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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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Glaube an den Ernst des Kultusministeriums sofort erwachen, sobald ein
einheitliches Consistorium eingerichtet ist, in das die rennenden Superinten¬
denten als Ehrenmitglieder und so und so viele Geistliche als ständige Bei¬
sitzer ausgenommen werden, die sich nicht als Freunde der Synodalverfassung
ausgewiesen haben? Wir glauben es nicht, und glauben es so lange nicht,
als die Kreuzzeitung fortwährend die Renitenz der Pastöre in Schutz nimmt, selbst
wenn diese gegen solche Anordnungen ihrer vorgesetzten Behörden Protestiren,
welche nur in einem ganz indirecren, ja zweifelhaftem Zusammenhange mit
der Synodalangelegenheit stehen. Der Unsegen, der in Hessen auf der ganzen
Synodalangelegenheit ruht, hat zum großen Theile in dem Mißtrauen seine
Ursache, mit dem hier alle kirchlichen Parteien dem Cultusministerium gegen¬
über stehen. Die Liberalen blicken auf die Männer hin, die der Cultus¬
minister in das Land geschickt hat, und die sämmtlich mehr oder weniger
einer ihnen feindlich gegenüberstehenden kirchlichen Partei angehören; die
Vilmarianer weisen auf die Maßregeln hin, die von Berlin ausgegangen
sind, und mit denen sie sich nicht befreunden könnten, so viele persönliche
Vortheile man ihnen auch versprochen habe, wenn sie ihren principiellen
Widerstand aufgeben wollten. --

Wie soll sich nun der preußische Landtag gegen die Forderung des
Cultusministers, ihm eine relativ hohe Summe zur Errichtung eines Gesammt-
consistoriums zu bewilligen, verhalten? Wir glauben, es wird der Kammer
Nichts übrig bleiben, als die Summe zu gewähren. Doch darf es nur unter
einer ganz bestimmten, klaren Bedingung geschehen.

Man wird als sicher annehmen dürfen, daß der Cultusminister seine
Vorlagen für die Synode nicht noch verschlechtern wird, so daß das, was
schließlich der hessischen Kirche als geltende Kuchenversassung geboten werden
wird, hinter diesen Vorlagen zurückbleibt. Ferner wird man nicht unter¬
stellen können, daß, nachdem einmal die außerordentliche Synode gehört
worden ist, noch weitere Verhandlungen mit den Superintendenten stattfinden
werden. Endlich wird sich die Regierung überzeugt haben, daß mit Leuten
nicht zu Pallirer ist, die ihrerseits von vornherein entschlossen sind, nicht mit
zu Pallirer. Setzen wir aber das voraus, so wird die Einsetzung eines
Gesammtconsistoriums sür unsere kirchlichen Verhältnisse immerhin einen
Fortschritt bezeichnen, so dürftig derselbe auch an sich sein mag. Die reni¬
tente Geistlichkeit ist gegen die Bildung eines einheitlichen Consistoriums;
sieht sie nun, daß in der Richtung auf Bildung derselben fortgeschritten
wird, so ist nicht zu bezweifeln, daß sich ein Theil derselben fügen, der andere,
besonders fanatisirte, sich dagegen auch wider diese Maßregel auflehnen
wird. Thut sie das aber wirklich, dann dürfte der Regierung, die ganz un¬
bestreitbar im Recht ist, wenn sie die Consistorien ganz nach ihrem Gut-


Glaube an den Ernst des Kultusministeriums sofort erwachen, sobald ein
einheitliches Consistorium eingerichtet ist, in das die rennenden Superinten¬
denten als Ehrenmitglieder und so und so viele Geistliche als ständige Bei¬
sitzer ausgenommen werden, die sich nicht als Freunde der Synodalverfassung
ausgewiesen haben? Wir glauben es nicht, und glauben es so lange nicht,
als die Kreuzzeitung fortwährend die Renitenz der Pastöre in Schutz nimmt, selbst
wenn diese gegen solche Anordnungen ihrer vorgesetzten Behörden Protestiren,
welche nur in einem ganz indirecren, ja zweifelhaftem Zusammenhange mit
der Synodalangelegenheit stehen. Der Unsegen, der in Hessen auf der ganzen
Synodalangelegenheit ruht, hat zum großen Theile in dem Mißtrauen seine
Ursache, mit dem hier alle kirchlichen Parteien dem Cultusministerium gegen¬
über stehen. Die Liberalen blicken auf die Männer hin, die der Cultus¬
minister in das Land geschickt hat, und die sämmtlich mehr oder weniger
einer ihnen feindlich gegenüberstehenden kirchlichen Partei angehören; die
Vilmarianer weisen auf die Maßregeln hin, die von Berlin ausgegangen
sind, und mit denen sie sich nicht befreunden könnten, so viele persönliche
Vortheile man ihnen auch versprochen habe, wenn sie ihren principiellen
Widerstand aufgeben wollten. —

Wie soll sich nun der preußische Landtag gegen die Forderung des
Cultusministers, ihm eine relativ hohe Summe zur Errichtung eines Gesammt-
consistoriums zu bewilligen, verhalten? Wir glauben, es wird der Kammer
Nichts übrig bleiben, als die Summe zu gewähren. Doch darf es nur unter
einer ganz bestimmten, klaren Bedingung geschehen.

