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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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schottisch singen und seufzen muß, da sie doch nirgends im deutschen Original
trotz schlichter Herkunft sich einer Provinzialmundart bedient. Jedenfalls
eignet sich der schottische Balladenton weit besser für den "Erlkönig",
welchen derselbe P. Gardner, ebenfalls im Edinburger "Scotsman", vor
einigen Jahren dialektisch übersetzt hat:


^Vba. riclsZ M"z l"to ibrauZn winä an' niobt?
^ taitbor it is öl' bis haim sag vrioiU,;
Ibs vo.I1an' tlo bimÄs ol' via-spinZ arm,
Jto grixs bim sielcor, Iio Icesxs bim vara.



Wenden wir uns zur Betrachtung einiger anderen Dramen Goethe's
zurück, deren englischer Uebertragung, wie wir bereits bei Schiller gesehen,
die dehnbarere Form des reimlosen Jambus zu Statten kommt. Nehmen
wir "Iphigenie auf Tauris". Eine der früheren Uebersetzungsproben aus
diesem Schauspiel stammt aus der Feder desselben Will. Taylor
von Norwich. dem wir schon oben als Dolmetscher von Bürger's Lenore
begegnet sind ("Historische Uebersicht der deutschen Dichtung, mit eingestreuten
Uebers." 3 Bände, London 1829). Taylor leidet an mannigfachen Härten
und bleibt hinter der feierlichen Einfachheit, dem wallenden Strome des
Originals, auch nach des Engländers Lewes Urtheil, weiter zurück als
eine der neueren Uebersetzungen, diejenige der Miß Swanwick.

Welcher und treuer ist schon die Wiedergabe von Charles Des Voeur
(im Anhang zu dessen "Tcisso", London 1827), die zwar früher erschienen,
aber wahrscheinlich später gearbeitet ist als Taylor's Bruchstücke:


ZZonsg-eh ^our Aloomz? sbaclos, z^o vaving roxs
Ol this xrimoval, bi>.I1c>^v'ä, clous<Z-tha,v'et Zrovo,
^s at tho Zoclclgss's most soerot sdrins,
I ^ot -Mb slmclcloring sonsation step,
^s it I troä tboo lor tbs ürst ein-z nov;
still mz^ soul is not s.ooustom'et boro. --

Wenn auch hier der melodische Schmelz des Goethe'schen Drama's lange
nicht erreicht ist. so kommt sicherlich ein gut Theil auf Rechnung des laut¬
licher Charakters der englichen Sprache. Lewes ist eben so einsichtig wie
gerecht, zu bemerken, daß sämmtliche Uebertragungen der "Iphigenie" in
seine Muttersprache dem Original nicht ähnlicher seien als ein roher Holz¬
schnitt dem farbenreichen Pinsel eines Titian. Miß Swanwick scheint uns
in formeller Hinsicht alles geleistet zu haben, dessen das durchschnittliche
moderne Englisch an harmonischer Weichheit sähig ist; hören wir noch die
Schlußrede der Iphigenie in ihrer Version:


schottisch singen und seufzen muß, da sie doch nirgends im deutschen Original
trotz schlichter Herkunft sich einer Provinzialmundart bedient. Jedenfalls
eignet sich der schottische Balladenton weit besser für den „Erlkönig",
welchen derselbe P. Gardner, ebenfalls im Edinburger „Scotsman", vor
einigen Jahren dialektisch übersetzt hat:


^Vba. riclsZ M«z l»to ibrauZn winä an' niobt?
^ taitbor it is öl' bis haim sag vrioiU,;
Ibs vo.I1an' tlo bimÄs ol' via-spinZ arm,
Jto grixs bim sielcor, Iio Icesxs bim vara.



Wenden wir uns zur Betrachtung einiger anderen Dramen Goethe's
zurück, deren englischer Uebertragung, wie wir bereits bei Schiller gesehen,
die dehnbarere Form des reimlosen Jambus zu Statten kommt. Nehmen
wir „Iphigenie auf Tauris". Eine der früheren Uebersetzungsproben aus
diesem Schauspiel stammt aus der Feder desselben Will. Taylor
von Norwich. dem wir schon oben als Dolmetscher von Bürger's Lenore
begegnet sind („Historische Uebersicht der deutschen Dichtung, mit eingestreuten
Uebers." 3 Bände, London 1829). Taylor leidet an mannigfachen Härten
und bleibt hinter der feierlichen Einfachheit, dem wallenden Strome des
Originals, auch nach des Engländers Lewes Urtheil, weiter zurück als
eine der neueren Uebersetzungen, diejenige der Miß Swanwick.

