Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.damals ein Drittel ausmachte, ihren Vertreter habe, daß der Wunsch und das Man hat von liberaler Seite zuweilen auch das Recht des Presbyterlal¬ Grenzboten III. 186". 12
damals ein Drittel ausmachte, ihren Vertreter habe, daß der Wunsch und das Man hat von liberaler Seite zuweilen auch das Recht des Presbyterlal¬ Grenzboten III. 186». 12
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0097" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121318"/> <p xml:id="ID_329" prev="#ID_328"> damals ein Drittel ausmachte, ihren Vertreter habe, daß der Wunsch und das<lb/> Bedürfniß eines großen Theiles der Gemeinde nach einem Prediger ihrer<lb/> Wahl, der dazu in einer Reihe von Jahren sich bewährt und ihr Vertrauen<lb/> in steigendem Maß gewonnen hatte, erfüllt werde. Aber für dieses Bedürf¬<lb/> niß der Gemeinde hatte die ausgetrocknete Orthodoxie der Machthaber keinen<lb/> Sinn. Was war ihr das Bedürfniß der Seelen? Ihr kam es auf den Aus¬<lb/> schluß einer Richtung an, welche, wenn sie noch weiter um sich griff, den<lb/> Bestand ihrer Herrschaf: erschütterte. Die Anklage auf Ketzerei war offenbar<lb/> aufs schwächste motivirt und mit Recht konnte Coquerel seinen Anklägern<lb/> ins Gesicht sagen, daß vor der Confession von Rocholle sie so wenig be¬<lb/> stünden wie er, ja daß auch die Sätze des apostolischen Glaubensbekenntnisses<lb/> in unseren Tagen Niemand wörtlich und ernstlich nehme. Nicht die Hetero-<lb/> doxie Coquerels war das Anstößige, dies war der Vorwand; ihre Herrschaft<lb/> stand auf dem Spiel, daher der Haß. Später haben es die Wortführer der<lb/> Orthodoxie geradezu eingestanden, daß der Bestand der liberalen Union das<lb/> eigentliche Motiv des Beschlusses vom 26. Februar war und daß dieser nicht<lb/> gefaßt worden wäre, wenn Coquerel die Auflösung des Vereins hätte durch¬<lb/> setzen wollen. Am 17. December äußerte sich Pederzet in einem Artikel der<lb/> orthodoxen „Esperance" in halbosficiellem Ton dahin, der Presbylerialrath<lb/> habe im Interesse seiner Selbsterhaltung so handeln müssen, er sei durch die<lb/> Liberalen in seiner Zusammensetzung bedroht, und er dürfe nicht die mächtigste<lb/> Waffe in der Hand seiner Gegner lassen. „Es ist niemals zu spät, die<lb/> Wahrheit zu erkennen; nun die Wahrheit, hier ist sie in zwei Worten: in<lb/> dem feierlichen Beschluß des Presbyterlalraths hat die liberale Union die<lb/> die weißen Kugeln in schwarze verwandelt. Sie trägt die Verantwortung<lb/> für den Schlag, den der Presbyterialrath nur ausgeführt hat." Dies hieß<lb/> wenigstens offen eingestehen, um was es sich handelte.</p><lb/> <p xml:id="ID_330" next="#ID_331"> Man hat von liberaler Seite zuweilen auch das Recht des Presbyterlal¬<lb/> raths zu dem Schritt, den er gethan, bestreiten wollen. Offenbar mit Un¬<lb/> recht, die Geistlichen wählen ihre Suffragane selbst, aber die Wahl kommt<lb/> als Vorschlag vor den Presbyterialrath, der sie zu genehmigen hat. Nun<lb/> har zwar das Pariser Consistorium zugegeben, daß bis jetzt nie der Fall vor¬<lb/> kam, daß der betreffende Vorschlag eines Geistlichen zurückgewiesen wurde.<lb/> Es war also wohl eine ganz ungewöhnliche Maßregel, aber die formelle Competenz<lb/> läßt sich nicht anfechten. Dennoch stempelten sie die näheren Umstände zum<lb/> allergehässigsten Ketzergericht unserer Zeit. Schon daß es an einer so über¬<lb/> legenen Persönlichkeit vollzogen wurde, machte den Erfolg peinlicher für<lb/> die Sieger als für die Besiegten. Indem die Anklage zu ihrer einen Hälfte<lb/> dahin ging, daß der Presbyterialrath angegriffen worden sei. erklärte dieser</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 186». 12</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0097]
