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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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jenigen Abschnitte ihres Lebens, in denen sie ein öffentliches Amt bekleideten,
und die maßlos hastige Art ihres Auftretens, wie u. a. die fast beispiellosen
Jnvectiven gegen Scaurus und Cäsar erinnern nur zu sehr an das geräusch-
volle Handeln in sich verliebter Persönlichkeiten, welche einem momentanen
Impulse folgend unter innerem Zwang sich zu einer Thätigkeit bequemen,
bet dem geringsten Widerstand aber die mühsam gewonnene Haltung ver¬
lieren. Wir glauben demzufolge nicht zu irren, wenn wir die Familie der
Memmier immerhin zu denjenigen zählen, welche sich ein hohes Ziel gesteckt
hatten und dieses Ziel mit Eifer Generationen hindurch festhielten, aber in
demselben Athem hinzufügen, daß wir in ihnen die eiserne Arbeitskraft der
Porcier, den auch unter gehäuften Massen selbstgewonnener Schätze niemals
beschwichtigten Thätigkeitstrieb der Licinier, die in correcter Ausführung
selbst ungern übernommener Aufgaben musterhafte Ausdauer der Cornelier
und Julier vermissen. Für die Memmier standen bei den Berechnungen, zu
welchen Ehrgeiz sie veranlaßte, als bedeutungsvolle Factoren die glücklichen
Hazards oben an, wie die durch den öfter wiederkehrenden Venuskopf ihrer
Münzen verherrlichten Heirathen mit Pompeja und Faust", und erst in
zweiter Linie rangirten die durch sporadische Thätigkeit erlangten Erfolge.
Dabei wurden sie in ihrem Thun und Lassen von keiner höheren Idee be¬
seelt, von keinem Gedanken an das Wohl ihrer Mitbürger oder das Interesse
einer Partei gehoben. Als höchstes Lebensziel galt ihnen immer und immer
wieder ein behagliches vornehmes Wohlleben, wie es ein verfeinerter Sinnen¬
genuß gewährt. Wir können es ihnen dabei nicht choch anrechnen, daß sie
den Lebensgenuß durch Pflege der Litteratur und schönen Künste, nament¬
lich der Redekunst und Poesie veredelten. Sie verleugneten auch hierin den
Grundcharakter der Familie nicht, und die aus ihren meist extemporirten
Reden erhaltenen Dicta, die Indignation eines in erotischen Erörterungen
nicht gerade zarten Ovid, das Gesammturtheil Cicero's endlich müssen uns
die Ueberzeugung aufnöthigen, daß ihre Leistungen auf diesem Gebiet wohl
als sxeeiinillg, begabter und von den besten Lehrern ihrer Zeit vorgebildeter
Individuen, aber nimmermehr als Resultate eines ernsten und selbständigen,
auf sittlichen Grundlagen ruhenden Strebens anzusehen sind.

Gajus Menenius, Sohn des Lucius Menenius, wurde ca. 98 v. Chr.
geboren, bekleidete 66 das Volkstribunat, 88 die Prätur, 67 die Statthalter¬
schaft von Bithynien, bewarb sich 54 um das Consulat für 63, wurde wegen
Bestechung i. I. 62 verbannt und starb, wenn wir eine Andeutung des Lucrez
richtig verstehen, zwei Jahre später durch eigene Hand. Von den genannten
Daten stehen die mittleren urkundlich fest, das erste und letzte ergeben sich durch
Combination. Bekanntlich erforderte die Prätur nach den römischen Annal-
gesetzen das zurückgelegte vierzigste Lebensjahr; wir dürfen also die Geburt


jenigen Abschnitte ihres Lebens, in denen sie ein öffentliches Amt bekleideten,
und die maßlos hastige Art ihres Auftretens, wie u. a. die fast beispiellosen
Jnvectiven gegen Scaurus und Cäsar erinnern nur zu sehr an das geräusch-
volle Handeln in sich verliebter Persönlichkeiten, welche einem momentanen
Impulse folgend unter innerem Zwang sich zu einer Thätigkeit bequemen,
bet dem geringsten Widerstand aber die mühsam gewonnene Haltung ver¬
lieren. Wir glauben demzufolge nicht zu irren, wenn wir die Familie der
Memmier immerhin zu denjenigen zählen, welche sich ein hohes Ziel gesteckt
hatten und dieses Ziel mit Eifer Generationen hindurch festhielten, aber in
demselben Athem hinzufügen, daß wir in ihnen die eiserne Arbeitskraft der
Porcier, den auch unter gehäuften Massen selbstgewonnener Schätze niemals
beschwichtigten Thätigkeitstrieb der Licinier, die in correcter Ausführung
selbst ungern übernommener Aufgaben musterhafte Ausdauer der Cornelier
und Julier vermissen. Für die Memmier standen bei den Berechnungen, zu
welchen Ehrgeiz sie veranlaßte, als bedeutungsvolle Factoren die glücklichen
Hazards oben an, wie die durch den öfter wiederkehrenden Venuskopf ihrer
Münzen verherrlichten Heirathen mit Pompeja und Faust«, und erst in
zweiter Linie rangirten die durch sporadische Thätigkeit erlangten Erfolge.
Dabei wurden sie in ihrem Thun und Lassen von keiner höheren Idee be¬
seelt, von keinem Gedanken an das Wohl ihrer Mitbürger oder das Interesse
einer Partei gehoben. Als höchstes Lebensziel galt ihnen immer und immer
wieder ein behagliches vornehmes Wohlleben, wie es ein verfeinerter Sinnen¬
genuß gewährt. Wir können es ihnen dabei nicht choch anrechnen, daß sie
den Lebensgenuß durch Pflege der Litteratur und schönen Künste, nament¬
lich der Redekunst und Poesie veredelten. Sie verleugneten auch hierin den
Grundcharakter der Familie nicht, und die aus ihren meist extemporirten
Reden erhaltenen Dicta, die Indignation eines in erotischen Erörterungen
nicht gerade zarten Ovid, das Gesammturtheil Cicero's endlich müssen uns
die Ueberzeugung aufnöthigen, daß ihre Leistungen auf diesem Gebiet wohl
als sxeeiinillg, begabter und von den besten Lehrern ihrer Zeit vorgebildeter
Individuen, aber nimmermehr als Resultate eines ernsten und selbständigen,
auf sittlichen Grundlagen ruhenden Strebens anzusehen sind.

