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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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Bei der großen Abneigung gegen den Militärdienst und den großen
Kosten, die der Staat dafür verausgabt, wagt man keine längere definitive
Dienstzeit einzuführen, ja, man möchte das Armeebudget gern noch bedeutend
ermäßigen, denn es drückt viel zu schwer auf unsere Finanzen. Um unsere
Vertheidigungsmittel nun auf eine billigere und zugleich bessere Weise ein¬
zurichten, findet der Vorschlag einer allgemeinen Volksbewaffnung nach schwei¬
zerischem Muster viel Beifall. Man verliert dabei aber ganz aus den Augen,
daß die Holländer durchaus keine militärische Nation sind, daß sie sich un¬
gern einer Disciplin, sei es auch der einer Bürgermiliz, unterwerfen, und
daß es noch sehr fraglich ist, ob ein Heer von bewaffneten Bürgern bei der
gegenwärtigen ausgebildeten Technik, die in den Armeen der Großstaaten
herrscht, von mehr als blos untergeordneter Bedeutung ist. Wir haben an
den im Jahre 1866 errichteten freiwilligen Scharfschützencorps, die es zu
nichts weiter als knabenhaften Spielereien gebracht haben, gesehen, daß bei
der Nation keine Sympathie für eine allgemeine Bewaffnung besteht und daß
dieselbe, wenn sie zwangsweise eingeführt werden sollte, eine allgemeine Un¬
zufriedenheit hervorrufen würde.

Man beruft sich zwar auf die natürliche Beschaffenheit unseres Bodens
und unserer Jnundationswerke, welche die Vertheidigung des Landes sehr be¬
fördern; aber legt man auf diese Hilfsmittel auch den höchsten Werth, so ist
immer eine geübte Armee nöthig, die sich auf dieselben stützen kann.

Auf die kleineren Nationen drücken die Militärausgaben viel schwerer als
auf die größeren. Soll unsere Heeresorganisation eine derartige sein, daß
wir uns im Kriegsfall mit Nachdruck vertheidigen können, so können wir auf'
die Dauer unmöglich die dazu erforderlichen Summen erschwingen; stellen wir
inzwischen unsere Anforderungen nicht so hoch, so bleiben unsere Ausgaben
dennoch verhältnißmäßig groß und kommen, wir außerdem noch in das Gefühl der
Unsicherheit. Daß aber mit dem Gelde, welches der Staat für Militärzwecke
ausgibt, Besseres beschafft werden könnte, ist leider unleugbar, wenn man den
Vergleich mit anderen Ländern macht und dabei die Kostspieligkeit unserer
ganzen Verwaltung in Betracht zieht.

Nun ist es aber eben dieses Gefühl der Schwäche, welches Anfangs zu
der Erbitterung gegen Preußen beigetragen hat. Furcht erweckt Mißtrauen
und Haß. Sobald aber die erstere hinweggenommen wird, entfernen sich
auch die letzteren. Können wir auf Deutschland als einen treuen Bundes¬
genossen, der es ehrlich mit uns meint, rechnen, und ist diese Ueberzeugung
ins Volk gedrungen, so ist jede Ursache zur Furcht und Abneigung ver¬
schwunden. Man muß immerhin berücksichtigen, daß die Holländer eine
mächtige, freie und reiche Nation gewesen sind, und daß sie sich gern in
diesem alten Glanz spiegelt. Es ist die Zeit gekommen, wo man einen früher


Bei der großen Abneigung gegen den Militärdienst und den großen
Kosten, die der Staat dafür verausgabt, wagt man keine längere definitive
Dienstzeit einzuführen, ja, man möchte das Armeebudget gern noch bedeutend
ermäßigen, denn es drückt viel zu schwer auf unsere Finanzen. Um unsere
Vertheidigungsmittel nun auf eine billigere und zugleich bessere Weise ein¬
zurichten, findet der Vorschlag einer allgemeinen Volksbewaffnung nach schwei¬
zerischem Muster viel Beifall. Man verliert dabei aber ganz aus den Augen,
daß die Holländer durchaus keine militärische Nation sind, daß sie sich un¬
gern einer Disciplin, sei es auch der einer Bürgermiliz, unterwerfen, und
daß es noch sehr fraglich ist, ob ein Heer von bewaffneten Bürgern bei der
gegenwärtigen ausgebildeten Technik, die in den Armeen der Großstaaten
herrscht, von mehr als blos untergeordneter Bedeutung ist. Wir haben an
den im Jahre 1866 errichteten freiwilligen Scharfschützencorps, die es zu
nichts weiter als knabenhaften Spielereien gebracht haben, gesehen, daß bei
der Nation keine Sympathie für eine allgemeine Bewaffnung besteht und daß
dieselbe, wenn sie zwangsweise eingeführt werden sollte, eine allgemeine Un¬
zufriedenheit hervorrufen würde.

Man beruft sich zwar auf die natürliche Beschaffenheit unseres Bodens
und unserer Jnundationswerke, welche die Vertheidigung des Landes sehr be¬
fördern; aber legt man auf diese Hilfsmittel auch den höchsten Werth, so ist
immer eine geübte Armee nöthig, die sich auf dieselben stützen kann.

