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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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Wechsels zwischen ungestörter Arbeit und anmuthig geregelter Erholung --
für conviktähnliche Einrichtungen zu sprechen.

Wir können nicht auf einen Mattheus Vassar oder Peabody warten,
um unseren Töchtern die Möglichkeit des academischen Studiums zu
sichern. Die Anstalt, welche die verständige Opferwilligkeit des Ersteren unter
dem Namen "Vassar-College" in Pongkeepsie (Newyork) in's Leben gerufen
hat, würde -- soweit meine Kenntniß davon reicht, -- wenn in den Lehr¬
plan noch die medicinischen Fachwissenschaften aufgenommen wären, im Wesent¬
lichen das sein, was als Analogen unserer Hochschulen für die dem wissen¬
schaftlichen Studium sich widmenden Frauen gewünscht werden muß -- eine
Hochschule, welche ihr Programm zunächst beschränkt auf diejenigen Fächer,
welche bis jetzt ausschließlich Aussicht haben, von Frauen studirt zu werden
-- eine Hochschule nur für Frauen und so eingerichtet, daß die Studirenden
am Sitze derselben zusammenwohnen und gemeinschaftliche Menage führen
können. Es ist mehrfach versucht worden. Frauen das Bürgerrecht auf
deutschen Universitäten zu verschaffen. Der Versuch ist mißlungen. Cam¬
bridge, Edinburg -- ob auch Oxford, vermag ich nicht zu sagen -- sind in
dieser Beziehung freisinniger und entschlossener gewesen; in Zürich studiren
zur Zeit acht junge Damen Medicin. Allein es ist nicht zu verkennen, daß,
wenn es irgendwo angebracht ist, vorhandene Vorurtheile zu schonen, aus
solchem Grunde zunächst die Begründung besonderer Academien für Frauen
zweckmäßiger sein würde, als die Verweisung der letzteren an die bestehenden
Universitäten und bezüglich polytechnischen Schulen,*) Es wird einer näheren
Begründung dieser Behauptung' nicht bedürfen. Wundern könnte man sich
nicht, wenn manche der strebsamsten und eifrigsten jungen Damen, selbst bei
Zurückorängung aller Prüderie, durch die Aussicht, gewisse Partieen der
Anatomie, Physiologie, der Pathologie zugleich mit jungen Männern hören
zu müssen, sich von dem Studium der Medicin, für welches sie sonst vielleicht,
die entschiedenste Neigung und Fähigkeit haben, abschrecken ließen, und die
Eltern sind nicht zu verdammen, welche, wenn ihnen nur die Wahl bleibt,
ihre Töchter entweder auf den Universitäten, bezüglich technischen Hochschulen
gemeinschaftlich mit jungen Männern, oder gar nicht studiren zu lassen, sich,
vielleicht schweren Herzens, für das Letztere entscheiden.

Wer, überzeugt von der Nothwendigkeit, den Frauen die Bahnen
zu selbständigem wissenschaftlichem Studium zu eröffnen, doch der Ansicht
ist. daß den eben erwähnten. sehr verzeihlichen Vorurtheilen -- mich dünkt,



*) Das Polytechnicum, indem es. abgesehen von seiner Aufgabe als Anstalt zur Förde-
rung der ihm zur Pflege überwiesenen Wissenschaften, vorzugsweise zur Ausbildung künftiger
industrieller Großunternehmer bestimmt ist, dürfte kaum viel von Frauen besucht werden.

Wechsels zwischen ungestörter Arbeit und anmuthig geregelter Erholung —
für conviktähnliche Einrichtungen zu sprechen.

Wir können nicht auf einen Mattheus Vassar oder Peabody warten,
um unseren Töchtern die Möglichkeit des academischen Studiums zu
sichern. Die Anstalt, welche die verständige Opferwilligkeit des Ersteren unter
dem Namen „Vassar-College" in Pongkeepsie (Newyork) in's Leben gerufen
hat, würde — soweit meine Kenntniß davon reicht, — wenn in den Lehr¬
plan noch die medicinischen Fachwissenschaften aufgenommen wären, im Wesent¬
lichen das sein, was als Analogen unserer Hochschulen für die dem wissen¬
schaftlichen Studium sich widmenden Frauen gewünscht werden muß — eine
Hochschule, welche ihr Programm zunächst beschränkt auf diejenigen Fächer,
welche bis jetzt ausschließlich Aussicht haben, von Frauen studirt zu werden
— eine Hochschule nur für Frauen und so eingerichtet, daß die Studirenden
am Sitze derselben zusammenwohnen und gemeinschaftliche Menage führen
können. Es ist mehrfach versucht worden. Frauen das Bürgerrecht auf
deutschen Universitäten zu verschaffen. Der Versuch ist mißlungen. Cam¬
bridge, Edinburg — ob auch Oxford, vermag ich nicht zu sagen — sind in
dieser Beziehung freisinniger und entschlossener gewesen; in Zürich studiren
zur Zeit acht junge Damen Medicin. Allein es ist nicht zu verkennen, daß,
wenn es irgendwo angebracht ist, vorhandene Vorurtheile zu schonen, aus
solchem Grunde zunächst die Begründung besonderer Academien für Frauen
zweckmäßiger sein würde, als die Verweisung der letzteren an die bestehenden
Universitäten und bezüglich polytechnischen Schulen,*) Es wird einer näheren
Begründung dieser Behauptung' nicht bedürfen. Wundern könnte man sich
nicht, wenn manche der strebsamsten und eifrigsten jungen Damen, selbst bei
Zurückorängung aller Prüderie, durch die Aussicht, gewisse Partieen der
Anatomie, Physiologie, der Pathologie zugleich mit jungen Männern hören
zu müssen, sich von dem Studium der Medicin, für welches sie sonst vielleicht,
die entschiedenste Neigung und Fähigkeit haben, abschrecken ließen, und die
Eltern sind nicht zu verdammen, welche, wenn ihnen nur die Wahl bleibt,
ihre Töchter entweder auf den Universitäten, bezüglich technischen Hochschulen
gemeinschaftlich mit jungen Männern, oder gar nicht studiren zu lassen, sich,
vielleicht schweren Herzens, für das Letztere entscheiden.

Wer, überzeugt von der Nothwendigkeit, den Frauen die Bahnen
zu selbständigem wissenschaftlichem Studium zu eröffnen, doch der Ansicht
ist. daß den eben erwähnten. sehr verzeihlichen Vorurtheilen — mich dünkt,



*) Das Polytechnicum, indem es. abgesehen von seiner Aufgabe als Anstalt zur Förde-
rung der ihm zur Pflege überwiesenen Wissenschaften, vorzugsweise zur Ausbildung künftiger
industrieller Großunternehmer bestimmt ist, dürfte kaum viel von Frauen besucht werden.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/232>, abgerufen am 25.07.2024.