Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.es nicht, wenn von patriotischer Seite angedeutet wurde, daß man wohl Die Hartnäckigkeit der beiden Parteien machte die Auflösung, die Be¬ es nicht, wenn von patriotischer Seite angedeutet wurde, daß man wohl Die Hartnäckigkeit der beiden Parteien machte die Auflösung, die Be¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0133" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121888"/> <p xml:id="ID_356" prev="#ID_355"> es nicht, wenn von patriotischer Seite angedeutet wurde, daß man wohl<lb/> etwa mit der Fortschrittspartei, keineswegs aber mit der verhaßteren Mittel¬<lb/> partei zu compromittirten geneigt sei. In Wahrheit wollten die Clericalen<lb/> nicht ein Kompromiß, sondern Unterwerfung, und diese war der vereinigten<lb/> Linken um so weniger anzusinnen. als sie von Hause aus durch die Auf¬<lb/> stellung ihres Präsidentschaftscandidaten die Hand zur Vermittelung geboten<lb/> hatte. Denn die Fortschrittspartei war nicht auf ihrem Führer Marquard<lb/> Barth bestanden, der in die Linie des Vicepräsidenten zurücktreten sollte. Sie<lb/> hatte mit der Mittelpartei auf Professor Edel in Würzburg sich vereinigt<lb/> und war damit bereits bis an die Grenze des Möglichen gegangen. Zusam¬<lb/> men mit seinem jetzigen Gegner Weiß einst viel genannt, gehörte dieser der<lb/> alten großdeutsch-liberalen Partei an, die durch das Jahr 1866 zersprengt ist,<lb/> und gerade in der nationalen Frage stand Weiß der Fortschrittspartei jeden¬<lb/> falls nicht näher als der patriotischen. Jetzt zur Mittelpartei haltend eignete<lb/> er sich allerdings unter diesen Umständen zu einem Compromißccmdidaten,<lb/> der auch den gemäßigteren Elementen der Patrioten annehmbar schien. Aber<lb/> weiter in der Nachgiebigkeit zu gehen, war den liberalen Parteien nicht zu-<lb/> zumuthen. Zu dieser vereinigten Linken gesellte sich auch die einzige Stimme<lb/> der Volkspartei, die des Abgeordneten Kolb, nicht ohne daß „der Statistiker<lb/> aus Speyer" seine Abneigung gegen M. Barth ausdrücklich proclamirte und<lb/> zuvor die Bedingung stellte, daß die Gründe für seine Haltung öffentlich<lb/> bekannt gemacht würden. Von der strengen Observanz seiner Partei wich er<lb/> allerdings insofern ab, als diese sonst überall den Ultramontanen ihre Stim¬<lb/> men zur Verfügung zu stellen pflegt.</p><lb/> <p xml:id="ID_357" next="#ID_358"> Die Hartnäckigkeit der beiden Parteien machte die Auflösung, die Be¬<lb/> rufung an die UrWahlen des Volks unvermeidlich. Nun ist wohl nicht daran<lb/> zu denken, daß das Ergebniß ein wesentlich anderes sein werde. Auch in<lb/> der nächsten Kammer werden die Parteien einander annähernd wieder gleich<lb/> sein. Nur wird sich der Zufall der mathematischen Gleichheit schwerlich wie¬<lb/> derholen. Auf welche Seite das Uebergewicht sich aber neigen werde, läßt<lb/> sich schwer voraussagen. Wahr ist, daß schon bei den letzten Wahlen die<lb/> Zahl der liberalen Wähler größer war als die der clericalen. Nur durch<lb/> die Art, wie sich die Parteien in den einzelnen Wahlbezirken vertheilten,<lb/> hatten die Clericalen es zu einem numerischen Uebergewicht gebracht. Die Cle-<lb/> ricalen hatten in vielen Bezirken sehr starke Minderheiten, die Liberalen viel¬<lb/> fach gar keine Minderheiten gegen sich. Es ist dies ein Umstand, welcher<lb/> der Regierung den Entschluß, die Eintheilung der Wahlbezirke zu ändern,<lb/> nothwendig sehr erleichtern muß. Besser wäre es freilich gewesen, wenn sie<lb/> schon bei den vorigen Wahlen diesen Punkt gebührend ins Auge gefaßt hätte,<lb/> dann müßte sie nicht jetzt zu einer Maßregel greifen, die ihr von gegnerischer</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0133]
