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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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wendet, als der große; der eine thut alles selbst, der andere muß fast für
jede Leistung Lohn zahlen. Aber eben so sicher ist, daß der kleine Eigen¬
thümer mit demselben Aufwand von Mühe mehr verdienen könnte, weil an¬
dere Arbeit sich besser lohnen würde. Wenn z. B. seine Kinder angestrengt
mitarbeiten, so hat er anscheinend dies umsonst, weil er nichts dafür bezahlt;
aber es muß in Anschlag gebracht werden, wie viel die Kinder sonst ver¬
dienen könnten. Außerdem ist aber die genannte Voraussetzung gleichmäßig
rationeller Wirthschaft in den seltensten Fällen zutreffend, weil der kleine
Eigenthümer meist kein Capital dafür hat. Die englischen Latifundien, ob¬
gleich sie den höchsten Ertrag geben, sind allerdings noch kein Ideal, weil
auch andere Momente in Betracht kommen. Aber sicher ist, daß die gerühm¬
ten guten Wirkungen des bäuerlichen Eigenthums nur dann sich zeigen, wenn
der Besitz ein genügender für gewinnreiche Bestellung ist. Der Zweck kann
doch nicht sein, daß das Land so viele Menschen als möglich nothdürftig
unterhalte, -- dann hätte Irland mit seinem Kartoffelbau das Richtige gefun¬
den, -- sondern auch den Antheil sür jeden so zu bemessen, daß er für seine
Arbeit reichlich belohnt wird. Dem aber arbeitet der Code mit seiner Zwangs¬
theilung entgegen, die verschiedensten Schriftsteller Frankreichs, Leplay, La-
vergne, About haben dies anerkannt; die Mehrzahl der Zeugen, welche bei
der neuesten LnHuets "srieols vernommen sind, haben die Aushebung der
Zwangstheilung verlangt, weil sie zu übermäßiger Zersplitterung, Verschul¬
dung und fortwährenden Subhastationen führe. Dies Resultat ist in der
That unvermeidlich. Hat die Theilbarkeit eine gewisse Grenze erreicht, so
sind nur zwei Wege möglich; entweder jeder Eigenthümer muß nur Einen
Sohn haben, oder ein Sohn übernimmt den Landbesitz und zahlt seine Brü¬
der aus. Ersteres sucht der französische Bauer oft herbeizuführen, die Zahl
der Kinder wird mit Absicht möglichst beschränkt, die Auszahlung der jünge¬
ren Geschwister, wenn sie sich dieselbe gefallen lassen, was sie nach dem Code
nicht nöthig haben, kann aber in den meisten Fällen nur durch Belastung
des Landes mit Hypotheken geschehen, und wie schwer dies auf den fran¬
zösischen Landbesitz drückt, mag daraus ersehen werden, daß seit 1791 zwei
Milliarden Hypotheken eingetragen sind.

Weder in der Zwangstheilung des Code noch in der Fesselung des
Bodens durch Majorate, Fideicommisse oder Substitutionen kann das rechte
Princip liegen, sondern einzig in der Freiheit letztwilliger Verfügung; die
Freiheit wird auch hier sich als der Speer des Achilles bewähren, der die Wunden
heilt, die er schlägt. Allerdings braucht dieselbe nicht absolut zu sein, wie
in England. Wir würden vielmehr für das bewegliche Vermögen den Pflicht-
theil bestehen lassen; sür Immobilien aber wird es sicher das Richtige sein, dem
Erblasser volle Freiheit zu geben, darüber letztwillig zu verfügen. Der Besitzer


wendet, als der große; der eine thut alles selbst, der andere muß fast für
jede Leistung Lohn zahlen. Aber eben so sicher ist, daß der kleine Eigen¬
thümer mit demselben Aufwand von Mühe mehr verdienen könnte, weil an¬
dere Arbeit sich besser lohnen würde. Wenn z. B. seine Kinder angestrengt
mitarbeiten, so hat er anscheinend dies umsonst, weil er nichts dafür bezahlt;
aber es muß in Anschlag gebracht werden, wie viel die Kinder sonst ver¬
dienen könnten. Außerdem ist aber die genannte Voraussetzung gleichmäßig
rationeller Wirthschaft in den seltensten Fällen zutreffend, weil der kleine
Eigenthümer meist kein Capital dafür hat. Die englischen Latifundien, ob¬
gleich sie den höchsten Ertrag geben, sind allerdings noch kein Ideal, weil
auch andere Momente in Betracht kommen. Aber sicher ist, daß die gerühm¬
ten guten Wirkungen des bäuerlichen Eigenthums nur dann sich zeigen, wenn
der Besitz ein genügender für gewinnreiche Bestellung ist. Der Zweck kann
doch nicht sein, daß das Land so viele Menschen als möglich nothdürftig
unterhalte, — dann hätte Irland mit seinem Kartoffelbau das Richtige gefun¬
den, — sondern auch den Antheil sür jeden so zu bemessen, daß er für seine
Arbeit reichlich belohnt wird. Dem aber arbeitet der Code mit seiner Zwangs¬
theilung entgegen, die verschiedensten Schriftsteller Frankreichs, Leplay, La-
vergne, About haben dies anerkannt; die Mehrzahl der Zeugen, welche bei
der neuesten LnHuets »srieols vernommen sind, haben die Aushebung der
Zwangstheilung verlangt, weil sie zu übermäßiger Zersplitterung, Verschul¬
dung und fortwährenden Subhastationen führe. Dies Resultat ist in der
That unvermeidlich. Hat die Theilbarkeit eine gewisse Grenze erreicht, so
sind nur zwei Wege möglich; entweder jeder Eigenthümer muß nur Einen
Sohn haben, oder ein Sohn übernimmt den Landbesitz und zahlt seine Brü¬
der aus. Ersteres sucht der französische Bauer oft herbeizuführen, die Zahl
der Kinder wird mit Absicht möglichst beschränkt, die Auszahlung der jünge¬
ren Geschwister, wenn sie sich dieselbe gefallen lassen, was sie nach dem Code
nicht nöthig haben, kann aber in den meisten Fällen nur durch Belastung
des Landes mit Hypotheken geschehen, und wie schwer dies auf den fran¬
zösischen Landbesitz drückt, mag daraus ersehen werden, daß seit 1791 zwei
Milliarden Hypotheken eingetragen sind.

Weder in der Zwangstheilung des Code noch in der Fesselung des
Bodens durch Majorate, Fideicommisse oder Substitutionen kann das rechte
Princip liegen, sondern einzig in der Freiheit letztwilliger Verfügung; die
Freiheit wird auch hier sich als der Speer des Achilles bewähren, der die Wunden
heilt, die er schlägt. Allerdings braucht dieselbe nicht absolut zu sein, wie
in England. Wir würden vielmehr für das bewegliche Vermögen den Pflicht-
theil bestehen lassen; sür Immobilien aber wird es sicher das Richtige sein, dem
Erblasser volle Freiheit zu geben, darüber letztwillig zu verfügen. Der Besitzer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/183>, abgerufen am 22.07.2024.