Auf die kleineren Nationen drücken die Militärausgaben viel schwerer als
auf die größeren. Soll unsere Heeresorganisation eine derartige sein, daß
wir uns im Kriegsfall mit Nachdruck vertheidigen können, so können wir auf'
die Dauer unmöglich die dazu erforderlichen Summen erschwingen; stellen wir
inzwischen unsere Anforderungen nicht so hoch, so bleiben unsere Ausgaben
dennoch verhältnißmäßig groß und kommen, wir außerdem noch in das Gefühl der
Unsicherheit. Daß aber mit dem Gelde, welches der Staat für Militärzwecke
ausgibt, Besseres beschafft werden könnte, ist leider unleugbar, wenn man den
Vergleich mit anderen Ländern macht und dabei die Kostspieligkeit unserer
ganzen Verwaltung in Betracht zieht.

Nun ist es aber eben dieses Gefühl der Schwäche, welches Anfangs zu
der Erbitterung gegen Preußen beigetragen hat. Furcht erweckt Mißtrauen
und Haß. Sobald aber die erstere hinweggenommen wird, entfernen sich
auch die letzteren. Können wir auf Deutschland als einen treuen Bundes¬
genossen, der es ehrlich mit uns meint, rechnen, und ist diese Ueberzeugung
ins Volk gedrungen, so ist jede Ursache zur Furcht und Abneigung ver¬
schwunden. Man muß immerhin berücksichtigen, daß die Holländer eine
mächtige, freie und reiche Nation gewesen sind, und daß sie sich gern in
diesem alten Glanz spiegelt. Es ist die Zeit gekommen, wo man einen früher


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[0192] Bei der großen Abneigung gegen den Militärdienst und den großen Kosten, die der Staat dafür verausgabt, wagt man keine längere definitive Dienstzeit einzuführen, ja, man möchte das Armeebudget gern noch bedeutend ermäßigen, denn es drückt viel zu schwer auf unsere Finanzen. Um unsere Vertheidigungsmittel nun auf eine billigere und zugleich bessere Weise ein¬ zurichten, findet der Vorschlag einer allgemeinen Volksbewaffnung nach schwei¬ zerischem Muster viel Beifall. Man verliert dabei aber ganz aus den Augen, daß die Holländer durchaus keine militärische Nation sind, daß sie sich un¬ gern einer Disciplin, sei es auch der einer Bürgermiliz, unterwerfen, und daß es noch sehr fraglich ist, ob ein Heer von bewaffneten Bürgern bei der gegenwärtigen ausgebildeten Technik, die in den Armeen der Großstaaten herrscht, von mehr als blos untergeordneter Bedeutung ist. Wir haben an den im Jahre 1866 errichteten freiwilligen Scharfschützencorps, die es zu nichts weiter als knabenhaften Spielereien gebracht haben, gesehen, daß bei der Nation keine Sympathie für eine allgemeine Bewaffnung besteht und daß dieselbe, wenn sie zwangsweise eingeführt werden sollte, eine allgemeine Un¬ zufriedenheit hervorrufen würde. Man beruft sich zwar auf die natürliche Beschaffenheit unseres Bodens und unserer Jnundationswerke, welche die Vertheidigung des Landes sehr be¬ fördern; aber legt man auf diese Hilfsmittel auch den höchsten Werth, so ist immer eine geübte Armee nöthig, die sich auf dieselben stützen kann. Auf die kleineren Nationen drücken die Militärausgaben viel schwerer als auf die größeren. Soll unsere Heeresorganisation eine derartige sein, daß wir uns im Kriegsfall mit Nachdruck vertheidigen können, so können wir auf' die Dauer unmöglich die dazu erforderlichen Summen erschwingen; stellen wir inzwischen unsere Anforderungen nicht so hoch, so bleiben unsere Ausgaben dennoch verhältnißmäßig groß und kommen, wir außerdem noch in das Gefühl der Unsicherheit. Daß aber mit dem Gelde, welches der Staat für Militärzwecke ausgibt, Besseres beschafft werden könnte, ist leider unleugbar, wenn man den Vergleich mit anderen Ländern macht und dabei die Kostspieligkeit unserer ganzen Verwaltung in Betracht zieht. Nun ist es aber eben dieses Gefühl der Schwäche, welches Anfangs zu der Erbitterung gegen Preußen beigetragen hat. Furcht erweckt Mißtrauen und Haß. Sobald aber die erstere hinweggenommen wird, entfernen sich auch die letzteren. Können wir auf Deutschland als einen treuen Bundes¬ genossen, der es ehrlich mit uns meint, rechnen, und ist diese Ueberzeugung ins Volk gedrungen, so ist jede Ursache zur Furcht und Abneigung ver¬ schwunden. Man muß immerhin berücksichtigen, daß die Holländer eine mächtige, freie und reiche Nation gewesen sind, und daß sie sich gern in diesem alten Glanz spiegelt. Es ist die Zeit gekommen, wo man einen früher

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/192>, abgerufen am 24.08.2024.