Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

dernde Zusammenkünfte von Vereinsabgeordneten, Geschäftsführung in der
Zwischenzeit durch einen dafür erwählten Verein, Gründung eines Corre-
spondenzblattes, wie man sie beschlossen hat, werden diesen Zweck voraus¬
sichtlich erfüllen. Handelt es sich einmal um gemeinsame Maßregeln oder
Unternehmungen, so soll es einer Zweidrittelmehrheit bedürfen und die
Stimmen der vertretenen Vereine nach dem Verhältniß von 1 auf je 50 Mit¬
glieder des betreffenden Vereins zählen. Man hatte die Feststellung dieses
Verbandes und seiner Organisation in den Anfang der Verhandlungen gestellt;
es entsprach der dominirenden Wichtigkeit der Frage, führte aber insofern eine
gewisse Gefahr mit sich, als die persönliche Annäherung und Verständigung
nothwendig noch nicht gleich so weit gediehen sein konnte, wie gegen das
Ende eines mehrtägigen Beisammenseins der Fall gewesen sein würde. Die
Gefahr blieb auch nicht bloß im Abstracten über der Versammlung schwebern
Sie wurde praktisch, als nach gefaßten Organisations-Beschluß in dem schon
erwählten Vorort Berlin der geschäftsführende Verein zu wählen war und
die Wahl auf den Berliner Lette-Verein fiel. Nichts, war natürlicher, ja
unvermeidlicher als diese Wahl. Dieser Verein allein von den überhaupt
vertretenen Berliner Vereinen war den Auswärtigen, namentlich den Vereins¬
vertretern unter ihnen, hinlänglich bekannt, und bot ihnen die erforderlichen
Bürgschaften für fernere Geschäftsführung in ihrem Sinne. Es ist derselbe
Verein, der vom verstorbenen Lette gestiftet worden, von der Kronprinzessin
vatronisirt, von Prof. v. Holtzendorff und Frl. Jenny Hirsch geleitet wird,
und bisher "Verein zur Beförderung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen
Geschlechts" hieß. Aber was für alle oder fast alle Auswärtigen und die
überwiegende Mehrheit der Versammlung galt, das galt nicht zugleich für
einige der Anwesenden aus Berlin. Diese hätten mindestens, wenn auch
nicht für einen andern Verein die Geschäftsführung, so doch die Uebertragung
derselben an einen besonders zu wählenden und ihnen also gleichfalls Platz
eröffnenden Ausschuß gewünscht. Es braucht hier nicht untersucht zu werden,
was sachlich für oder wider diese Form der Leitung des Verbandes gesprochen
hätte. Genug, daß der sie ausschließende Beschluß bereits gefaßt, daß folglich
nichts weiter übrig war, als einen bestimmten Verein zur Geschäftsführung
zu wählen, und daß dies Allem nach nur der Lette-Verein sein konnte. Die
Versuche, den oben gefaßten Beschluß auf der Stelle wieder rückgängig zu
machen, hätten, wenn gelungen, das ganze Unternehmen nur aufs Bedenk¬
lichste compromittiren können. Sie scheiterten an dem Entschluß des Prä¬
sidiums und der Unterstützung desselben durch den gesunden Sinn der Mehr¬
heit. Damit bestätigte dies?, daß die deutschen Frauen für den Gebrauch
der Machtmittel des öffentlichen Lebens reif geworden sind. In der zunächst
entstehenden vorübergehenden Aufregung aber zeigte sich doch ein ziemliches


36"

