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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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und in den Verkehr zu bringen, den ersten Anknüpfungspunkt zu den Be¬
ziehungen zwischen dem russischen Finanzminister und dem preußischen Baron,
der nebenbei auch ein berühmter Gelehrten war. Humboldt widerrieth, auf
Grund in Amerika gemachter Erfahrungen die Benutzung der Platina als
Verkehrsmünze und seine bezüglichen Vorhersagungen sind, da Cancrin dennoch
bei seiner Ansicht blieb, durch die Erfahrung vollständig bestätigt worden. In
einem seiner Briefe hatte er den Wunsch ausgesprochen, Sibirien und den
Ural zu bereisen, und diesen Wunsch griff Cancrin auf, um ihn mit einer
förmlichen Einladung des Kaisers zu beantworten, der sich zur Bestreitung
aller Reisekosten erbot. -- Humboldt's Charakter tritt sowohl aus den Brie¬
fen, welche die Bedingungen der Reise betreffen, wie aus den eigentlichen
Reiseberichten selbst, in vortheilhaftester Weise hervor und zeigt uns den
großen Forscher in der Würde, Bescheidenheit und Selbstlosigkeit seines
Wesens. Nur mit Mühe läßt er, der (vgl. S. 43 ff.) sein ganzes Vermögen
wissenschastlichen Zwecken geopfert hat und eingestehen muß, niemals mit sei¬
nem Gelde auszukommen, sich bereden, die Reise von Berlin nach Petersburg
nicht auf eigene Kosten zu unternehmen; von den 20,000 Rbl. Banco (etwa
6000 Thlr.), die ihm in Petersburg ausgezahlt werden, gibt er mehr als ein
Drittheil als Ersparnis; zurück und es erscheint geradezu rührend, daß er die
Erlaubniß erbittet, statt des Kochs, den er mitnehmen sollen, seinen Freund,
den Professor Ehrenberg, mitnehmen zu dürfen. "Er ist still und bescheiden",
wird diesem Gesuch beigefügt, "und ich werde dafür sorgen, daß er die Kosten
nicht vermehrt." Die Titel Geheimrath und Excellenz, die ihm in Cancrin's
Briefen gegeben wurden, deprecirt er ("Ich bin nicht Geheimrath und habe
meine Lage als Gelehrter nicht geändert") und als sie ihm in der Folge ver¬
liehen werden, sagt er scherzend, Cancrin's Ahnungen seien eingetroffen.
"Ich aber bin neidisch auf die Gelehrten, die Sie an den Ararat senden".

Gleichen Geist athmen die Reiseberichte aus Moskau, Kasan. Katharinen-
burg, Tobolsk u. s. w. Das freudige Bewußtsein, seiner Wissenschaft dienen
zu können, hilft dem sechszigjihrigen Wanderer über alle Strapazen einer
18.000 Werst (etwa 2500 deutsche Meilen) weiten Reise und eines unholden
Klima's hinweg und mit jugendlicher Frische versenkt er sich in die
Herrlichkeit und das reiche Interesse der ihn umgebenden Natur; die Briefe
strömen immer wieder von Ausdrücken des Danks für die reiche wissenschaft¬
liche Ausbeute über, nirgend ein Wort der Klage, der Schatten einer Prä¬
tension. So ist der Eindruck, den wir aus diesen neuen Materialien zur
Biographie des großen Gelehrten und Menschen gewinnen, ein vollendet
liebenswürdiger. -- Freilich hatte die russische Regierung und namentlich
Cancrin auch das Mögliche gethan, um alle Wege zu ebnen, alle Schwierig¬
keiten der Reise zu bannen oder doch zu mildern. Humboldt wurde altert-


und in den Verkehr zu bringen, den ersten Anknüpfungspunkt zu den Be¬
ziehungen zwischen dem russischen Finanzminister und dem preußischen Baron,
der nebenbei auch ein berühmter Gelehrten war. Humboldt widerrieth, auf
Grund in Amerika gemachter Erfahrungen die Benutzung der Platina als
Verkehrsmünze und seine bezüglichen Vorhersagungen sind, da Cancrin dennoch
bei seiner Ansicht blieb, durch die Erfahrung vollständig bestätigt worden. In
einem seiner Briefe hatte er den Wunsch ausgesprochen, Sibirien und den
Ural zu bereisen, und diesen Wunsch griff Cancrin auf, um ihn mit einer
förmlichen Einladung des Kaisers zu beantworten, der sich zur Bestreitung
aller Reisekosten erbot. — Humboldt's Charakter tritt sowohl aus den Brie¬
fen, welche die Bedingungen der Reise betreffen, wie aus den eigentlichen
Reiseberichten selbst, in vortheilhaftester Weise hervor und zeigt uns den
großen Forscher in der Würde, Bescheidenheit und Selbstlosigkeit seines
Wesens. Nur mit Mühe läßt er, der (vgl. S. 43 ff.) sein ganzes Vermögen
wissenschastlichen Zwecken geopfert hat und eingestehen muß, niemals mit sei¬
nem Gelde auszukommen, sich bereden, die Reise von Berlin nach Petersburg
nicht auf eigene Kosten zu unternehmen; von den 20,000 Rbl. Banco (etwa
6000 Thlr.), die ihm in Petersburg ausgezahlt werden, gibt er mehr als ein
Drittheil als Ersparnis; zurück und es erscheint geradezu rührend, daß er die
Erlaubniß erbittet, statt des Kochs, den er mitnehmen sollen, seinen Freund,
den Professor Ehrenberg, mitnehmen zu dürfen. „Er ist still und bescheiden",
wird diesem Gesuch beigefügt, „und ich werde dafür sorgen, daß er die Kosten
nicht vermehrt." Die Titel Geheimrath und Excellenz, die ihm in Cancrin's
Briefen gegeben wurden, deprecirt er („Ich bin nicht Geheimrath und habe
meine Lage als Gelehrter nicht geändert") und als sie ihm in der Folge ver¬
liehen werden, sagt er scherzend, Cancrin's Ahnungen seien eingetroffen.
„Ich aber bin neidisch auf die Gelehrten, die Sie an den Ararat senden".

