Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.norddeutschen Bunde einzunehmen, wird hier wie in Würtemberg die Homo¬ In seiner Gesammtheit repräsentirt das Ministerium, um es kurz zu Ein solches Ministerium entspricht nun unstreitig der augenblicklichen norddeutschen Bunde einzunehmen, wird hier wie in Würtemberg die Homo¬ In seiner Gesammtheit repräsentirt das Ministerium, um es kurz zu Ein solches Ministerium entspricht nun unstreitig der augenblicklichen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0130" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121885"/> <p xml:id="ID_350" prev="#ID_349"> norddeutschen Bunde einzunehmen, wird hier wie in Würtemberg die Homo¬<lb/> genität des Ministeriums unmöglich machen. Verträgt sich ein streng parti-<lb/> cularistisches Regiment nicht mit den feierlich übernommenen Staatsverpflich¬<lb/> tungen, so sind doch seine Vertreter mächtig genug, Fuß in der Negierung<lb/> zu behalten. Die Verwirrung der öffentlichen Meinung spiegelt sich so wieder<lb/> in der obersten Verwaltung.</p><lb/> <p xml:id="ID_351"> In seiner Gesammtheit repräsentirt das Ministerium, um es kurz zu<lb/> sagen, die Treue gegen die Verträge und die liberale Reform. Daher der<lb/> Doppelhaß der Ultramontanen. Aber doch nur uneigentlich kann von einer<lb/> Gesammtheit des Ministeriums gesprochen werden, und ungleich vertheilt sich<lb/> daher der Haß der Schwarzen gegen seine einzelnen Mitglieder. Wenn der<lb/> Fürst Hohenlohe das nationale Element repräsentirt und über die Vertrags¬<lb/> treue hinaus die Anstrebung eines engeren Verhältnisses zum Nordbunde zu<lb/> seinem freilich für den Augenblick undurchführbaren Programm gemacht hat,<lb/> so steht an seiner Seite der Minister des Innern Hörmann als Vertreter<lb/> der liberalen Principien, wie sie in der letzten Zeit in den verschiedenen<lb/> Zweigen der Gesetzgebung, in der Gemeindeverwaltung, im Justizwesen und<lb/> im Schulwesen angestrebt und theilweise auch verwirklicht worden sind.<lb/> Beide zusammen sind der eigentliche Zielpunkt des Hasses der Ultramontanen,<lb/> auf den Sturz beider sind immer wieder die Anstrengungen der Gegenpartei<lb/> gerichtet, deren Wortführer es geradezu aussprechen, die Beseitigung dieser<lb/> zwei Minister genüge ihnen vollständig, und es liege ihnen sogar wenig<lb/> daran, durch welche andere Persönlichkeiten sie ersetzt würden. Nächst ihnen<lb/> ist es der Cultusminister Gresser, der sich, zumal seit der Vorlage des ge¬<lb/> scheiterten Schulgesetzes, der Abneigung der Clericalen erfreut; aber schon von<lb/> den Ministern Pfretzschner und Schlör ist man überzeugt, daß sie auch in<lb/> einem purificirtem Ministerium ihre Portefeuilles behalten würden, obwohl<lb/> der letztere bei der hartnäckigen Präsidentenwahl tapfer auf der liberalen<lb/> Seite ausgehalten hat und darum wiederholter Verwarnungen von Seiten<lb/> des „Volksboden" sich theilhaftig machte. Mit den Herren Lutz und v. Prankh<lb/> endlich reicht das Ministerium vollends der „patriotischen" Partei die Hand,<lb/> eine Stufenleiter, wie sie nicht vollständiger sein könnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_352"> Ein solches Ministerium entspricht nun unstreitig der augenblicklichen<lb/> Lage, es ist wirklich ein Ausdruck der bayrischen Volksmeinung, die sich bei<lb/> den letzten Wahlen in zwei fast gleiche Hälften gespalten hat. Aber anderer¬<lb/> seits ist klar, daß eine solche Regierung daraus verzichten muß, führend und<lb/> lenkend auf die öffentliche Meinung einzuwirken. Sie ist ohne Autorität,<lb/> weil sie die Freunde aller Parteien in ihrem Schoße hat und darum des<lb/> Vertrauens Aller entbehrt. Sie folgt der Bewegung der öffentlichen Mei¬<lb/> nung, anstatt sie zu leiten und vorzubereiten.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0130]
norddeutschen Bunde einzunehmen, wird hier wie in Würtemberg die Homo¬
genität des Ministeriums unmöglich machen. Verträgt sich ein streng parti-
cularistisches Regiment nicht mit den feierlich übernommenen Staatsverpflich¬
tungen, so sind doch seine Vertreter mächtig genug, Fuß in der Negierung
zu behalten. Die Verwirrung der öffentlichen Meinung spiegelt sich so wieder
in der obersten Verwaltung.