dernde Zusammenkünfte von Vereinsabgeordneten, Geschäftsführung in der
Zwischenzeit durch einen dafür erwählten Verein, Gründung eines Corre-
spondenzblattes, wie man sie beschlossen hat, werden diesen Zweck voraus¬
sichtlich erfüllen. Handelt es sich einmal um gemeinsame Maßregeln oder
Unternehmungen, so soll es einer Zweidrittelmehrheit bedürfen und die
Stimmen der vertretenen Vereine nach dem Verhältniß von 1 auf je 50 Mit¬
glieder des betreffenden Vereins zählen. Man hatte die Feststellung dieses
Verbandes und seiner Organisation in den Anfang der Verhandlungen gestellt;
es entsprach der dominirenden Wichtigkeit der Frage, führte aber insofern eine
gewisse Gefahr mit sich, als die persönliche Annäherung und Verständigung
nothwendig noch nicht gleich so weit gediehen sein konnte, wie gegen das
Ende eines mehrtägigen Beisammenseins der Fall gewesen sein würde. Die
Gefahr blieb auch nicht bloß im Abstracten über der Versammlung schwebern
Sie wurde praktisch, als nach gefaßten Organisations-Beschluß in dem schon
erwählten Vorort Berlin der geschäftsführende Verein zu wählen war und
die Wahl auf den Berliner Lette-Verein fiel. Nichts, war natürlicher, ja
unvermeidlicher als diese Wahl. Dieser Verein allein von den überhaupt
vertretenen Berliner Vereinen war den Auswärtigen, namentlich den Vereins¬
vertretern unter ihnen, hinlänglich bekannt, und bot ihnen die erforderlichen
Bürgschaften für fernere Geschäftsführung in ihrem Sinne. Es ist derselbe
Verein, der vom verstorbenen Lette gestiftet worden, von der Kronprinzessin
vatronisirt, von Prof. v. Holtzendorff und Frl. Jenny Hirsch geleitet wird,
und bisher „Verein zur Beförderung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen
Geschlechts" hieß. Aber was für alle oder fast alle Auswärtigen und die
überwiegende Mehrheit der Versammlung galt, das galt nicht zugleich für
einige der Anwesenden aus Berlin. Diese hätten mindestens, wenn auch
nicht für einen andern Verein die Geschäftsführung, so doch die Uebertragung
derselben an einen besonders zu wählenden und ihnen also gleichfalls Platz
eröffnenden Ausschuß gewünscht. Es braucht hier nicht untersucht zu werden,
was sachlich für oder wider diese Form der Leitung des Verbandes gesprochen
hätte. Genug, daß der sie ausschließende Beschluß bereits gefaßt, daß folglich
nichts weiter übrig war, als einen bestimmten Verein zur Geschäftsführung
zu wählen, und daß dies Allem nach nur der Lette-Verein sein konnte. Die
Versuche, den oben gefaßten Beschluß auf der Stelle wieder rückgängig zu
machen, hätten, wenn gelungen, das ganze Unternehmen nur aufs Bedenk¬
lichste compromittiren können. Sie scheiterten an dem Entschluß des Prä¬
sidiums und der Unterstützung desselben durch den gesunden Sinn der Mehr¬
heit. Damit bestätigte dies?, daß die deutschen Frauen für den Gebrauch
der Machtmittel des öffentlichen Lebens reif geworden sind. In der zunächst
entstehenden vorübergehenden Aufregung aber zeigte sich doch ein ziemliches