damals ein Drittel ausmachte, ihren Vertreter habe, daß der Wunsch und das
Bedürfniß eines großen Theiles der Gemeinde nach einem Prediger ihrer
Wahl, der dazu in einer Reihe von Jahren sich bewährt und ihr Vertrauen
in steigendem Maß gewonnen hatte, erfüllt werde. Aber für dieses Bedürf¬
niß der Gemeinde hatte die ausgetrocknete Orthodoxie der Machthaber keinen
Sinn. Was war ihr das Bedürfniß der Seelen? Ihr kam es auf den Aus¬
schluß einer Richtung an, welche, wenn sie noch weiter um sich griff, den
Bestand ihrer Herrschaf: erschütterte. Die Anklage auf Ketzerei war offenbar
aufs schwächste motivirt und mit Recht konnte Coquerel seinen Anklägern
ins Gesicht sagen, daß vor der Confession von Rocholle sie so wenig be¬
stünden wie er, ja daß auch die Sätze des apostolischen Glaubensbekenntnisses
in unseren Tagen Niemand wörtlich und ernstlich nehme. Nicht die Hetero-
doxie Coquerels war das Anstößige, dies war der Vorwand; ihre Herrschaft
stand auf dem Spiel, daher der Haß. Später haben es die Wortführer der
Orthodoxie geradezu eingestanden, daß der Bestand der liberalen Union das
eigentliche Motiv des Beschlusses vom 26. Februar war und daß dieser nicht
gefaßt worden wäre, wenn Coquerel die Auflösung des Vereins hätte durch¬
setzen wollen. Am 17. December äußerte sich Pederzet in einem Artikel der
orthodoxen „Esperance" in halbosficiellem Ton dahin, der Presbylerialrath
habe im Interesse seiner Selbsterhaltung so handeln müssen, er sei durch die
Liberalen in seiner Zusammensetzung bedroht, und er dürfe nicht die mächtigste
Waffe in der Hand seiner Gegner lassen. „Es ist niemals zu spät, die
Wahrheit zu erkennen; nun die Wahrheit, hier ist sie in zwei Worten: in
dem feierlichen Beschluß des Presbyterlalraths hat die liberale Union die
die weißen Kugeln in schwarze verwandelt. Sie trägt die Verantwortung
für den Schlag, den der Presbyterialrath nur ausgeführt hat." Dies hieß
wenigstens offen eingestehen, um was es sich handelte.
Man hat von liberaler Seite zuweilen auch das Recht des Presbyterlal¬
raths zu dem Schritt, den er gethan, bestreiten wollen. Offenbar mit Un¬
recht, die Geistlichen wählen ihre Suffragane selbst, aber die Wahl kommt
als Vorschlag vor den Presbyterialrath, der sie zu genehmigen hat. Nun
har zwar das Pariser Consistorium zugegeben, daß bis jetzt nie der Fall vor¬
kam, daß der betreffende Vorschlag eines Geistlichen zurückgewiesen wurde.
Es war also wohl eine ganz ungewöhnliche Maßregel, aber die formelle Competenz
läßt sich nicht anfechten. Dennoch stempelten sie die näheren Umstände zum
allergehässigsten Ketzergericht unserer Zeit. Schon daß es an einer so über¬
legenen Persönlichkeit vollzogen wurde, machte den Erfolg peinlicher für
die Sieger als für die Besiegten. Indem die Anklage zu ihrer einen Hälfte
dahin ging, daß der Presbyterialrath angegriffen worden sei. erklärte dieser
Grenzboten III. 186». 12
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