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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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fehlen, aber Cäsar war auch von der Provinz aus mächtig und ließ einen
treuen Diener niemals im Stich. Auf seine Veranstaltung stürmte der
Volkstribun P. Clodius den Gerichtssaal, mißhandelte die Ankläger, vertrieb
die Richter, jagte den Präsidenten in die Flucht und befreite den Angeklag¬
ten. Ein Protokoll, welches Menenius über diese Vorfälle aufnahm, war
das dürftige Resultat der großen Anstrengungen.

Es fällt sofort ins Auge, daß das berichtete Auftreten des Menenius
nicht mit seiner Wirksamkeit als Volkstribun stimmt, denn damals gab er
sich den Anstrich eines Volksfreundes, wußte aber recht gut, daß er nur Pom-
pejus in die Hände arbeite; jetzt stand er auf Seiten des Senats und richtete
seine Angriffe gegen Cäsar und Pompejus, welche gleichmäßig bei der Gil-
tigkeit der Julischen Gesetze betheiligt waren. Es währ.te auch nicht lange,
so änderte der geistreiche Mann abermals seine Position. Als er sehen mußte,
wie allen Sympathien der Gutgesinnten zum Trotz Cicero im April S8 ver¬
bannt und Cato nach dem Orient entfernt wurde, machte er eine neue
Schwenkung und betrieb die Annäherung an Cäsar. Im weiteren Verlauf
seiner Prätur vermied er nicht nur alles, was diesen irgend verletzen konnte,
sondern gab auch in seiner anderweitigen Haltung nicht undeutliche Zeichen
von Sinnesänderung. Cäsar war im Gegensatz zu Pompejus leicht zur Ver"
föhnung geneigt und konnte, namentlich wenn ein höheres Interesse in Frage
kam, selbst schwere Beleidigungen vergessen. Man mußte nur zeigen, daß
man seine Pläne unterstützen wollte und konnte. Beides wurde Menenius
leicht. Es gab doch ein Gebiet öffentlicher Thätigkeit, welches großentheils
in den Händen der jungen aufstrebenden Genies sich befand, auf welchem der
vornehme, geistreiche, hochgebildete Menenius einen großen Einfluß gewinnen
konnte, sobald er nur wollte, wir meinen das Gebiet der Tageslitteratur.
Hier war der feine Kunstrichter, dessen Dicta und Couplets von Mund zu
Mund gingen, eine Größe ersten Ranges, seine Feindschaft verderblich, seine
unbewaffnete Neutralität schätzbar, sein Beistand hohen Preises werth. Wir
brauchen nur auf die bekannte, von Cäsar selbst in Scene gesetzte Versöhnung
mit Catull hinzudeuten, um jedem in der Zeitgeschichte einigermaßen Bewan¬
derten ins Gedächtniß zurückzurufen, daß Cäsar der Tagespresse eine sehr ein¬
gehende Aufmerksamkeit widmete und die Tonangeber auf jede Weise an sich
zu fesseln suchte. Was Menenius thun mußte, seit er sich halb und halb sür
Cäsar entschieden hatte, ergibt sich aus dem Gesagten von selbst. Er knüpfte
die Bande mit Dichterkreisen und Dichtern, welche ihm früher blos des
Amüsements wegen lieb gewesen waren, jetzt enger, suchte neue Bekannt¬
schaften, wußte selbst älteren, einer ernsten Lebensrichtung ergebenen Dichter¬
koryphäen durch seine, wenn er wollte, unwiderstehliche Liebenswürdigkeit ein
tieferes Interesse einzuflößen, und gab ihnen allen schon durch die eigene,


fehlen, aber Cäsar war auch von der Provinz aus mächtig und ließ einen
treuen Diener niemals im Stich. Auf seine Veranstaltung stürmte der
Volkstribun P. Clodius den Gerichtssaal, mißhandelte die Ankläger, vertrieb
die Richter, jagte den Präsidenten in die Flucht und befreite den Angeklag¬
ten. Ein Protokoll, welches Menenius über diese Vorfälle aufnahm, war
das dürftige Resultat der großen Anstrengungen.

Es fällt sofort ins Auge, daß das berichtete Auftreten des Menenius
nicht mit seiner Wirksamkeit als Volkstribun stimmt, denn damals gab er
sich den Anstrich eines Volksfreundes, wußte aber recht gut, daß er nur Pom-
pejus in die Hände arbeite; jetzt stand er auf Seiten des Senats und richtete
seine Angriffe gegen Cäsar und Pompejus, welche gleichmäßig bei der Gil-
tigkeit der Julischen Gesetze betheiligt waren. Es währ.te auch nicht lange,
so änderte der geistreiche Mann abermals seine Position. Als er sehen mußte,
wie allen Sympathien der Gutgesinnten zum Trotz Cicero im April S8 ver¬
bannt und Cato nach dem Orient entfernt wurde, machte er eine neue
Schwenkung und betrieb die Annäherung an Cäsar. Im weiteren Verlauf
seiner Prätur vermied er nicht nur alles, was diesen irgend verletzen konnte,
sondern gab auch in seiner anderweitigen Haltung nicht undeutliche Zeichen
von Sinnesänderung. Cäsar war im Gegensatz zu Pompejus leicht zur Ver«
föhnung geneigt und konnte, namentlich wenn ein höheres Interesse in Frage
kam, selbst schwere Beleidigungen vergessen. Man mußte nur zeigen, daß
man seine Pläne unterstützen wollte und konnte. Beides wurde Menenius
leicht. Es gab doch ein Gebiet öffentlicher Thätigkeit, welches großentheils
in den Händen der jungen aufstrebenden Genies sich befand, auf welchem der
vornehme, geistreiche, hochgebildete Menenius einen großen Einfluß gewinnen
konnte, sobald er nur wollte, wir meinen das Gebiet der Tageslitteratur.
Hier war der feine Kunstrichter, dessen Dicta und Couplets von Mund zu
Mund gingen, eine Größe ersten Ranges, seine Feindschaft verderblich, seine
unbewaffnete Neutralität schätzbar, sein Beistand hohen Preises werth. Wir
brauchen nur auf die bekannte, von Cäsar selbst in Scene gesetzte Versöhnung
mit Catull hinzudeuten, um jedem in der Zeitgeschichte einigermaßen Bewan¬
derten ins Gedächtniß zurückzurufen, daß Cäsar der Tagespresse eine sehr ein¬
gehende Aufmerksamkeit widmete und die Tonangeber auf jede Weise an sich
zu fesseln suchte. Was Menenius thun mußte, seit er sich halb und halb sür
Cäsar entschieden hatte, ergibt sich aus dem Gesagten von selbst. Er knüpfte
die Bande mit Dichterkreisen und Dichtern, welche ihm früher blos des
Amüsements wegen lieb gewesen waren, jetzt enger, suchte neue Bekannt¬
schaften, wußte selbst älteren, einer ernsten Lebensrichtung ergebenen Dichter¬
koryphäen durch seine, wenn er wollte, unwiderstehliche Liebenswürdigkeit ein
tieferes Interesse einzuflößen, und gab ihnen allen schon durch die eigene,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/144>, abgerufen am 24.08.2024.