Kunst aus
die seinige und der seinigen aus die Venezianer, was uns immer noch zu
rathen aufgibt; auch sind wir nicht einmal sicher, ob Dürer nur ein Mal
oder zwei Mal in Italien war. Eins der hier befindlichen Bilder, ein Lal-
VÄtor muiM aus dem Besitz des Herrn Reichardt in München, regt interessante
Fragen über diesen Punkt an. Bevor wir aber näher auf dasselbe eingehen,
wird es sich empfehlen, an einige Thatsachen zu erinnern, die mit Dürer's
Leben und Werken während der Zeit seiner italienischen Reise Zusammen¬
hang haben. Aus eigenen Briefen des Meisters sowie aus anderweiten
Quellen ist uns bekannt, daß er 1605 -- 1S06 in Venedig gewesen ist. Als
alter Verehrer Mantegna's hegte er den Wunsch, diesen berühmten Meister
persönlich kennen zu lernen. Ob er sich nun unmittelbar bei demselben einzu¬
führen suchte, wissen wir nicht; aber da er mit den Fugger in Verbindung
stand, für die er Aufträge hatte, war am einfachsten, sich an die BMni zu
wenden, die mit Mantegna verschwägert waren. Er suchte denn auch den
Giovanni Bellini auf und wurde mit großer Auszeichnung von ihm aufge¬
nommen, war er doch auch bereits als ein vielversprechendes Talent in seiner
Kunst bekannt. Bei Bellini konnte er Empfehlungsbriefe nach Mantua er¬
bitten und diese sind vielleicht nur deshalb nicht abgegeben worden, weil
Mantua 1306 durch Guarantäne von Venedig abgesperrt war, wegen der
dort grassirenden Seuche, an welcher Mantegna selbst in eben diesem Jahre
starb. Dürer machte sich unterdessen in Venedig zu thun. Er war zu einer
Zeit dahingekommen, da zwei wichtige Strömungen in der Kunstthätigkeit


wenn man sie mit dem dicht daneben hängenden Johann van Eyck vergleicht,
in hohem Grade erkennen, welchen Fortschritt die Wiedergabe der Bewegung
und der Proportion in dem Jahrhundert gemacht hatte, das zwischen den
Arbeiten dieser Meister liegt, und wie Holbein bis zuletzt das technische
Geschick für malerische Specialisirung der Gewänder und Stoffe beibehielt.
Von den anderen Porträts, die mit seinem Namen geschmückt sind, genügt
es, die des Mörz'schen Ehepaares (Eigenthum des Se. Annen-Stiftes in
Augsburg) hervorzuheben, welche respektable Arbeiten Amberger's sind,
während drei andere (im Besitz der Herren Augusti in Stuttgart, Pestalozzi-
Wieser in Zürich und Arnhard in München) nicht genau bestimmt werden
können. Die von Herrn Landammann Schindler in Zürich ausgestellte Replik
der Lais Corinthiaca ist eine zwar verhältnißmäßig moderne, aber sehr weich
und schön behandelte Copie. —

Auch was uns die Münchener Ausstellung über Albrecht Dürer
Neues lehrt, ist nicht ohne Belang. Gerade im Leben der größten Maler
gibt es Partien, welche der Forschung spotten. Die Jugend Perugino's und
Rafael's z. B. sind uns nur sehr ungenügend bekannt, bei Dürer ist es
besonders sein Aufenthalt in Venedig, der Einfluß der dortigen Kunst aus
die seinige und der seinigen aus die Venezianer, was uns immer noch zu
rathen aufgibt; auch sind wir nicht einmal sicher, ob Dürer nur ein Mal
oder zwei Mal in Italien war. Eins der hier befindlichen Bilder, ein Lal-
VÄtor muiM aus dem Besitz des Herrn Reichardt in München, regt interessante
Fragen über diesen Punkt an. Bevor wir aber näher auf dasselbe eingehen,
wird es sich empfehlen, an einige Thatsachen zu erinnern, die mit Dürer's
Leben und Werken während der Zeit seiner italienischen Reise Zusammen¬
hang haben. Aus eigenen Briefen des Meisters sowie aus anderweiten
Quellen ist uns bekannt, daß er 1605 — 1S06 in Venedig gewesen ist. Als
alter Verehrer Mantegna's hegte er den Wunsch, diesen berühmten Meister
persönlich kennen zu lernen. Ob er sich nun unmittelbar bei demselben einzu¬
führen suchte, wissen wir nicht; aber da er mit den Fugger in Verbindung
stand, für die er Aufträge hatte, war am einfachsten, sich an die BMni zu
wenden, die mit Mantegna verschwägert waren. Er suchte denn auch den
Giovanni Bellini auf und wurde mit großer Auszeichnung von ihm aufge¬
nommen, war er doch auch bereits als ein vielversprechendes Talent in seiner
Kunst bekannt. Bei Bellini konnte er Empfehlungsbriefe nach Mantua er¬
bitten und diese sind vielleicht nur deshalb nicht abgegeben worden, weil
Mantua 1306 durch Guarantäne von Venedig abgesperrt war, wegen der
dort grassirenden Seuche, an welcher Mantegna selbst in eben diesem Jahre
starb. Dürer machte sich unterdessen in Venedig zu thun. Er war zu einer
Zeit dahingekommen, da zwei wichtige Strömungen in der Kunstthätigkeit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/31>, abgerufen am 22.07.2024.