Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.genossenschaft waren, geht aus dem merkwürdigen Programm hervor, das er genossenschaft waren, geht aus dem merkwürdigen Programm hervor, das er <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0262" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/122017"/> <p xml:id="ID_711" prev="#ID_710" next="#ID_712"> genossenschaft waren, geht aus dem merkwürdigen Programm hervor, das er<lb/> als vertraulichen Vorschlag kurz vor dem Ausbruch des Krieges an Bern<lb/> sandte, und dessen Inhalt kurz darauf hinausläuft, daß Bern und Zürich die<lb/> Vogteien, d. h. die bisher der Eidgenossenschaft gemeinschaftlichen Territorien<lb/> an sich reißen und gemeinsam ein hegemonisches Regiment führen, die fünf<lb/> Orte aber mediatisiren sollten, denn „wer nicht Herr sein kann, dem ist<lb/> es billig, daß er Knecht sei." In späteren Zeiten sollten diese in solcher<lb/> Form freilich gewaltsamen Ideen im Wesentlichen allerdings verwirklicht<lb/> werden, Dank dem Uebergewicht, das diesen beiden Orten nicht blos die<lb/> größere Macht, sondern vor Allem die protestantische Bildung verlieh. Aber<lb/> für jetzt machte die unglückliche Schlacht von Cappel solchen Planen ein<lb/> rasches Ende. Sie raffte nicht blos den heldenmütigen Reformator auf der<lb/> Höhe seines Lebens und seiner Wirksamkeit hinweg, es mußte auch ein un«<lb/> günstiger Friede geschlossen werden, der das Resormationswerk in der Schweiz<lb/> für immer zum Stillstand brachte. Interessant ist es, dabei zu bemerken, wie<lb/> in Zürich selbst nach dem Hingang Zwingli's eine starke Reaction sich zeigte,<lb/> weniger gegen die Sache der Reformation, obwol deren Gegner jetzt gleichfalls<lb/> das Haupt höher trugen, als vielmehr gegen den geistlichen Eifer, der bis dahin<lb/> die Seele der Staatsverwaltung gewesen war. Mörikofer bemerkt: „Je höher<lb/> Zwingli's Gedanken die Fassungskraft und das Verständniß der damaligen<lb/> Mitglieder des Züricherischen Rathes überragten, desto weniger waren sie<lb/> geneigt, nachträglich für dieselben einzustehen, und desto weniger Mühe kostete<lb/> es ihnen, sich öffentlich und auffallend von seinem bisher auf sie ausgeübten<lb/> Einflüsse loszusagen." Auch in diesem Punkt drängt sich die Parallele mit<lb/> Savonarola auf, dessen Sache von da an verloren war, als das bürgerliche<lb/> Element sich wider den geistlichen Fanatismus des Allgebietenden aufzuleh¬<lb/> nen begann, Unter dem Eindruck der Unglücksschläge, bereute man es jetzt<lb/> in Zürich, daß man „durch etliche hochmüthige, unruhige, aufrührerische Leute<lb/> geistlichen und weltlichen Standes in einen schweren, verderblichen Krieg und<lb/> schädliche Empörung gegen unsere Eidgenossen gewachsen" und es wurde ein<lb/> Abkommen zwischen Stadt und Land getroffen, wonach die heimlichen Räthe<lb/> abgeschafft werden und hinfort der Rath ohne Wissen und Willen der Land¬<lb/> schaft keinen Krieg anfangen sollte; das Festhalten an der Reformation<lb/> wurde zwar auf's Neue ausgesprochen, aber der bezeichnende Artikel bei¬<lb/> gefügt: „Wir sind erbötig, hinfür in unserer Stadt Prädikanten anzuneh¬<lb/> men, die friedsam seien und auf Fried und Ruh stellen; wir werden auch<lb/> den Prädikanten nicht gestatten, die Leute als gottlos, böswillig und mit<lb/> ehrverletzenden Schmähungen anzuziehen und zu schelten, sondern alles Fleißes<lb/> darob und daran sein, daß sie das Gotteswort und die Wahrheit christlich,<lb/> tugendlich und freundlich verkünden, die Laster mit der Schrift strafen, doch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0262]
genossenschaft waren, geht aus dem merkwürdigen Programm hervor, das er
als vertraulichen Vorschlag kurz vor dem Ausbruch des Krieges an Bern
sandte, und dessen Inhalt kurz darauf hinausläuft, daß Bern und Zürich die
Vogteien, d. h. die bisher der Eidgenossenschaft gemeinschaftlichen Territorien
an sich reißen und gemeinsam ein hegemonisches Regiment führen, die fünf
Orte aber mediatisiren sollten, denn „wer nicht Herr sein kann, dem ist
es billig, daß er Knecht sei." In späteren Zeiten sollten diese in solcher
Form freilich gewaltsamen Ideen im Wesentlichen allerdings verwirklicht
werden, Dank dem Uebergewicht, das diesen beiden Orten nicht blos die
größere Macht, sondern vor Allem die protestantische Bildung verlieh. Aber
für jetzt machte die unglückliche Schlacht von Cappel solchen Planen ein
rasches Ende. Sie raffte nicht blos den heldenmütigen Reformator auf der
Höhe seines Lebens und seiner Wirksamkeit hinweg, es mußte auch ein un«
günstiger Friede geschlossen werden, der das Resormationswerk in der Schweiz
für immer zum Stillstand brachte. Interessant ist es, dabei zu bemerken, wie
in Zürich selbst nach dem Hingang Zwingli's eine starke Reaction sich zeigte,
weniger gegen die Sache der Reformation, obwol deren Gegner jetzt gleichfalls
das Haupt höher trugen, als vielmehr gegen den geistlichen Eifer, der bis dahin
die Seele der Staatsverwaltung gewesen war. Mörikofer bemerkt: „Je höher
Zwingli's Gedanken die Fassungskraft und das Verständniß der damaligen
Mitglieder des Züricherischen Rathes überragten, desto weniger waren sie
geneigt, nachträglich für dieselben einzustehen, und desto weniger Mühe kostete
es ihnen, sich öffentlich und auffallend von seinem bisher auf sie ausgeübten
Einflüsse loszusagen." Auch in diesem Punkt drängt sich die Parallele mit
Savonarola auf, dessen Sache von da an verloren war, als das bürgerliche
Element sich wider den geistlichen Fanatismus des Allgebietenden aufzuleh¬
nen begann, Unter dem Eindruck der Unglücksschläge, bereute man es jetzt
in Zürich, daß man „durch etliche hochmüthige, unruhige, aufrührerische Leute
geistlichen und weltlichen Standes in einen schweren, verderblichen Krieg und
schädliche Empörung gegen unsere Eidgenossen gewachsen" und es wurde ein
Abkommen zwischen Stadt und Land getroffen, wonach die heimlichen Räthe
abgeschafft werden und hinfort der Rath ohne Wissen und Willen der Land¬
schaft keinen Krieg anfangen sollte; das Festhalten an der Reformation
wurde zwar auf's Neue ausgesprochen, aber der bezeichnende Artikel bei¬
gefügt: „Wir sind erbötig, hinfür in unserer Stadt Prädikanten anzuneh¬
men, die friedsam seien und auf Fried und Ruh stellen; wir werden auch
den Prädikanten nicht gestatten, die Leute als gottlos, böswillig und mit
ehrverletzenden Schmähungen anzuziehen und zu schelten, sondern alles Fleißes
darob und daran sein, daß sie das Gotteswort und die Wahrheit christlich,
tugendlich und freundlich verkünden, die Laster mit der Schrift strafen, doch
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