Man wird als sicher annehmen dürfen, daß der Cultusminister seine
Vorlagen für die Synode nicht noch verschlechtern wird, so daß das, was
schließlich der hessischen Kirche als geltende Kuchenversassung geboten werden
wird, hinter diesen Vorlagen zurückbleibt. Ferner wird man nicht unter¬
stellen können, daß, nachdem einmal die außerordentliche Synode gehört
worden ist, noch weitere Verhandlungen mit den Superintendenten stattfinden
werden. Endlich wird sich die Regierung überzeugt haben, daß mit Leuten
nicht zu Pallirer ist, die ihrerseits von vornherein entschlossen sind, nicht mit
zu Pallirer. Setzen wir aber das voraus, so wird die Einsetzung eines
Gesammtconsistoriums sür unsere kirchlichen Verhältnisse immerhin einen
Fortschritt bezeichnen, so dürftig derselbe auch an sich sein mag. Die reni¬
tente Geistlichkeit ist gegen die Bildung eines einheitlichen Consistoriums;
sieht sie nun, daß in der Richtung auf Bildung derselben fortgeschritten
wird, so ist nicht zu bezweifeln, daß sich ein Theil derselben fügen, der andere,
besonders fanatisirte, sich dagegen auch wider diese Maßregel auflehnen
wird. Thut sie das aber wirklich, dann dürfte der Regierung, die ganz un¬
bestreitbar im Recht ist, wenn sie die Consistorien ganz nach ihrem Gut-


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[0274] Glaube an den Ernst des Kultusministeriums sofort erwachen, sobald ein einheitliches Consistorium eingerichtet ist, in das die rennenden Superinten¬ denten als Ehrenmitglieder und so und so viele Geistliche als ständige Bei¬ sitzer ausgenommen werden, die sich nicht als Freunde der Synodalverfassung ausgewiesen haben? Wir glauben es nicht, und glauben es so lange nicht, als die Kreuzzeitung fortwährend die Renitenz der Pastöre in Schutz nimmt, selbst wenn diese gegen solche Anordnungen ihrer vorgesetzten Behörden Protestiren, welche nur in einem ganz indirecren, ja zweifelhaftem Zusammenhange mit der Synodalangelegenheit stehen. Der Unsegen, der in Hessen auf der ganzen Synodalangelegenheit ruht, hat zum großen Theile in dem Mißtrauen seine Ursache, mit dem hier alle kirchlichen Parteien dem Cultusministerium gegen¬ über stehen. Die Liberalen blicken auf die Männer hin, die der Cultus¬ minister in das Land geschickt hat, und die sämmtlich mehr oder weniger einer ihnen feindlich gegenüberstehenden kirchlichen Partei angehören; die Vilmarianer weisen auf die Maßregeln hin, die von Berlin ausgegangen sind, und mit denen sie sich nicht befreunden könnten, so viele persönliche Vortheile man ihnen auch versprochen habe, wenn sie ihren principiellen Widerstand aufgeben wollten. — Wie soll sich nun der preußische Landtag gegen die Forderung des Cultusministers, ihm eine relativ hohe Summe zur Errichtung eines Gesammt- consistoriums zu bewilligen, verhalten? Wir glauben, es wird der Kammer Nichts übrig bleiben, als die Summe zu gewähren. Doch darf es nur unter einer ganz bestimmten, klaren Bedingung geschehen. Man wird als sicher annehmen dürfen, daß der Cultusminister seine Vorlagen für die Synode nicht noch verschlechtern wird, so daß das, was schließlich der hessischen Kirche als geltende Kuchenversassung geboten werden wird, hinter diesen Vorlagen zurückbleibt. Ferner wird man nicht unter¬ stellen können, daß, nachdem einmal die außerordentliche Synode gehört worden ist, noch weitere Verhandlungen mit den Superintendenten stattfinden werden. Endlich wird sich die Regierung überzeugt haben, daß mit Leuten nicht zu Pallirer ist, die ihrerseits von vornherein entschlossen sind, nicht mit zu Pallirer. Setzen wir aber das voraus, so wird die Einsetzung eines Gesammtconsistoriums sür unsere kirchlichen Verhältnisse immerhin einen Fortschritt bezeichnen, so dürftig derselbe auch an sich sein mag. Die reni¬ tente Geistlichkeit ist gegen die Bildung eines einheitlichen Consistoriums; sieht sie nun, daß in der Richtung auf Bildung derselben fortgeschritten wird, so ist nicht zu bezweifeln, daß sich ein Theil derselben fügen, der andere, besonders fanatisirte, sich dagegen auch wider diese Maßregel auflehnen wird. Thut sie das aber wirklich, dann dürfte der Regierung, die ganz un¬ bestreitbar im Recht ist, wenn sie die Consistorien ganz nach ihrem Gut-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/274>, abgerufen am 24.08.2024.