Gleichen Geist athmen die Reiseberichte aus Moskau, Kasan. Katharinen-
burg, Tobolsk u. s. w. Das freudige Bewußtsein, seiner Wissenschaft dienen
zu können, hilft dem sechszigjihrigen Wanderer über alle Strapazen einer
18.000 Werst (etwa 2500 deutsche Meilen) weiten Reise und eines unholden
Klima's hinweg und mit jugendlicher Frische versenkt er sich in die
Herrlichkeit und das reiche Interesse der ihn umgebenden Natur; die Briefe
strömen immer wieder von Ausdrücken des Danks für die reiche wissenschaft¬
liche Ausbeute über, nirgend ein Wort der Klage, der Schatten einer Prä¬
tension. So ist der Eindruck, den wir aus diesen neuen Materialien zur
Biographie des großen Gelehrten und Menschen gewinnen, ein vollendet
liebenswürdiger. — Freilich hatte die russische Regierung und namentlich
Cancrin auch das Mögliche gethan, um alle Wege zu ebnen, alle Schwierig¬
keiten der Reise zu bannen oder doch zu mildern. Humboldt wurde altert-


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[0236] und in den Verkehr zu bringen, den ersten Anknüpfungspunkt zu den Be¬ ziehungen zwischen dem russischen Finanzminister und dem preußischen Baron, der nebenbei auch ein berühmter Gelehrten war. Humboldt widerrieth, auf Grund in Amerika gemachter Erfahrungen die Benutzung der Platina als Verkehrsmünze und seine bezüglichen Vorhersagungen sind, da Cancrin dennoch bei seiner Ansicht blieb, durch die Erfahrung vollständig bestätigt worden. In einem seiner Briefe hatte er den Wunsch ausgesprochen, Sibirien und den Ural zu bereisen, und diesen Wunsch griff Cancrin auf, um ihn mit einer förmlichen Einladung des Kaisers zu beantworten, der sich zur Bestreitung aller Reisekosten erbot. — Humboldt's Charakter tritt sowohl aus den Brie¬ fen, welche die Bedingungen der Reise betreffen, wie aus den eigentlichen Reiseberichten selbst, in vortheilhaftester Weise hervor und zeigt uns den großen Forscher in der Würde, Bescheidenheit und Selbstlosigkeit seines Wesens. Nur mit Mühe läßt er, der (vgl. S. 43 ff.) sein ganzes Vermögen wissenschastlichen Zwecken geopfert hat und eingestehen muß, niemals mit sei¬ nem Gelde auszukommen, sich bereden, die Reise von Berlin nach Petersburg nicht auf eigene Kosten zu unternehmen; von den 20,000 Rbl. Banco (etwa 6000 Thlr.), die ihm in Petersburg ausgezahlt werden, gibt er mehr als ein Drittheil als Ersparnis; zurück und es erscheint geradezu rührend, daß er die Erlaubniß erbittet, statt des Kochs, den er mitnehmen sollen, seinen Freund, den Professor Ehrenberg, mitnehmen zu dürfen. „Er ist still und bescheiden", wird diesem Gesuch beigefügt, „und ich werde dafür sorgen, daß er die Kosten nicht vermehrt." Die Titel Geheimrath und Excellenz, die ihm in Cancrin's Briefen gegeben wurden, deprecirt er („Ich bin nicht Geheimrath und habe meine Lage als Gelehrter nicht geändert") und als sie ihm in der Folge ver¬ liehen werden, sagt er scherzend, Cancrin's Ahnungen seien eingetroffen. „Ich aber bin neidisch auf die Gelehrten, die Sie an den Ararat senden". Gleichen Geist athmen die Reiseberichte aus Moskau, Kasan. Katharinen- burg, Tobolsk u. s. w. Das freudige Bewußtsein, seiner Wissenschaft dienen zu können, hilft dem sechszigjihrigen Wanderer über alle Strapazen einer 18.000 Werst (etwa 2500 deutsche Meilen) weiten Reise und eines unholden Klima's hinweg und mit jugendlicher Frische versenkt er sich in die Herrlichkeit und das reiche Interesse der ihn umgebenden Natur; die Briefe strömen immer wieder von Ausdrücken des Danks für die reiche wissenschaft¬ liche Ausbeute über, nirgend ein Wort der Klage, der Schatten einer Prä¬ tension. So ist der Eindruck, den wir aus diesen neuen Materialien zur Biographie des großen Gelehrten und Menschen gewinnen, ein vollendet liebenswürdiger. — Freilich hatte die russische Regierung und namentlich Cancrin auch das Mögliche gethan, um alle Wege zu ebnen, alle Schwierig¬ keiten der Reise zu bannen oder doch zu mildern. Humboldt wurde altert-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/236>, abgerufen am 24.08.2024.