Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.die Augen traten, andere fügen, welche theilweise weniger bekannt den Grund Wem es vergönnt war, Jahr in seinem Heiligthum, in seinem Bücher¬ In der Büchersammlung spiegelte sich deutlich die vollendete Sauberkeit Seine Welt war die Kunst und das Alterthum. Aus dieser Welt Daß ihm solches möglich wurde, verdankt Jahr seiner persönlichen Ent¬ die Augen traten, andere fügen, welche theilweise weniger bekannt den Grund Wem es vergönnt war, Jahr in seinem Heiligthum, in seinem Bücher¬ In der Büchersammlung spiegelte sich deutlich die vollendete Sauberkeit Seine Welt war die Kunst und das Alterthum. Aus dieser Welt Daß ihm solches möglich wurde, verdankt Jahr seiner persönlichen Ent¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0210" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121965"/> <p xml:id="ID_541" prev="#ID_540"> die Augen traten, andere fügen, welche theilweise weniger bekannt den Grund<lb/> seines Wesens aufschließen helfen.</p><lb/> <p xml:id="ID_542"> Wem es vergönnt war, Jahr in seinem Heiligthum, in seinem Bücher¬<lb/> saale öfter zu begrüßen, der lernte bald zwei Eigenschaften kennen, welche<lb/> nicht allein seiner berühmten Bibliothek ein besonderes Gepräge verliehen,<lb/> sondern auch auf seine geistige Richtung, auf seine Aufgaben und Ziele ein<lb/> deutliches Licht warfen. Jahr duldete kein ungebundenes, kein defectes Buch<lb/> in seiner Nähe, keine Lücke in den Fächern, für welche er den literarischen<lb/> Apparat sammelte. Die äußerste Sauberkeit, die größte Vollständigkeit der<lb/> Bibliothek strebte er beinahe leidenschaftlich an. Aber die Vollständigkeit hatte<lb/> doch andererseits fest bestimmte Grenzen. Derselbe Mann, welcher Jahrelang<lb/> irgend einer verborgenen, an sich vielleicht unbedeutenden Gelegenheitsschrtft<lb/> nachspürte, nicht Mühen, nicht Kosten dabei scheute und sich herzlich freuen<lb/> konnte, wenn er endlich in den Besitz des langersehnten Schatzes kam, war<lb/> gegen alle Bücher, welche seinen Studienkreis nicht berührten, vollkommen<lb/> gletchgiltig. Selbst kostbare Werke, ausgedehnte Publicationen, welche der<lb/> Zufall in seine Hand spielte oder welche ihm die zahlreichen Academien, deren<lb/> Mitgliedschaft er sich rühmen durfte, schenkten, fanden dann keine Gnade und<lb/> wurden hastig aus seiner Bibliothek entfernt.</p><lb/> <p xml:id="ID_543"> In der Büchersammlung spiegelte sich deutlich die vollendete Sauberkeit<lb/> ab, welche alle Leistungen Jahn's auszeichnete, sowie seine Liebe zur sorg¬<lb/> fältigsten und genauesten Ordnung, welche es niemals begreifen konnte, daß<lb/> nur das Große gründlich, das Kleine aber und Unbedeutende flüchtig und<lb/> leichtfertig gearbeitet werden solle, sie sagte deutlich, daß Jahn's Bestrebun¬<lb/> gen sich keineswegs zerstreuten, in das Weite verloren, ein festes Band viel¬<lb/> mehr die verschiedenartigen Richtungen seines Geistes einigte, sein vielseitiges<lb/> Wirken auf einer klar geschauten und sicher durchgeführten grundsätzlichen<lb/> Einheit beruhe.</p><lb/> <p xml:id="ID_544"> Seine Welt war die Kunst und das Alterthum. Aus dieser Welt<lb/> hinauszutreten, bewahrte er stets die größte Scheu. Innerhalb ihrer Grenzen<lb/> dagegen war er desto emsiger bemüht, keinen Platz unerkannt und unerforscht<lb/> zu lassen, jeden Raum für sich zu gewinnen, das ganze Gebiet bis in die<lb/> fernsten Ecken frei zu überblicken- Diese beiden Pole der Thätigkeit ver¬<lb/> knüpfte er dann wieder so, daß er auf die Kunstbetrachtung die Methode<lb/> zur Anwendung brachte, welche er dem Studium des classischen Alterthums<lb/> abgelauscht, diesem wieder den idealen Sinn, die warme Empfindung zu¬<lb/> führte, welche die Liebe und Erkenntniß der Kunst in ihm groß gezogen<lb/> hatten.</p><lb/> <p xml:id="ID_545" next="#ID_546"> Daß ihm solches möglich wurde, verdankt Jahr seiner persönlichen Ent¬<lb/> wickelung. Von Natur mit einem reichen musikalischen Sinne begabt, übte</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0210]
die Augen traten, andere fügen, welche theilweise weniger bekannt den Grund
seines Wesens aufschließen helfen.