es nicht, wenn von patriotischer Seite angedeutet wurde, daß man wohl
etwa mit der Fortschrittspartei, keineswegs aber mit der verhaßteren Mittel¬
partei zu compromittirten geneigt sei. In Wahrheit wollten die Clericalen
nicht ein Kompromiß, sondern Unterwerfung, und diese war der vereinigten
Linken um so weniger anzusinnen. als sie von Hause aus durch die Auf¬
stellung ihres Präsidentschaftscandidaten die Hand zur Vermittelung geboten
hatte. Denn die Fortschrittspartei war nicht auf ihrem Führer Marquard
Barth bestanden, der in die Linie des Vicepräsidenten zurücktreten sollte. Sie
hatte mit der Mittelpartei auf Professor Edel in Würzburg sich vereinigt
und war damit bereits bis an die Grenze des Möglichen gegangen. Zusam¬
men mit seinem jetzigen Gegner Weiß einst viel genannt, gehörte dieser der
alten großdeutsch-liberalen Partei an, die durch das Jahr 1866 zersprengt ist,
und gerade in der nationalen Frage stand Weiß der Fortschrittspartei jeden¬
falls nicht näher als der patriotischen. Jetzt zur Mittelpartei haltend eignete
er sich allerdings unter diesen Umständen zu einem Compromißccmdidaten,
der auch den gemäßigteren Elementen der Patrioten annehmbar schien. Aber
weiter in der Nachgiebigkeit zu gehen, war den liberalen Parteien nicht zu-
zumuthen. Zu dieser vereinigten Linken gesellte sich auch die einzige Stimme
der Volkspartei, die des Abgeordneten Kolb, nicht ohne daß „der Statistiker
aus Speyer" seine Abneigung gegen M. Barth ausdrücklich proclamirte und
zuvor die Bedingung stellte, daß die Gründe für seine Haltung öffentlich
bekannt gemacht würden. Von der strengen Observanz seiner Partei wich er
allerdings insofern ab, als diese sonst überall den Ultramontanen ihre Stim¬
men zur Verfügung zu stellen pflegt.
Die Hartnäckigkeit der beiden Parteien machte die Auflösung, die Be¬
rufung an die UrWahlen des Volks unvermeidlich. Nun ist wohl nicht daran
zu denken, daß das Ergebniß ein wesentlich anderes sein werde. Auch in
der nächsten Kammer werden die Parteien einander annähernd wieder gleich
sein. Nur wird sich der Zufall der mathematischen Gleichheit schwerlich wie¬
derholen. Auf welche Seite das Uebergewicht sich aber neigen werde, läßt
sich schwer voraussagen. Wahr ist, daß schon bei den letzten Wahlen die
Zahl der liberalen Wähler größer war als die der clericalen. Nur durch
die Art, wie sich die Parteien in den einzelnen Wahlbezirken vertheilten,
hatten die Clericalen es zu einem numerischen Uebergewicht gebracht. Die Cle-
ricalen hatten in vielen Bezirken sehr starke Minderheiten, die Liberalen viel¬
fach gar keine Minderheiten gegen sich. Es ist dies ein Umstand, welcher
der Regierung den Entschluß, die Eintheilung der Wahlbezirke zu ändern,
nothwendig sehr erleichtern muß. Besser wäre es freilich gewesen, wenn sie
schon bei den vorigen Wahlen diesen Punkt gebührend ins Auge gefaßt hätte,
dann müßte sie nicht jetzt zu einer Maßregel greifen, die ihr von gegnerischer
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