In seiner Gesammtheit repräsentirt das Ministerium, um es kurz zu
sagen, die Treue gegen die Verträge und die liberale Reform. Daher der
Doppelhaß der Ultramontanen. Aber doch nur uneigentlich kann von einer
Gesammtheit des Ministeriums gesprochen werden, und ungleich vertheilt sich
daher der Haß der Schwarzen gegen seine einzelnen Mitglieder. Wenn der
Fürst Hohenlohe das nationale Element repräsentirt und über die Vertrags¬
treue hinaus die Anstrebung eines engeren Verhältnisses zum Nordbunde zu
seinem freilich für den Augenblick undurchführbaren Programm gemacht hat,
so steht an seiner Seite der Minister des Innern Hörmann als Vertreter
der liberalen Principien, wie sie in der letzten Zeit in den verschiedenen
Zweigen der Gesetzgebung, in der Gemeindeverwaltung, im Justizwesen und
im Schulwesen angestrebt und theilweise auch verwirklicht worden sind.
Beide zusammen sind der eigentliche Zielpunkt des Hasses der Ultramontanen,
auf den Sturz beider sind immer wieder die Anstrengungen der Gegenpartei
gerichtet, deren Wortführer es geradezu aussprechen, die Beseitigung dieser
zwei Minister genüge ihnen vollständig, und es liege ihnen sogar wenig
daran, durch welche andere Persönlichkeiten sie ersetzt würden. Nächst ihnen
ist es der Cultusminister Gresser, der sich, zumal seit der Vorlage des ge¬
scheiterten Schulgesetzes, der Abneigung der Clericalen erfreut; aber schon von
den Ministern Pfretzschner und Schlör ist man überzeugt, daß sie auch in
einem purificirtem Ministerium ihre Portefeuilles behalten würden, obwohl
der letztere bei der hartnäckigen Präsidentenwahl tapfer auf der liberalen
Seite ausgehalten hat und darum wiederholter Verwarnungen von Seiten
des „Volksboden" sich theilhaftig machte. Mit den Herren Lutz und v. Prankh
endlich reicht das Ministerium vollends der „patriotischen" Partei die Hand,
eine Stufenleiter, wie sie nicht vollständiger sein könnte.
Ein solches Ministerium entspricht nun unstreitig der augenblicklichen
Lage, es ist wirklich ein Ausdruck der bayrischen Volksmeinung, die sich bei
den letzten Wahlen in zwei fast gleiche Hälften gespalten hat. Aber anderer¬
seits ist klar, daß eine solche Regierung daraus verzichten muß, führend und
lenkend auf die öffentliche Meinung einzuwirken. Sie ist ohne Autorität,
weil sie die Freunde aller Parteien in ihrem Schoße hat und darum des
Vertrauens Aller entbehrt. Sie folgt der Bewegung der öffentlichen Mei¬
nung, anstatt sie zu leiten und vorzubereiten.
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