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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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zwei Kindern, über ein Viertel bei mehr als zwei Kindern. Jedes Kind
kann seinen Antheil in naturf. fordern. Ein Testament, das dem einen Kinde
ein Gut, einem anderen eine Summe Geldes zuweist, die dem Werthe des
Gutes entspricht, ist gesetzlich null.

Diese Bestimmungen, welche durch eine blinde Gleichmacherei eingegeben
waren, haben höchst nachtheilig gewirkt. Ein Vater kann seinen Sohn, der
ihn entehrt hat, nicht enterben, jedes Kind hat ein angeborenes Recht auf
einen entsprechenden Theil des väterlichen Vermögens. Ein solcher Rechts¬
zustand entspricht der öffentlichen Moral nicht. Der Vater ist verpflichtet,
seine Kinder zu ernähren und zu erziehen, aber nicht, ihnen ein bestimmtes
Vermögen zu hinterlassen. Ebenso nachtheilig haben die Principien des Code
wirthschaftlich gewirkt, indem sie die Zerstückelung des Grundeigenthums
auf die Spitze getrieben haben. Frankreich hat unstreitig seit der französi¬
schen Revolution große Fortschritte im Ackerbau gemacht, aber L. de Lavergne,
die erste Autorität auf diesem Gebiet, anerkennt, daß sie verhältnißmäßig ge¬
ringer gewesen sind, als in jedem anderen Lande, mit Ausnahme von
Spanien. England erzeugt durchschnittlich per Acre 28 Bushels Weizen,
Frankreich 15^. Der Grund ist einfach. Eine gute Weizenernte ist unmög¬
lich, ohne daß dem Boden fortwährend wieder die fruchtbringenden Elemente
zugeführt werden, welche nur Gras und Kräuter sowie das Vieh, das sie
nähren, gewähren können. Gras und Grünkräuter können aber nicht mit
Erfolg auf kleinen Parcellen und ohne bedeutendes Capital gebaut werden.
Frankreich mit seinem vortrefflichen Boden und Klima erzeugt fast nur halb
so viel Weizen wie England auf derselben Fläche, weil es die Fruchtbarkeit
seines Bodens zu stark erschöpft. -- Die Frage des großen und kleinen Grund¬
eigenthums soll damit nicht entschieden werden, sie kann es überhaupt nur
nach den Umständen. Wo der Boden sich zu intensiver Cultur eignet und
wo außerdem viele Fabriken bestehen, welche den Ueberschuß der ländlichen
Bevölkerung aufnehmen, wird eine gartenartige Cultur am besten sein, für
den Getreidebau aber wird der Betrieb im Großen um so mehr eine Noth¬
wendigkeit, je größere Wichtigkeit das Maschinenwesen auch auf diesem Ge¬
biete gewinnt. Ein kleiner Bauer, der sein Feld mit den unvollkommenen
Werkzeugen früherer Tage baut, wird bei allem Fleiß nicht mit dem Guts¬
besitzer concurriren können, welcher mit den vollkommensten Maschinen letzter
Erfindung arbeitet und Capital zu fortwährenden Verbesserungen besitzt.
Die Gemälde bukolischer Glückseligkeit, welche uns die Vorfechter des kleinen
Eigenthums als des normalen Zustandes geben, entsprechen der Wirklichkeit
in vielen Fällen sehr wenig. Allerdings wird sich bei gleichmäßig rationeller
Wirthschaft aus der Bodenfläche im Kleinbau ein größerer Bruttoertrag er¬
zielen lassen, weil der kleine Eigenthümer mehr Arbeit auf seinen Besitz


zwei Kindern, über ein Viertel bei mehr als zwei Kindern. Jedes Kind
kann seinen Antheil in naturf. fordern. Ein Testament, das dem einen Kinde
ein Gut, einem anderen eine Summe Geldes zuweist, die dem Werthe des
Gutes entspricht, ist gesetzlich null.

Diese Bestimmungen, welche durch eine blinde Gleichmacherei eingegeben
waren, haben höchst nachtheilig gewirkt. Ein Vater kann seinen Sohn, der
ihn entehrt hat, nicht enterben, jedes Kind hat ein angeborenes Recht auf
einen entsprechenden Theil des väterlichen Vermögens. Ein solcher Rechts¬
zustand entspricht der öffentlichen Moral nicht. Der Vater ist verpflichtet,
seine Kinder zu ernähren und zu erziehen, aber nicht, ihnen ein bestimmtes
Vermögen zu hinterlassen. Ebenso nachtheilig haben die Principien des Code
wirthschaftlich gewirkt, indem sie die Zerstückelung des Grundeigenthums
auf die Spitze getrieben haben. Frankreich hat unstreitig seit der französi¬
schen Revolution große Fortschritte im Ackerbau gemacht, aber L. de Lavergne,
die erste Autorität auf diesem Gebiet, anerkennt, daß sie verhältnißmäßig ge¬
ringer gewesen sind, als in jedem anderen Lande, mit Ausnahme von
Spanien. England erzeugt durchschnittlich per Acre 28 Bushels Weizen,
Frankreich 15^. Der Grund ist einfach. Eine gute Weizenernte ist unmög¬
lich, ohne daß dem Boden fortwährend wieder die fruchtbringenden Elemente
zugeführt werden, welche nur Gras und Kräuter sowie das Vieh, das sie
nähren, gewähren können. Gras und Grünkräuter können aber nicht mit
Erfolg auf kleinen Parcellen und ohne bedeutendes Capital gebaut werden.
Frankreich mit seinem vortrefflichen Boden und Klima erzeugt fast nur halb
so viel Weizen wie England auf derselben Fläche, weil es die Fruchtbarkeit
seines Bodens zu stark erschöpft. — Die Frage des großen und kleinen Grund¬
eigenthums soll damit nicht entschieden werden, sie kann es überhaupt nur
nach den Umständen. Wo der Boden sich zu intensiver Cultur eignet und
wo außerdem viele Fabriken bestehen, welche den Ueberschuß der ländlichen
Bevölkerung aufnehmen, wird eine gartenartige Cultur am besten sein, für
den Getreidebau aber wird der Betrieb im Großen um so mehr eine Noth¬
wendigkeit, je größere Wichtigkeit das Maschinenwesen auch auf diesem Ge¬
biete gewinnt. Ein kleiner Bauer, der sein Feld mit den unvollkommenen
Werkzeugen früherer Tage baut, wird bei allem Fleiß nicht mit dem Guts¬
besitzer concurriren können, welcher mit den vollkommensten Maschinen letzter
Erfindung arbeitet und Capital zu fortwährenden Verbesserungen besitzt.
Die Gemälde bukolischer Glückseligkeit, welche uns die Vorfechter des kleinen
Eigenthums als des normalen Zustandes geben, entsprechen der Wirklichkeit
in vielen Fällen sehr wenig. Allerdings wird sich bei gleichmäßig rationeller
Wirthschaft aus der Bodenfläche im Kleinbau ein größerer Bruttoertrag er¬
zielen lassen, weil der kleine Eigenthümer mehr Arbeit auf seinen Besitz


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/182>, abgerufen am 22.07.2024.