36"
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0291" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/122046"/>
          <p xml:id="ID_793" prev="#ID_792" next="#ID_794"> dernde Zusammenkünfte von Vereinsabgeordneten, Geschäftsführung in der<lb/>
Zwischenzeit durch einen dafür erwählten Verein, Gründung eines Corre-<lb/>
spondenzblattes, wie man sie beschlossen hat, werden diesen Zweck voraus¬<lb/>
sichtlich erfüllen.  Handelt es sich einmal um gemeinsame Maßregeln oder<lb/>
Unternehmungen, so soll es einer Zweidrittelmehrheit bedürfen und die<lb/>
Stimmen der vertretenen Vereine nach dem Verhältniß von 1 auf je 50 Mit¬<lb/>
glieder des betreffenden Vereins zählen.  Man hatte die Feststellung dieses<lb/>
Verbandes und seiner Organisation in den Anfang der Verhandlungen gestellt;<lb/>
es entsprach der dominirenden Wichtigkeit der Frage, führte aber insofern eine<lb/>
gewisse Gefahr mit sich, als die persönliche Annäherung und Verständigung<lb/>
nothwendig noch nicht gleich so weit gediehen sein konnte, wie gegen das<lb/>
Ende eines mehrtägigen Beisammenseins der Fall gewesen sein würde. Die<lb/>
Gefahr blieb auch nicht bloß im Abstracten über der Versammlung schwebern<lb/>
Sie wurde praktisch, als nach gefaßten Organisations-Beschluß in dem schon<lb/>
erwählten Vorort Berlin der geschäftsführende Verein zu wählen war und<lb/>
die Wahl auf den Berliner Lette-Verein fiel.  Nichts, war natürlicher, ja<lb/>
unvermeidlicher als diese Wahl.  Dieser Verein  allein von den überhaupt<lb/>
vertretenen Berliner Vereinen war den Auswärtigen, namentlich den Vereins¬<lb/>
vertretern unter ihnen, hinlänglich bekannt, und bot ihnen die erforderlichen<lb/>
Bürgschaften für fernere Geschäftsführung in ihrem Sinne.  Es ist derselbe<lb/>
Verein, der vom verstorbenen Lette gestiftet worden, von der Kronprinzessin<lb/>
vatronisirt, von Prof. v. Holtzendorff und Frl. Jenny Hirsch geleitet wird,<lb/>
und bisher &#x201E;Verein zur Beförderung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen<lb/>
Geschlechts" hieß.  Aber was für alle oder fast alle Auswärtigen und die<lb/>
überwiegende Mehrheit der Versammlung galt, das galt nicht zugleich für<lb/>
einige der Anwesenden aus Berlin.  Diese hätten mindestens, wenn auch<lb/>
nicht für einen andern Verein die Geschäftsführung, so doch die Uebertragung<lb/>
derselben an einen besonders zu wählenden und ihnen also gleichfalls Platz<lb/>
eröffnenden Ausschuß gewünscht. Es braucht hier nicht untersucht zu werden,<lb/>
was sachlich für oder wider diese Form der Leitung des Verbandes gesprochen<lb/>
hätte. Genug, daß der sie ausschließende Beschluß bereits gefaßt, daß folglich<lb/>
nichts weiter übrig war, als einen bestimmten Verein zur Geschäftsführung<lb/>
zu wählen, und daß dies Allem nach nur der Lette-Verein sein konnte. Die<lb/>
Versuche, den oben gefaßten Beschluß auf der Stelle wieder rückgängig zu<lb/>
machen, hätten, wenn gelungen, das ganze Unternehmen nur aufs Bedenk¬<lb/>
lichste compromittiren können.  Sie scheiterten an dem Entschluß des Prä¬<lb/>
sidiums und der Unterstützung desselben durch den gesunden Sinn der Mehr¬<lb/>
heit.  Damit bestätigte dies?, daß die deutschen Frauen für den Gebrauch<lb/>
der Machtmittel des öffentlichen Lebens reif geworden sind.  In der zunächst<lb/>
entstehenden vorübergehenden Aufregung aber zeigte sich doch ein ziemliches</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 36"</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0291] dernde Zusammenkünfte von Vereinsabgeordneten, Geschäftsführung in der Zwischenzeit durch einen dafür erwählten Verein, Gründung eines Corre- spondenzblattes, wie man sie beschlossen hat, werden diesen Zweck voraus¬ sichtlich erfüllen. Handelt es sich einmal um gemeinsame Maßregeln oder Unternehmungen, so soll es einer Zweidrittelmehrheit bedürfen und die Stimmen der vertretenen Vereine nach dem Verhältniß von 1 auf je 50 Mit¬ glieder des betreffenden Vereins zählen. Man hatte die Feststellung dieses Verbandes und seiner Organisation in den Anfang der Verhandlungen gestellt; es entsprach der dominirenden Wichtigkeit der Frage, führte aber insofern eine gewisse Gefahr mit sich, als die persönliche Annäherung und Verständigung nothwendig noch nicht gleich so weit gediehen sein konnte, wie gegen das Ende eines mehrtägigen Beisammenseins der Fall gewesen sein würde. Die Gefahr blieb auch nicht bloß im Abstracten über der Versammlung schwebern Sie wurde praktisch, als nach gefaßten Organisations-Beschluß in dem schon erwählten Vorort Berlin der geschäftsführende Verein zu wählen war und die Wahl auf den Berliner Lette-Verein fiel. Nichts, war natürlicher, ja unvermeidlicher als diese Wahl. Dieser Verein allein von den überhaupt vertretenen Berliner Vereinen war den Auswärtigen, namentlich den Vereins¬ vertretern unter ihnen, hinlänglich bekannt, und bot ihnen die erforderlichen Bürgschaften für fernere Geschäftsführung in ihrem Sinne. Es ist derselbe Verein, der vom verstorbenen Lette gestiftet worden, von der Kronprinzessin vatronisirt, von Prof. v. Holtzendorff und Frl. Jenny Hirsch geleitet wird, und bisher „Verein zur Beförderung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts" hieß. Aber was für alle oder fast alle Auswärtigen und die überwiegende Mehrheit der Versammlung galt, das galt nicht zugleich für einige der Anwesenden aus Berlin. Diese hätten mindestens, wenn auch nicht für einen andern Verein die Geschäftsführung, so doch die Uebertragung derselben an einen besonders zu wählenden und ihnen also gleichfalls Platz eröffnenden Ausschuß gewünscht. Es braucht hier nicht untersucht zu werden, was sachlich für oder wider diese Form der Leitung des Verbandes gesprochen hätte. Genug, daß der sie ausschließende Beschluß bereits gefaßt, daß folglich nichts weiter übrig war, als einen bestimmten Verein zur Geschäftsführung zu wählen, und daß dies Allem nach nur der Lette-Verein sein konnte. Die Versuche, den oben gefaßten Beschluß auf der Stelle wieder rückgängig zu machen, hätten, wenn gelungen, das ganze Unternehmen nur aufs Bedenk¬ lichste compromittiren können. Sie scheiterten an dem Entschluß des Prä¬ sidiums und der Unterstützung desselben durch den gesunden Sinn der Mehr¬ heit. Damit bestätigte dies?, daß die deutschen Frauen für den Gebrauch der Machtmittel des öffentlichen Lebens reif geworden sind. In der zunächst entstehenden vorübergehenden Aufregung aber zeigte sich doch ein ziemliches 36"

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/291
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/291>, abgerufen am 02.10.2024.