Wem es vergönnt war, Jahr in seinem Heiligthum, in seinem Bücher¬
saale öfter zu begrüßen, der lernte bald zwei Eigenschaften kennen, welche
nicht allein seiner berühmten Bibliothek ein besonderes Gepräge verliehen,
sondern auch auf seine geistige Richtung, auf seine Aufgaben und Ziele ein
deutliches Licht warfen. Jahr duldete kein ungebundenes, kein defectes Buch
in seiner Nähe, keine Lücke in den Fächern, für welche er den literarischen
Apparat sammelte. Die äußerste Sauberkeit, die größte Vollständigkeit der
Bibliothek strebte er beinahe leidenschaftlich an. Aber die Vollständigkeit hatte
doch andererseits fest bestimmte Grenzen. Derselbe Mann, welcher Jahrelang
irgend einer verborgenen, an sich vielleicht unbedeutenden Gelegenheitsschrtft
nachspürte, nicht Mühen, nicht Kosten dabei scheute und sich herzlich freuen
konnte, wenn er endlich in den Besitz des langersehnten Schatzes kam, war
gegen alle Bücher, welche seinen Studienkreis nicht berührten, vollkommen
gletchgiltig. Selbst kostbare Werke, ausgedehnte Publicationen, welche der
Zufall in seine Hand spielte oder welche ihm die zahlreichen Academien, deren
Mitgliedschaft er sich rühmen durfte, schenkten, fanden dann keine Gnade und
wurden hastig aus seiner Bibliothek entfernt.
In der Büchersammlung spiegelte sich deutlich die vollendete Sauberkeit
ab, welche alle Leistungen Jahn's auszeichnete, sowie seine Liebe zur sorg¬
fältigsten und genauesten Ordnung, welche es niemals begreifen konnte, daß
nur das Große gründlich, das Kleine aber und Unbedeutende flüchtig und
leichtfertig gearbeitet werden solle, sie sagte deutlich, daß Jahn's Bestrebun¬
gen sich keineswegs zerstreuten, in das Weite verloren, ein festes Band viel¬
mehr die verschiedenartigen Richtungen seines Geistes einigte, sein vielseitiges
Wirken auf einer klar geschauten und sicher durchgeführten grundsätzlichen
Einheit beruhe.
Seine Welt war die Kunst und das Alterthum. Aus dieser Welt
hinauszutreten, bewahrte er stets die größte Scheu. Innerhalb ihrer Grenzen
dagegen war er desto emsiger bemüht, keinen Platz unerkannt und unerforscht
zu lassen, jeden Raum für sich zu gewinnen, das ganze Gebiet bis in die
fernsten Ecken frei zu überblicken- Diese beiden Pole der Thätigkeit ver¬
knüpfte er dann wieder so, daß er auf die Kunstbetrachtung die Methode
zur Anwendung brachte, welche er dem Studium des classischen Alterthums
abgelauscht, diesem wieder den idealen Sinn, die warme Empfindung zu¬
führte, welche die Liebe und Erkenntniß der Kunst in ihm groß gezogen
hatten.
Daß ihm solches möglich wurde, verdankt Jahr seiner persönlichen Ent¬
wickelung. Von Natur mit einem reichen musikalischen Sinne begabt, übte
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