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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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erheblich abgekühlt; trotzdem bringt jedes neue Jahr eine oder mehrere neue
englische Faustversionen. Schon aus dieser Thatsache ersteht man, daß es
an einer normgebenden Uebersetzung in England fehlt. Ein Schlegel ist
dort bis jetzt nicht erstanden. Der Biograph Goethe's, H. H. Lewes,
erörtert bei Gelegenheit seiner Analyse des "Faust" die Gründe, weshalb
seine Landsleute durch Uebersetzungen von Goethe's Meisterwerk nur eine
völlig ungenügende Vorstellung bekämen; man müsse zum Original greifen,
um volles Verständniß sowohl wie vollen Genuß zu erlangen. Was Lewes
über die Nachtheile poetischer Uebertragung im Allgemeinen bemerkt, ist alles
sehr wahr und sehr einsichtig, trifft aber dennoch den concreten Fall nicht, sodaß
dadurch die Unzulänglichkeit fast sämmtlicher englischer Uebersetzer des Faust
genügend gerechtfertigt würde. Uns scheint vielmehr, als fehle es den Eng¬
ländern überhaupt an Qualität und Beweglichkeit der geistigen Organe, um
sich in die Tiefen und Feinheiten des poetischen Ausdrucks, die Musik unserer
Sprache, den Fluß unserer Versmaaße, wie sie in diesem Gedichte sich aus¬
prägen, in selbstloser Hingebung zu versenken. Wenn selbst die besten eng¬
lischen Uebersetzungen -- nach Lewes' eigenem Urtheil die von Professor John
Stuart Blackie (1834) und Dr. John Auster, (1833)--in wesentlichen
Punkten, vor Allem aber im Tone des Ganzen fehl gehen, so liegt das
nicht allein am Proceß des Uebersetzens überhaupt, sondern einfach daran,
daß weder die englische der deutschen Sprache an Fügsamkett, noch die
englischen den deutschen Uebersetzern an Jmitationsvermögen gewachsen sind.
Man stelle z. B. Blackie's "Faust" und Schlegel's "Hamlet" als Kunst¬
werke der Reproduction neben einander: selbst ein unparteiischer Engländer
wird keinen Augenblick schwanken, wem der Preis gebühre. -- Wir begnügen
uns mit einigen sporadischen Bruchstücken aus dem englischen Faust, zunächst
dem von Dr. Auster:


^Zain in ZooxoninA bog-ut^, z^o tioat near,
?orins, cual,y iinag'ä in tho eka^s gons --
Is trat via kann^ t-o tho doa,re> still äoar?
?o that, via spkll ritt aZain roxlz^?
?s tbronZ bsloro luz? visvv äivinsl^ olsar,
I^iKo sunbsains oonausrinF g, olonä^ si:^!
Idsu liavo ins g.t> z^our will! Nz^ bosoin bums,
Nusio is brogMmZ -- ^outli auel lo^ rswrng!

Das Versmaaß ist bewahrt und doch -- wo bleibt der "Zauberhauch"?
Der poetische Duft, die tiefe Innerlichkeit, der feierliche Ton, der melo¬
dische Reiz sind in gezwungene Umschreibung verflüchtigt! Dem Original
näher kommt jedenfalls folgende Uebersetzung bei Lewis Filmore (1833,
Notes?. 32):


erheblich abgekühlt; trotzdem bringt jedes neue Jahr eine oder mehrere neue
englische Faustversionen. Schon aus dieser Thatsache ersteht man, daß es
an einer normgebenden Uebersetzung in England fehlt. Ein Schlegel ist
dort bis jetzt nicht erstanden. Der Biograph Goethe's, H. H. Lewes,
erörtert bei Gelegenheit seiner Analyse des „Faust" die Gründe, weshalb
seine Landsleute durch Uebersetzungen von Goethe's Meisterwerk nur eine
völlig ungenügende Vorstellung bekämen; man müsse zum Original greifen,
um volles Verständniß sowohl wie vollen Genuß zu erlangen. Was Lewes
über die Nachtheile poetischer Uebertragung im Allgemeinen bemerkt, ist alles
sehr wahr und sehr einsichtig, trifft aber dennoch den concreten Fall nicht, sodaß
dadurch die Unzulänglichkeit fast sämmtlicher englischer Uebersetzer des Faust
genügend gerechtfertigt würde. Uns scheint vielmehr, als fehle es den Eng¬
ländern überhaupt an Qualität und Beweglichkeit der geistigen Organe, um
sich in die Tiefen und Feinheiten des poetischen Ausdrucks, die Musik unserer
Sprache, den Fluß unserer Versmaaße, wie sie in diesem Gedichte sich aus¬
prägen, in selbstloser Hingebung zu versenken. Wenn selbst die besten eng¬
lischen Uebersetzungen — nach Lewes' eigenem Urtheil die von Professor John
Stuart Blackie (1834) und Dr. John Auster, (1833)—in wesentlichen
Punkten, vor Allem aber im Tone des Ganzen fehl gehen, so liegt das
nicht allein am Proceß des Uebersetzens überhaupt, sondern einfach daran,
daß weder die englische der deutschen Sprache an Fügsamkett, noch die
englischen den deutschen Uebersetzern an Jmitationsvermögen gewachsen sind.
Man stelle z. B. Blackie's „Faust" und Schlegel's „Hamlet" als Kunst¬
werke der Reproduction neben einander: selbst ein unparteiischer Engländer
wird keinen Augenblick schwanken, wem der Preis gebühre. — Wir begnügen
uns mit einigen sporadischen Bruchstücken aus dem englischen Faust, zunächst
dem von Dr. Auster:


^Zain in ZooxoninA bog-ut^, z^o tioat near,
?orins, cual,y iinag'ä in tho eka^s gons —
Is trat via kann^ t-o tho doa,re> still äoar?
?o that, via spkll ritt aZain roxlz^?
?s tbronZ bsloro luz? visvv äivinsl^ olsar,
I^iKo sunbsains oonausrinF g, olonä^ si:^!
Idsu liavo ins g.t> z^our will! Nz^ bosoin bums,
Nusio is brogMmZ — ^outli auel lo^ rswrng!

Das Versmaaß ist bewahrt und doch — wo bleibt der „Zauberhauch"?
Der poetische Duft, die tiefe Innerlichkeit, der feierliche Ton, der melo¬
dische Reiz sind in gezwungene Umschreibung verflüchtigt! Dem Original
näher kommt jedenfalls folgende Uebersetzung bei Lewis Filmore (1833,
Notes?. 32):


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/306>, abgerufen am 24.08.2024.