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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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spinne, und ihn mit List an den Webstuhl locke; wenn ich an seinem klassi¬
schen Gefühl aus der schönen Italia mich erwärme, und die gesammelte Wärme
mittheile; wenn ich -- Nein, sage dem Bescheidenen nichts der Art; sage
ihm bloß, daß zwischen Heidelberg und Carlsruhe mein Wagen und der
seinige oft stäuben wird.

Mein Herz hebt sich bei dem Gedanken, unter dem menschenfreundlichsten
der Fürsten Deutschlands, dem ich vor dreißig Jahren meine beginnende
Thätigkeit zu weihen trachtete, noch am Abende meines Lebens nicht ganz un
thätige Feierstunden zu verleben, und als einer der seinigen zur Ruhe
zu gehn.

Was der großmüthige Pfleger der Wissenschaft und der feineren
Menschenbildung über mich weiter verfügen wird, ziemt mir in ehrerbietigem
Vertraun abzuwarten. Eine eigene Verlegenheit aber nöthiget mich, da die
Entscheidung noch etwas anstehen kann, Sie, lieber Weinbrenner, um ein
vorläufiges Wort der Wahrscheinlichkeit zu ersuchen.

Man vermutet in Weimar, daß diejenige Partei in Baiern, die meinen
Freund Jakobi aus Eutin zur Münchner Akademie der Wissenschaften berief,
auch mir, nachdem ich die Würzburger Stelle verbeten habe, einen ähn¬
lichen Ruf zudenke; ich selbst weiß nichts näheres, als daß Jakobi meine
Abneigung gegen alle baierschen Einladungen mit liebevoller Beredsamkeit
umzulenken sich bemüht. Man geht damit um, meine unverhohlene Ab¬
neigung durch hiesige Gefälligkeiten, als durch Zusicherung eines Wittwen¬
gehalts, durch Einrichtung eines Absteigequartiers in Weimar und wahr¬
scheinlich eine Pension zu der Naturalienlieserung, die ich genieße, zu ver¬
stärken. Der Erbprinz und Seine Frau Gemahlin, die Großfürstin, denen
ich anhaltender Erkältungen wegen bisher noch nicht aufwarten konnte, haben
mit beschämender Herablassung ihren Wunsch mich zu sehen geäußert; und
wenn ich hinüberginge, so könnten leicht die schon erschollenen und vermute¬
ten Anträge beschleunigt werden. Ich habe ohnehin Bande genug in Weimar
und hier abzureißen; mehrere dazu würden die Trennung schwer, wenn nicht
unmöglich machen. Gleichwohl ist Jenas schneidende Luft meinem Körper so
wenig zuträglich, als Jenas Verfall meinem Geiste; nur in Heidelberg
wünschte ich zu leben und zu sterben.

Die Aussichten dahin, die Sie mir geöfnet haben, habe ich sorgfältig
verhehlt; selbst meinem Landsmann und Freunde Thibaut. als dieser bei
seinem Rufe nach H. mich zum Vertrauten machte, und für sich von dortiger
Wiedervereinigung zu träumen anfing. Aber nachdem einige Tage ein un-
stätes Gerücht von einer mir geschehenen Einladung nach H. sich verbreitet
und wieder verloren hatte, meldete mir Thibaut, Ackermann hätte eine An¬
frage von Prof. Wedekind, auf Veranlassung des Herrn Geh. Res. Hofer


spinne, und ihn mit List an den Webstuhl locke; wenn ich an seinem klassi¬
schen Gefühl aus der schönen Italia mich erwärme, und die gesammelte Wärme
mittheile; wenn ich — Nein, sage dem Bescheidenen nichts der Art; sage
ihm bloß, daß zwischen Heidelberg und Carlsruhe mein Wagen und der
seinige oft stäuben wird.

Mein Herz hebt sich bei dem Gedanken, unter dem menschenfreundlichsten
der Fürsten Deutschlands, dem ich vor dreißig Jahren meine beginnende
Thätigkeit zu weihen trachtete, noch am Abende meines Lebens nicht ganz un
thätige Feierstunden zu verleben, und als einer der seinigen zur Ruhe
zu gehn.

Was der großmüthige Pfleger der Wissenschaft und der feineren
Menschenbildung über mich weiter verfügen wird, ziemt mir in ehrerbietigem
Vertraun abzuwarten. Eine eigene Verlegenheit aber nöthiget mich, da die
Entscheidung noch etwas anstehen kann, Sie, lieber Weinbrenner, um ein
vorläufiges Wort der Wahrscheinlichkeit zu ersuchen.

Man vermutet in Weimar, daß diejenige Partei in Baiern, die meinen
Freund Jakobi aus Eutin zur Münchner Akademie der Wissenschaften berief,
auch mir, nachdem ich die Würzburger Stelle verbeten habe, einen ähn¬
lichen Ruf zudenke; ich selbst weiß nichts näheres, als daß Jakobi meine
Abneigung gegen alle baierschen Einladungen mit liebevoller Beredsamkeit
umzulenken sich bemüht. Man geht damit um, meine unverhohlene Ab¬
neigung durch hiesige Gefälligkeiten, als durch Zusicherung eines Wittwen¬
gehalts, durch Einrichtung eines Absteigequartiers in Weimar und wahr¬
scheinlich eine Pension zu der Naturalienlieserung, die ich genieße, zu ver¬
stärken. Der Erbprinz und Seine Frau Gemahlin, die Großfürstin, denen
ich anhaltender Erkältungen wegen bisher noch nicht aufwarten konnte, haben
mit beschämender Herablassung ihren Wunsch mich zu sehen geäußert; und
wenn ich hinüberginge, so könnten leicht die schon erschollenen und vermute¬
ten Anträge beschleunigt werden. Ich habe ohnehin Bande genug in Weimar
und hier abzureißen; mehrere dazu würden die Trennung schwer, wenn nicht
unmöglich machen. Gleichwohl ist Jenas schneidende Luft meinem Körper so
wenig zuträglich, als Jenas Verfall meinem Geiste; nur in Heidelberg
wünschte ich zu leben und zu sterben.

Die Aussichten dahin, die Sie mir geöfnet haben, habe ich sorgfältig
verhehlt; selbst meinem Landsmann und Freunde Thibaut. als dieser bei
seinem Rufe nach H. mich zum Vertrauten machte, und für sich von dortiger
Wiedervereinigung zu träumen anfing. Aber nachdem einige Tage ein un-
stätes Gerücht von einer mir geschehenen Einladung nach H. sich verbreitet
und wieder verloren hatte, meldete mir Thibaut, Ackermann hätte eine An¬
frage von Prof. Wedekind, auf Veranlassung des Herrn Geh. Res. Hofer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/118>, abgerufen am 22.07.2024.