Gajus Menenius, Sohn des Lucius Menenius, wurde ca. 98 v. Chr.
geboren, bekleidete 66 das Volkstribunat, 88 die Prätur, 67 die Statthalter¬
schaft von Bithynien, bewarb sich 54 um das Consulat für 63, wurde wegen
Bestechung i. I. 62 verbannt und starb, wenn wir eine Andeutung des Lucrez
richtig verstehen, zwei Jahre später durch eigene Hand. Von den genannten
Daten stehen die mittleren urkundlich fest, das erste und letzte ergeben sich durch
Combination. Bekanntlich erforderte die Prätur nach den römischen Annal-
gesetzen das zurückgelegte vierzigste Lebensjahr; wir dürfen also die Geburt


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[0139] jenigen Abschnitte ihres Lebens, in denen sie ein öffentliches Amt bekleideten, und die maßlos hastige Art ihres Auftretens, wie u. a. die fast beispiellosen Jnvectiven gegen Scaurus und Cäsar erinnern nur zu sehr an das geräusch- volle Handeln in sich verliebter Persönlichkeiten, welche einem momentanen Impulse folgend unter innerem Zwang sich zu einer Thätigkeit bequemen, bet dem geringsten Widerstand aber die mühsam gewonnene Haltung ver¬ lieren. Wir glauben demzufolge nicht zu irren, wenn wir die Familie der Memmier immerhin zu denjenigen zählen, welche sich ein hohes Ziel gesteckt hatten und dieses Ziel mit Eifer Generationen hindurch festhielten, aber in demselben Athem hinzufügen, daß wir in ihnen die eiserne Arbeitskraft der Porcier, den auch unter gehäuften Massen selbstgewonnener Schätze niemals beschwichtigten Thätigkeitstrieb der Licinier, die in correcter Ausführung selbst ungern übernommener Aufgaben musterhafte Ausdauer der Cornelier und Julier vermissen. Für die Memmier standen bei den Berechnungen, zu welchen Ehrgeiz sie veranlaßte, als bedeutungsvolle Factoren die glücklichen Hazards oben an, wie die durch den öfter wiederkehrenden Venuskopf ihrer Münzen verherrlichten Heirathen mit Pompeja und Faust«, und erst in zweiter Linie rangirten die durch sporadische Thätigkeit erlangten Erfolge. Dabei wurden sie in ihrem Thun und Lassen von keiner höheren Idee be¬ seelt, von keinem Gedanken an das Wohl ihrer Mitbürger oder das Interesse einer Partei gehoben. Als höchstes Lebensziel galt ihnen immer und immer wieder ein behagliches vornehmes Wohlleben, wie es ein verfeinerter Sinnen¬ genuß gewährt. Wir können es ihnen dabei nicht choch anrechnen, daß sie den Lebensgenuß durch Pflege der Litteratur und schönen Künste, nament¬ lich der Redekunst und Poesie veredelten. Sie verleugneten auch hierin den Grundcharakter der Familie nicht, und die aus ihren meist extemporirten Reden erhaltenen Dicta, die Indignation eines in erotischen Erörterungen nicht gerade zarten Ovid, das Gesammturtheil Cicero's endlich müssen uns die Ueberzeugung aufnöthigen, daß ihre Leistungen auf diesem Gebiet wohl als sxeeiinillg, begabter und von den besten Lehrern ihrer Zeit vorgebildeter Individuen, aber nimmermehr als Resultate eines ernsten und selbständigen, auf sittlichen Grundlagen ruhenden Strebens anzusehen sind. Gajus Menenius, Sohn des Lucius Menenius, wurde ca. 98 v. Chr. geboren, bekleidete 66 das Volkstribunat, 88 die Prätur, 67 die Statthalter¬ schaft von Bithynien, bewarb sich 54 um das Consulat für 63, wurde wegen Bestechung i. I. 62 verbannt und starb, wenn wir eine Andeutung des Lucrez richtig verstehen, zwei Jahre später durch eigene Hand. Von den genannten Daten stehen die mittleren urkundlich fest, das erste und letzte ergeben sich durch Combination. Bekanntlich erforderte die Prätur nach den römischen Annal- gesetzen das zurückgelegte vierzigste Lebensjahr; wir dürfen also die Geburt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/139>, abgerufen am 24.08.2024.