Welcher und treuer ist schon die Wiedergabe von Charles Des Voeur
(im Anhang zu dessen „Tcisso", London 1827), die zwar früher erschienen,
aber wahrscheinlich später gearbeitet ist als Taylor's Bruchstücke:


ZZonsg-eh ^our Aloomz? sbaclos, z^o vaving roxs
Ol this xrimoval, bi>.I1c>^v'ä, clous<Z-tha,v'et Zrovo,
^s at tho Zoclclgss's most soerot sdrins,
I ^ot -Mb slmclcloring sonsation step,
^s it I troä tboo lor tbs ürst ein-z nov;
still mz^ soul is not s.ooustom'et boro. —

Wenn auch hier der melodische Schmelz des Goethe'schen Drama's lange
nicht erreicht ist. so kommt sicherlich ein gut Theil auf Rechnung des laut¬
licher Charakters der englichen Sprache. Lewes ist eben so einsichtig wie
gerecht, zu bemerken, daß sämmtliche Uebertragungen der „Iphigenie" in
seine Muttersprache dem Original nicht ähnlicher seien als ein roher Holz¬
schnitt dem farbenreichen Pinsel eines Titian. Miß Swanwick scheint uns
in formeller Hinsicht alles geleistet zu haben, dessen das durchschnittliche
moderne Englisch an harmonischer Weichheit sähig ist; hören wir noch die
Schlußrede der Iphigenie in ihrer Version:


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[0309] schottisch singen und seufzen muß, da sie doch nirgends im deutschen Original trotz schlichter Herkunft sich einer Provinzialmundart bedient. Jedenfalls eignet sich der schottische Balladenton weit besser für den „Erlkönig", welchen derselbe P. Gardner, ebenfalls im Edinburger „Scotsman", vor einigen Jahren dialektisch übersetzt hat: ^Vba. riclsZ M«z l»to ibrauZn winä an' niobt? ^ taitbor it is öl' bis haim sag vrioiU,; Ibs vo.I1an' tlo bimÄs ol' via-spinZ arm, Jto grixs bim sielcor, Iio Icesxs bim vara. Wenden wir uns zur Betrachtung einiger anderen Dramen Goethe's zurück, deren englischer Uebertragung, wie wir bereits bei Schiller gesehen, die dehnbarere Form des reimlosen Jambus zu Statten kommt. Nehmen wir „Iphigenie auf Tauris". Eine der früheren Uebersetzungsproben aus diesem Schauspiel stammt aus der Feder desselben Will. Taylor von Norwich. dem wir schon oben als Dolmetscher von Bürger's Lenore begegnet sind („Historische Uebersicht der deutschen Dichtung, mit eingestreuten Uebers." 3 Bände, London 1829). Taylor leidet an mannigfachen Härten und bleibt hinter der feierlichen Einfachheit, dem wallenden Strome des Originals, auch nach des Engländers Lewes Urtheil, weiter zurück als eine der neueren Uebersetzungen, diejenige der Miß Swanwick. Welcher und treuer ist schon die Wiedergabe von Charles Des Voeur (im Anhang zu dessen „Tcisso", London 1827), die zwar früher erschienen, aber wahrscheinlich später gearbeitet ist als Taylor's Bruchstücke: ZZonsg-eh ^our Aloomz? sbaclos, z^o vaving roxs Ol this xrimoval, bi>.I1c>^v'ä, clous<Z-tha,v'et Zrovo, ^s at tho Zoclclgss's most soerot sdrins, I ^ot -Mb slmclcloring sonsation step, ^s it I troä tboo lor tbs ürst ein-z nov; still mz^ soul is not s.ooustom'et boro. — Wenn auch hier der melodische Schmelz des Goethe'schen Drama's lange nicht erreicht ist. so kommt sicherlich ein gut Theil auf Rechnung des laut¬ licher Charakters der englichen Sprache. Lewes ist eben so einsichtig wie gerecht, zu bemerken, daß sämmtliche Uebertragungen der „Iphigenie" in seine Muttersprache dem Original nicht ähnlicher seien als ein roher Holz¬ schnitt dem farbenreichen Pinsel eines Titian. Miß Swanwick scheint uns in formeller Hinsicht alles geleistet zu haben, dessen das durchschnittliche moderne Englisch an harmonischer Weichheit sähig ist; hören wir noch die Schlußrede der Iphigenie in ihrer Version:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/309>, abgerufen am 24.08.2024.